Süddeutsche Zeitung

Szenario:Enge Röhren, blaue Flecken

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"Das Boot" geht für eine Sky-Serie auf eine neue Tauchfahrt - zu sehen sind junge Darsteller, die alte Crew um Jürgen Prochnow ist längst im Rentenalter

Von Josef Grübl, München

Immer mit den Füßen voraus! Das ist die Erkenntnis, die man von der Premiere der neuen Sky-Serie "Das Boot" mit nach Hause nimmt. Während die mit der Trambahn angereisten Gäste den Marsch durch halb Geiselgasteig noch unter dem Motto "Soweit die Füße tragen" verbuchen, vertreten sich die Autofahrer auf dem roten Tiefkühlteppich die Füße. Ja, es ist kalt in der Bavaria Filmstadt, was angesichts der Jahreszeit aber nur bedingt überrascht. Und ja, das Boot ist voll, was bei 800 geladenen Gästen ebenfalls zu erwarten war. Auch Stars wie Maria Furtwängler, Elyas M'Barek oder Veronica Ferres wollen sich die Serienversion von Lothar-Günther Buchheims berühmtem Buch "Das Boot" nicht entgehen lassen, das durch den gleichnamigen Film von Wolfgang Petersen noch berühmter wurde.

Dieser Film lief vor 37 Jahren in den Kinos an und wurde zum Welterfolg, sechs Oscar-Nominierungen inklusive. Gefilmt hatte man auf dem Bavaria-Gelände, deswegen findet ebendort die Serienpremiere statt. Doch das neue "Boot" wurde (bis auf einige Bordellszenen) nicht hier gedreht, es ist auch kein Remake, sondern eine Art Fortsetzung - die Handlung setzt neun Monate nach dem Ende des Films ein.

Von der ursprünglichen Besatzung ist keiner mehr dabei, diese wurde ja bekanntlich beim Finale in La Rochelle dahingerafft. Abgesehen davon wären die U-Boot-Krieger heute für den Einsatz unter Wasser zu alt: Jürgen Prochnow, Heinz Hoenig oder Herbert Grönemeyer sind mittlerweile im Rentenalter, da kraxelt man nicht mehr durch enge Röhren. "Ich weiß nicht, wie oft ich mir den Kopf angestoßen habe", sagt Regisseur Andreas Prochaska nach der Vorführung der ersten beiden von insgesamt acht Serienfolgen.

Der Österreicher drehte mit einem internationalen Cast an 105 Tagen in vier Ländern, die U-Boot-Innenaufnahmen fanden in Prag statt. Wie er dieses Gewaltpensum gestemmt hat? Prochaska zuckt mit den Schultern und sagt: "Man weiß halt, dass es die ganze Welt schauen wird."

Damit übertreibt er nicht einmal - die Serie wurde vorab an mehr als 100 Länder verkauft. In Deutschland läuft sie vom 23. November an bei Sky, von einer zeitversetzten Ausstrahlung im Free-TV (wie bei der Sky-Serie "Babylon Berlin") will niemand etwas wissen.

Exklusivität ist Trumpf, der Pay-TV-Sender aus Unterföhring hofft auf viele neue Abonnenten. Als Reminiszenz an den Film sicherte man sich Klaus Doldingers berühmte Titelmelodie; der Musiker lässt sich auch im Premierengedränge geduldig auf die Füße steigen. Dann sagt er: "Ich war ja mit Buchheim fast befreundet." Was der berühmte Grantler vom Starnberger See von der Neuverfilmung gehalten hätte?

Vielleicht hätte es Buchheim, der vor elf Jahren verstorben ist, sogar gutgeheißen, dass die spannendste Figur des 2018er "Boots" eine Frau ist: Vicky Krieps, die vergangenes Jahr im US-Drama "Der seidene Faden" neben Daniel Day-Lewis brillierte, schlüpft in die Rolle einer jungen Elsässerin, die als Übersetzerin für die Nazis arbeitet und bei der die Handlungsstränge an Lande und zu Wasser zusammenlaufen. "Es war extrem anstrengend", gesteht sie nach der Vorstellung. Einmal besucht sie ihren Bruder, ehe dieser mit der U 612 in See sticht. Doch bevor sie sich an den Kugelschotten den Kopf stößt, tönt es ihr entgegen: "Immer mit den Füßen voraus!"

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Quelle:
SZ vom 08.11.2018
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