Süddeutsche Zeitung

SZenario:Liebesehe am Karpfenteich

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Das Restaurant Alter Hof feiert einen fränkischen Abend

Von Franz Kotteder, München

Es gibt so Sitten und Gebräuche, deren Reiz sich dem damit nicht Vertrauten oft kaum erschließt. Zum Beispiel fragt man sich am Dienstagabend im Restaurant Alter Hof, warum sich Günter Gabsteiger beinahe in eine Art Euphorie hineinredet, wenn er vom Karpfenteichauslassen schwärmt und sich zu diesem Zweck schon mal für den Herbst im Heimatdorf der fränkischen Weinkönigin Kristin Langmann ankündigt. Die Familie der 22-Jährigen aus Bullenheim bei Würzburg hat zu Hause auch einen Karpfenteich, und Gabsteiner verrät, dass er auch eine Badehose im Gepäck haben wird, um beim Auslassen tätige Hilfe zu leisten. Während manche in der Runde nun rätseln, ob es sich da um eine Art Männerphantasie handelt, kriegt Gabsteiger, Vizepräsident des Verbands Bayerischer Berufsfischer und ehemaliger Landtagsabgeordneter, gerade noch die Kurve. "Der Karpfen und der Frankenwein", sagt er, "das ist seit Jahrhunderten eine Liebesehe."

So haben das die rund 100 Gäste, die zum fränkischen Abend in den Alten Hof gekommen sind, bisher vielleicht noch nicht gesehen, aber Restaurantchef Johannes Müller hilft da mit seiner Küchenmannschaft und kleinen Häppchen vom Karpfen und anderen Fischen gerne auf die Sprünge. Dazu gibt es diverse Frankenweine, auf die Müller und Artur Steinmann, der Präsident des fränkischen Weinbauverbands, recht stolz sind. Kein Wunder, schließlich versteht sich das Restaurant Alter Hof ja als ein Haus des Frankenweins.

Überhaupt sind die Kellergewölbe an diesem Abend fest in fränkischer Hand, sieht man einmal von Sunny und Florian Randlkofer ab, die die Firma Dallmayr als Hausherrn vertreten. Politisch sei man ausgewogen, sagt Gabsteiger: "Wir haben Rote hier, wir haben sogar einen Grünen hier." Freilich, alles in allem überwiegen doch die Schwarzen in Gestalt mehrerer ehemaliger Abgeordneter. Da hilft es auch nicht, dass Landtagspräsidentin Barbara Stamm erst mit gut zweistündiger Verspätung - "der Fraktionsvorstand hat so lange getagt" - eintrifft.

Zu diesem Zeitpunkt haben sich trotz des süffigen Silvaners zum Nulltarif die Reihen schon gelichtet. Auch Franken zieht es offenbar ans Fernsehgerät zur Übertragung des Spiels zwischen dem FC Bayern und dem FC Porto. Barbara Stamm findet das verständlich, weil man "als Franke mit den Clubberern derzeit ja nur Mitleid haben kann". Uneingeschränkte Freude empfindet der Franke laut Stamm jedoch, was die Kulinarik angeht: "Wir in Franken sind stolz auf unsere Nahrungsmittel!" Das war den Anwesenden zu diesem Zeitpunkt allerdings längst klar, da unübersehbar.

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Quelle:
SZ vom 23.04.2015
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