SZenario:Fette Flanke

SZenario: Nicht immer auf Rekordjagd: "Es gibt auch schöne niedrigere Berge", sagt Gerlinde Kaltenbrunner.

Nicht immer auf Rekordjagd: "Es gibt auch schöne niedrigere Berge", sagt Gerlinde Kaltenbrunner.

(Foto: Robert Haas)

Alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff: Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner bekommt den Ispo-Pokal

Von Thomas Becker

Freie Platzwahl: spannende Sache, wenn man nicht gerade im Rudel unterwegs ist. Neben welchen der 400 Gäste es einen wohl spülen wird bei diesem Ispo-VIP-Dinner? Neben einen Bergsteiger, ausgerechnet, wird doch mit Gerlinde Kaltenbrunner gleich die erfolgreichste aller Bergsteigerinnen geehrt. Zur Rechten hockt also Benedikt Böhm. 38 Jahre alt, Speed-Bergsteiger, Extrem-Skifahrer. Für den Manaslu, einen der 14 Achttausender, hat Böhm vor drei Jahren weniger als 24 Stunden gebraucht. Hoch und runter wohlgemerkt. Geschäftsführer einer großen Bergsportfirma ist er auch noch, also der perfekte Nachbar für die Ehrung Kaltenbrunners. Doch das dauert noch. Erst einmal ein Willkommen von Messe-Chef Klaus Dittrich, dann das Menü.

Nachbar Böhm erzählt von "der Gerlinde": "eine Supernette. Aber in Europa haben wir uns noch nie getroffen." Immer nur im Himalaja. Ob die Berglandschaft, die bei der Feierstunde zu sehen ist, auch den Himalaja zeigt? Oder doch die Kitzbüheler Alpen? Böhm schaut. Runzelt die Stirn. "Warte mal. Das da drüben, die fette Flanke, das könnte die Chogolisa sein, Pakistan. Dann wäre der in der Mitte der Broad Peak. Den kenn ich, da war ich schon drauf. Und dahinter der Gasherbrum. Aber wo ist der K2? Hm."

Auftritt des Laudators: Bernd Kullmann. Stand 1978 in Jeans auf dem Everest. Unverkennbar ein Schwabe, macht aber nichts. Der Mann kann nämlich erzählen. "Cinderella Caterpillar: Was für ein bescheuerter Spitzname für eine so attraktive, zierliche Sportlerin", schimpft er. Der Name stamme von einer kasachischen Seilschaft, die am Nanga Parbat irgendwo zwischen 7000 und 8000 Metern mal einen kleinen Punkt weit unter sich ausgemacht hatte, der immer größer wurde - und schließlich an den verdutzten Kasachen vorbeirauschte: Gerlinde Caterpillar. Das war 2003. In dem Jahr beschloss die Krankenschwester, Profi-Bergsteigerin zu werden. Kullmann sagt: "Das ist so, als würde Ilse Aigner sich als Kanzlerkandidatin bewerben." Nun hat sie als erste Frau alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen und mit Reinhold Messner gleichgezogen. Messe-Chef Dittrich zollt bei der Übergabe des seit 1971 verliehenen Ispo-Pokals "höchsten Respekt", die 400 Gäste stehen auf und klatschen. Nachbar Böhm denkt immer noch über die Berglandschaft nach und sagt: "Jetzt hab' ich's! Wir sind auf dem K2 und schauen runter!" Fünf Anläufe hat Kaltenbrunner für ihren letzten Achttausender gebraucht. Kein Wunder, dass Böhm das Panorama nicht sofort erkannt hat. Ein Anblick, der noch nicht vielen vergönnt war.

"In einer Reihe mit so prominenten Namen wie Max Schmeling, Alberto Tomba, Markus Wasmeier oder Pelé zu stehen, ist eine große Ehre", sagt Gerlinde Kaltenbrunner. Und der Gipfelmoment auf dem K2? "Ich hatte eine ganz tiefe Stille in mir." Mit den Achttausendern hat sie abgeschlossen: "Ich habe in all den Jahren immer Glück und Beistand gehabt. Es gibt auch schöne niedrigere Berge." Sozusagen: freie Auswahl.

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