Szenario:Ed, Oliver und Ülsä

Die Premiere von "Snowden" endet mit betroffenem Applaus

Von Philipp Crone

Manchmal ist der leise Beifall der beste. Am Montagabend um kurz nach halb elf applaudieren 800 Gäste im Mathäser-Kino bei der Deutschlandpremiere von "Snowden" erst zögerlich leise, dann etwas lauter und nach einer kurzen Pause noch einmal. So klingt es, wenn ein ganzer Saal betroffen und beeindruckt ist.

Lange Zeit scheint dieser Montagabend im Mathäser-Kino zu einem ganz normalen Premieren-Abend zu werden. Autogrammsammler warten am roten Teppich auf den dreifachen Oscar-Preisträger Oliver Stone ("Platoon", "Natural Born Killers") und die beiden Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt und Shailene Woodley. Stone, der gerade 70 gewordene Regisseur, absolviert die Anforderungen einer Premiere mit der Routine seiner 30-jährigen Hollywood-Karriere. Sehr konzentriert geht er über den Teppich, stellt sich für die Fotografen auf, nur an seinen Fingern kann man merken, dass er sich gerade etwas Schöneres vorstellen kann, als in Blitzlichter zu grinsen. Seine Finger greifen und wackeln, als wären ihm beide Hände eingeschlafen und er müsste sie wieder vom Kribbeln befreien. Die Mundwinkel wechseln zwischen der entspannten Autogramm-Miene und dem ruckartig hochgezogenen Foto-Lächeln, das etwa so wahrhaftig ist wie seine Aussage, München ganz wundervoll zu finden, "ein bisschen erinnert mich die Stadt an die USA". Aber so machen das die Amerikaner auf roten Teppichen eben. Dick auftragen und das dann so durchziehen.

Snowden-Darsteller Gordon-Levitt erklärt derweil, wie er bei den Treffen mit Edward Snowden im Vorfeld der Dreharbeiten in Moskau diesen Mann erlebt hat. "Ich hatte eine Vorstellung von ihm durch das, was ich in den Medien mitbekommen habe. Am Ende war da aber vor allem ein Mann, der unglaublich überzeugt ist von seiner Sache und der mit einer fast greifbaren Leidenschaft dafür einsteht." So ähnlich klingt das dann auch, wenn der 35-Jährige von Oliver Stone spricht. "Er ist doch der Einzige, der so einen Film machen konnte. Wer sonst hätte den Mut gehabt, zu sagen: Ich liebe mein Land, aber die Snowden-Geschichte müssen wir erzählen."

Die Bewunderung für diesen knorrigen Blockbuster-Regisseur ist an diesem Abend nicht nur bei Fans und Premierengästen zu spüren, die Stone mit langem Applaus im Saal empfangen, sondern auch noch immer bei seinen Darstellern. Stone erzählt, dass sie "oft mit Ed gesprochen" hätten, und in diesem Moment ist der Regisseur wie ausgewechselt. Er spricht über den Mann, der "Beweise über das weltumspannende Abhören der NSA" lieferte und damit viel bewegt hat. Er spricht wie jemand, der bewundert. Wie das wohl so ist, wenn ein Mann, der seit Jahrzehnten Heldengeschichten erzählt, einen seiner Helden trifft und kennenlernt. "Es ist die größte Überwachung der Geschichte, mit großem Abstand." Und er sei stolz, einen Film mit sehr vielen Informationen und Erkenntnissen von Snowden nun präsentieren zu können.

Szenario: Macht Oliver Stone besonders gerne: posieren für Fotos.

Macht Oliver Stone besonders gerne: posieren für Fotos.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dann bedankt sich Stone noch bei "Ülsä", also Ilse Aigner, die neben ihm und den Darstellern auf der Bühne steht. Sie hat zuvor ihre Erleichterung darüber geäußert, dass eine NSA-Zentrale in München, wie es sie bei den Dreharbeiten gab, zum Glück nur Fiktion sei. Es wird viel gelacht bei der kurzen Vorstellungrunde, auch Gordon-Levitt macht mit einem gekonnten "Servus" Eindruck, ehe Stone auf der Leinwand seine schier unglaubliche Geschichte erzählt.

Es gibt auch in den folgenden zwei Stunden einige amüsante Momente, doch je länger der Film dauert, desto weniger können die Zuschauer lachen. Zu heftig ist das, was sie sehen. Wie Snowden, Informatik-Genie und Patriot, langsam versteht, was passiert, selbst ausgespäht wird und am Ende einsam die Entscheidung fällt, für seine Überzeugung sein ganzes Leben aufzugeben.

Nach dem langen Applaus gehen die Handys im Saal an, überall leuchten die Displays. Allerspätestens jetzt weiß auch die NSA, dass den Münchnern der Film sehr, sehr gut gefallen hat.

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