Szenario:"Seien Sie einfach mal Kinder!"

Lesezeit: 2 min

Bei der 15. PIN-Party in der Pinakothek der Moderne steigern sich die Gäste ganz langsam in einen Rausch hinein. Alles für einen guten Zweck - und für eine möglichst glamouröse Selbstdarstellung

Von Christian Mayer

Auktionator Andreas Rumbler weiß, wie man Kreditkarten zum Glühen und Augen zum Leuchten bringt, wer Geld hat, sollte es schließlich auch ausgeben, am besten für einen guten Zweck. Und wenn mal nicht sofort eine Hand in die Höhe schnellt, leistet der Chairman von Christie's Switzerland Motivationshilfe: "Hier brauchen Sie keine 400 Millionen Euro ausgeben, um zur Erlösung zu kommen, hier reichen kleine Summen." Eine Anspielung auf das Werk "Salvator Mundi", das Leonardo da Vinci zugeschrieben wird und bei einer Auktion in New York gerade einen Rekorderlös erzielt hat. Aber auch bei der PIN-Party in der Rotunde der Pinakothek der Moderne geht es darum, die Preise möglichst geschickt in die Höhe zu treiben.

Anfangs verläuft die Live-Auktion noch etwas schleppend, die Gäste in den Premium-Sitzreihen und weiter hinten in der Fußvolk-Liga müssen sich erst warmsteigern. Das Werk "Ohne Titel (Besuch von Hokusai)" des Malerfürsten Georg Baselitz kratzt an der 100 000-Euro-Marke, bevor Rumbler für 95 000 Euro den Zuschlag erteilt. Ein Raunen geht durch den festlich dekorierten Saal, als der "Blue Mirror Balloon" des dänischen Bildhauers Jeppe Hein stolze 65 000 Euro erzielt - auch dafür hat der Auktionator kräftig Werbung gemacht: "Jetzt seien Sie einfach mal Kinder, kaufen Sie das!" Für die sachgemäße Anbringung dieser Skulptur aus Glasfaser, Chrom und Plastik (die aussieht wie, nun ja, ein Luftballon) braucht der Käufer eine eigene Magnetschwebebahn im Haus, wie Rumbler mit einem Unterton bemerkt, in dem ein ganz leiser Spott mitschwingt.

Danach läuft die Sache rund, eine Arbeit von Christian Awe erzielt mit 40 000 Euro das Vierfache des Galeriepreises, ein Werk von Katharina Grosse landet mit 70 000 Euro auf Platz zwei der Geldrangliste. Am Ende kann sich der PIN-Verein über eine siebenstellige Summe freuen: Etwas mehr als eine Million Euro, das ist zwar weit entfernt vom Da-Vinci-Wahnsinn, aber doch viel Geld für eine öffentliche Einrichtung.

Natürlich geht es an diesem Abend nicht nur um Bürgerengagement, sondern auch um das schöne Gefühl, zu einer erlesenen Gruppe von Kunstkennern zu zählen. Schließlich ist der Abend auch eine stilistische Leistungsschau, ein Vergleichsportal: Cocktailkleid trifft Robe, Glitzeranzug grüßt Wahnsinns-Dekolleté. Die Bieter sonnen sich im Glanz ihres Mäzenatentums, alle anderen kriegen ein exquisites Abendessen auf vielen kleinen Tellern und mehr Champagner, als man für möglich gehalten hätte. Großes Lob gibt es für das Organisationsteam um die PIN-Vorsitzende Dorothée Wahl und die Festkomitee-Leiterin Annette Stadler (18 Frauen und ein Mann, so viel zur Geschlechtergleichheit), die eine Kohorte von treuen Förderern, Spendern und Helfern dirigieren. "Das ist inzwischen das bedeutendste Fest im Kulturbereich in München, manche würden sagen: in Deutschland", sagt der nicht zur Tiefstapelei neigende Direktor der Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz. Der Hausherr weiß eben, was er den PIN-Freunden zu verdanken hat.

Kunstminister Ludwig Spaenle hält eine minimalistische Rede, die aus drei Hauptsätzen besteht. Zu später Stunde allerdings erzählt er nicht nur preußenfeindliche Witze, er zappelt wie ein entfesselter Abiturient zur Musik von DJ David Kelly und schafft so endlich Platz in der Mitte der Tanzfläche, wo jetzt auch die weniger Betuchten die Arme hochreißen. Und dann sagt der Minister noch einen herrlichen Satz: "Zum Glück bin ich heute Abend weder bei irgendeiner Jamaika-Runde noch bei einer CSU-Krisensitzung." Soll wohl heißen: Kunst ist viel schöner als Politik!

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: