Charityaktion für herzkranke Kinder:Erst spenden, dann ratschen

Lesezeit: 2 Min.

Sie wollen die Welt verändern, ein bisschen jedenfalls: Robert Laner, Jana Ina Zarella und John Schlüter bei der "Worldchanger-Party" zugunsten des Vereins "Kinderherzen" in der L'Osteria im Künstlerhaus. (Foto: Robert Haas)

Beim Charity-Event für den Verein "Kinderherzen" in der L'Osteria im Künstlerhaus muss Holger Stromberg deutlich werden.

Von Thomas Becker

Es gibt Themen, bei denen reagieren Eltern einfach anders als Kinderlose. Bei schwerkranken Kindern zum Beispiel: der Alptraum jeder Mutter, jedes Vaters. Da muss noch nicht mal das eigene Kind betroffen sein. Die bloße Schilderung eines Kinderschicksals genügt, um Vätern und Müttern eine Gänsehaut zu bescheren. Insofern ist es nur allzu verständlich, dass dem sonst allzeit liebenswürdigen Holger Stromberg irgendwann die Hutschnur reißt.

Das Setting: eine Charity-Gala zugunsten des Vereins "Kinderherzen", der herzkranke Kinder und deren Familien unterstützt. 300 aufgekratzte Gäste in bester Sommerlaune, die in der L'Osteria im Künstlerhaus drauflos plaudern, lachen und prosten, dass es nur so brummt. Nur: Als Gastgeber John Schlüter zu einer Auktion außergewöhnlicher Unikate für den guten Zweck bittet, will sich das Brummen einfach nicht legen. Auch Robert Laner, der Worldchanger-Gründer und Initiator des Abends, dringt mit seiner Botschaft ("Wir wollen etwas Positives in die Welt bringen und Familien in Not unterstützen") kaum durch gegen den Party-Lärm. Projektpatin Jana Ina Zarrella, die als zweifache Mutter ebenfalls zur Fraktion der besonders Mitfühlenden gehört, geht es nicht anders. Auch der emotionale Film-Einspieler des Vereins geht unter - es gibt anscheinend Dringenderes zu besprechen.

Holger Stromberg sieht das anders. Er hat für die Auktion seinem Sohn eines seiner geliebten Fußballtrikots abgeschwatzt: das von Shkodran Mustafi. Keiner aus dem obersten Regal des 2014er-Nationalteams, aber eben doch ein Weltmeister. Bevor losgesteigert wird, schnappt sich der ehemalige Koch der Nationalmannschaft das Mikro und wird laut: "Es gibt nix zu essen, wenn ihr jetzt nicht mal 20 Minuten Respekt für herzkranke Kinder aufbringt! Ich wünsche keinem von euch, die jetzt noch reden, jemals ein krankes Kind." Gut gebrüllt, Löwe! Und siehe da: Es wirkt. Es kehrt zwar nicht wirklich Ruhe ein, aber immerhin versteht man ihn nun besser: "Das ist ein Original-WM-Trikot, im Spiel getragen. Zieht mal ein paar Euro aus der Tasche!" Auch das klappt: 700 Euro ist einem Fan das signierte Hemdchen wert. Bezeichnend allerdings, dass das erste Gebot für den nächsten Auktionsposten nach handgestoppt 0,4 Sekunden vorliegt und am Ende für satte 3500 Euro den Besitzer wechselt: zwei Tickets für die Weißwurst-Party beim Stanglwirt. Ein hochwertiges Rennrad bleibt dagegen ohne Gebot.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Ein paar Tausend Euro kommen schließlich zusammen, und so darf dann auch getafelt werden: Um punkt 20.14 Uhr geht die erste Worldchanger-Pizza raus, der Plauder-Pegel steigt wieder. In einer ruhigeren Ecke trifft man Michael "Mimi" Kraus, den Handball-Weltmeister von 2007. Mittlerweile ist der Enddreißiger vierfacher Vater, und insofern war er sofort dabei, als am Nachmittag in der Herzklinik Pizzen an schwerkranke Kinder verteilt werden sollten, "auch wenn es Überwindung kostet", wie er zugibt. Und dann steht dieses Trum Mannsbild vor dem mit Kathedern und Kanülen behangenen eineinhalbjährigen Timo, der schon vier Herz-OPs hinter sich hat, sieht auf dem Arm des Jungen ein paar Paw-Patrol-Aufkleber und hat ein Thema, das ablenkt von all der Schwere: "Seine Lieblingsfigur ist Chase, und ich hab' gesagt, dass ich den Rubble cool finde, den kleinen Dicken, den sonst keiner mag." Als der Besucher nach einer Weile gehen will, gibt es Tränen bei Timo: "Ich hab' dich lieb. Willst du nicht bleiben?" Und Mimi Kraus bleibt, logisch.

Haben Timo Pizza ins Herzzentrum gebracht: Emilia Bartoeck, Ex-Handballprofi Michael Kraus, Robert Laner. (Foto: Michael Tinnefeld)

Eins seiner Kinder kam auch mit blauen Lippen zur Welt, zu schwache Sauerstoffsättigung. Er weiß, was Timo und seine Familie durchmachen. Daheim im Göppingen betreibt Kraus ein Fitnessstudio, einmal im Jahr sammelt er Spenden, auf spezielle Art: zehn Euro pro Minute im zwei Grad kalten Eisbad. "32 Minuten habe ich's ausgehalten, war total fertig danach und dachte, ich war der Beste. Von wegen! Frauen sitzen da viel lockerer drin. Eine hat über 40 Minuten geschafft! Die sind echt tougher als wir Männer." Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusÄrztin in München
:"Was wir hier an schwerstkranken Kindern haben, kann sich keiner vorstellen"

Seit fast 40 Jahren behandelt Erika von Mutius Kinder im Krankenhaus. Demnächst geht die Oberärztin und Professorin in den Ruhestand. Ein Gespräch über Schicksale, die nahegehen, und Betten, die zu oft leer bleiben.

Interview von Sabine Buchwald

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: