Szenario:Schön greislig ist auch schön

Szenario: Eine Hungerfichte, aber mit Liebe geschmückt: Rudi Kull (links) mit Pfarrer Rainer Maria Schießler.

Eine Hungerfichte, aber mit Liebe geschmückt: Rudi Kull (links) mit Pfarrer Rainer Maria Schießler.

(Foto: Catherina Hess)

Gastronom Rudi Kull schenkt seinen Freunden eine Begegnung mit Pfarrer Schießler

Von Franz Kotteder

"Keiner hatte den Mut zu sagen: A so a greisligs Trumm hob i no nia gsehng!" Pfarrer Rainer Maria Schießler ist ein klein wenig enttäuscht über die Gäste des Hotels Louis am Viktualienmarkt oder er tut jedenfalls so. Am Samstag hat er die dürre Fichte im Foyer des Hotels aufgestellt und, nun ja: sparsam geschmückt, mit Strohsternen, ein paar Christbaumkugeln und einer kleinen Lichterkette: "In einer Stunde war er hergerichtet." Und der kritischste Kommentar, den er dafür erntete, sei gewesen: "Noojo, ist spartanisch!"

Schießler durfte seinen Baum auf Einladung von Rudi Kull, dem Münchner Multi-Gastronom und Hotelier, im Foyer aufstellen. Denn Kull, der mit Albert Weinzierl unter anderem die Restaurants Brenner, Riva, die Bar Centrale und Grapes sowie die Hotels Cortiina und Louis betreibt, hält große Stücke auf den Pfarrer. "Ich habe ihn vor acht Jahren kennengelernt", erzählt er, "über unseren Bezirkskaminkehrermeister. Der hat mir gesagt: ,Was der macht, das ist richtig, richtig mutig!'" Seitdem ist Kull beeindruckt von dem Pfarrer aus dem Glockenbachviertel, der dort die Kirche St. Maximilian betreut und inzwischen auch die Heiliggeistkirche am Viktualienmarkt: "Wer da alles in der Kirche sitzt, das ist gelebte Vielfalt." Schießler habe in seiner Pfarrei die höchste Wiedereintrittsquote in ganz Deutschland, was auch an seinen "lebensklugen Plädoyers für die Menschlichkeit" liege. Kull sagt, er habe an diesem Adventsabend lauter Menschen eingeladen, die ihm etwas bedeuten und denen er etwas zurückgeben wolle, nämlich eine Begegnung mit dem Pfarrer Schießler.

Der erläutert dann ausführlich, warum ein greisliger Baum auch ein schöner sein kann: wenn er nämlich mit Liebe geschmückt werde. In seiner Pfarrei St. Max würden jedes Jahr viele solcher Hungerfichten "gegen Geld verschenkt", was dann wieder einem guten Zweck diene. Die Bäume würden im Wald herausgeschnitten, um anderen Bäumen Luft und Licht zu geben, und in diesem Sinne sei auch die magere Fichte im Hotel Louis gedacht: "Bringt Ihr den Baum zum Leuchten!" Dann fordert er die Gäste noch auf, den Baum in nächster Zeit zu schmücken - "mit einem Gegenstand aus dem Leben, der für Euch Bedeutung hat". Denn der Christbaum und alles, was an ihm hänge, seien ja schließlich Sinnbilder des Lebens.

Das leuchtet den Gästen - unter ihnen Dallmayr-Chef Florian Randlkofer mit Gattin Sunny und Kunstberaterin Mon Müllerschön - ein. Und am Ende des Abends finden alle den Baum dann doch fast genauso schön wie das Programm des Abends: Die 13-jährige Vivian Walser, frischgekürte zweifache Siegerin des Bundeswettbewerbs "Jugend musiziert", spielte am Klavier Gabriel Faurés Impromptu Nr. 2 und Sergej Rachmaninows Elégie aus dem Opus 3, und die Küche des japanischen Restaurants Emiko präsentierte kulinarische Höhepunkte vom Hamachi-Carpaccio bis zum Wagyu-Shortrib.

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