Süddeutsche Zeitung

Jahresessen der Innenstadtwirte:Vorglühen für die Wiesn

Viel Bier, viel Tracht: Im Hof des Rathauses feiern die Innenstadtwirte. Dabei stellt sich schon jetzt ein bisschen Volksfeststimmung ein - trotz mancher Misere.

Von Sarah Maderer, München

Ein bisschen Zoo-Feeling schwingt mit, wenn bei Aperitif und Häppchen im abgezäunten Ratskeller-Prunkhof Touristen mitfilmen. Aber das gehört bei einer solchen Location wie dem neugotischen Innenhof des Münchner Rathauses wohl dazu. Zum ersten Mal veranstaltet hier der Verein der Münchner Innenstadtwirte am Montagabend sein Jahresessen als Sommerfest, mit 150 geladenen Gästen - ein Konzept, das sich gegen das der Vorjahre durchsetzen könnte, schätzt Vereinsvorsitzender Gregor Lemke: "Diese gesetzten Essen mit stundenlangen Reden will doch keiner mehr", findet der Klosterwirt am Stehtisch lehnend und fasst sich in seiner Ansprache konsequenterweise kurz.

An Vereinsmitgliedern mangelt es den 35 Innenstadtwirten - im letzten Jahr ohne Neuzugang - nicht, auch nicht mehr an Gästen nach vorerst überstandener Pandemie, sehr wohl aber an Personal und Nachwuchs in der Ausbildung. Um gezielt junge Menschen zu motivieren, wirbt man Lemke zufolge vermehrt über Social-Media-Plattformen, was Wirkung zeige. Sein Team habe sich auch sehr um die Neuntklässler bemüht, die ihr Schülerpraktikum im Klosterwirt absolvierten.

Trotz aller Unsicherheiten führen die Innenstadtwirte ihre Veranstaltungsvorhaben fort, nächstes Wochenende zum Beispiel mit dem Musikfestival "Munich Unplugged" oder auch mit der Wirtshaus-Wiesn, die in diesem Jahr parallel zur eigentlichen Wiesn wieder stattfinden soll. Ein bisschen Volksfeststimmung stellt sich schon jetzt ein bei den überwiegend Tracht tragenden Gästen. Andere halten es sommerlich mit weißem Hemd, wie Bayerns Justizminister Georg Eisenreich, oder mit floralem Flatterkleid wie Kommunalreferentin Kristina Frank. Frisch gezapftes Holzfassbier, Live-Musik und die Anwesenheit des Oberbürgermeisters tun das Ihre dazu.

In Anbetracht der Wiesn-Planung und der "niederschmetternden" aktuellen Coronazahlen verfolge Reiter täglich die Auslastung der Krankenhäuser bis zum Anstich. "Und wenn's dieses Jahr drei Schläge werden, wir können froh sein, wenn's stattfindet", so der OB, der sich wie sein Vorredner Lemke kurz fasst. Ein kleiner Heizstrahler-Seitenhieb hier, schnelle Hochhaus-Propaganda da, Prost!

Noch während Reiters Ansprache fallen die ersten Regentropfen vom Unheil verkündenden Himmel, aber noch so gemäßigt, dass Peter Wiesers Gastgeber-Team die Flucht ins Trockene verhindern kann. Wenn überhaupt steigert das Zusammendrängen der Gäste unter den aufgespannten Schirmen die Gemütlichkeit. Alle Menü-Gänge - von Tartar und Lachs-Ceviche über Kaspressknödl und Spareribs bis hin zum Topfenknödel mit Espresso - gehen vor dem Gussregen über die Bühne, in kleinen Schälchen gereicht von Wiesers kompetentem Serviceteam.

Auch der Ratskeller-Wirt musste über die letzten zwei Jahre Personal lassen (waren es vor der Pandemie noch 180 Mitarbeiter, sind es nunmehr 115), hat zu Lockdown-Zeiten persönlich seine Frankenweine ausgefahren. Kollege Lemke bestätigt, dass die Innenstadtwirte durch den Wegfall an Touristen zeitweise mehr Gäste einbüßen mussten als zum Beispiel Münchens Viertel-Wirte. Doch mittlerweile, so Wieser, sei der Tourismus in Münchens Innenstadt zurückgekehrt, sei es aus den USA, dem Umland, oder aus Oberammergau, das aktuell am Spielpausen-Montag die Gaststuben füllt.

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