SZenario:Die verrückteste Frau

Die Premiere von "Kirschblüten & Dämonen" beginnt mit einer Liebeserklärung an Regisseurin Doris Dörrie und endet mit einem wilden Ritt

Von Christian Mayer

Es herrscht eine tiefe Innigkeit zwischen diesen beiden Frauen, jedenfalls schmiegt sich Hannelore Elsner auf jungmädchenhafte Weise an Doris Dörrie - und wie die Schauspielerin da mitten im Blitzlichtgetümmel den Kopf immer weiter zurückwirft, bis sie ganz sacht in den Armen ihrer Freundin landet, hat schon etwas Anrührendes. Das Vertrauen muss groß sein, und das gilt auch für den Kinofilm "Kirschblüten & Dämonen", bei dem sich die Darsteller einfach mal fallen gelassen haben. Immer in der Hoffnung, dass die Regisseurin mit ihrer "sanften Strenge" (Hannelore Elsner über Doris Dörrie), schon weiß, was sie macht, selbst wenn man es selbst nicht immer ganz nachvollziehen kann.

Große Premiere im glanzvoll umgebauten und technisch aufgerüsteten Arri in der Türkenstraße, allein das ist ja schon einen Besuch wert. Endlich hat die Constantin Film ein Vorzeigekino ganz in der Nähe des Schwabinger Firmensitzes, wo man jetzt besondere Ereignisse gebührend feiern kann. Und wie besonders dieser Film ist, spürt man bereits vor der Aufführung, als der Chef der Constantin, Martin Moszkowicz, die Premierengäste begrüßt und die bereits vier Jahrzehnte dauernde Filmkarriere von Doris Dörrie würdigt, die es geschafft habe, "eine Marke zu setzen". Dann folgt, etwas überraschend, eine Liebeserklärung auf offener Bühne: "Doris, ich bin dein größter Fan. Du bist die verrückteste, wunderbarste Frau, die es gibt." Moszkowicz und Dörrie sind schon lange ein Paar, von ihrer Wohnung bis ins Arri sind es nur 300 Meter, ein Heimspiel. Die Verrücktheit stellt Doris Dörrie gleich selbst unter Beweis, als sie das Kompliment ihres Partners trocken abtropfen lässt. "Wir streiten jeden Tag bis aufs Messer - natürlich über Filme", ruft sie leicht aufgedreht in den Saal. Und dann gibt sie noch ein Versprechen ab: "Dieser Film ist ein wilder Ritt, Leute, schnallt euch an."

SZenario: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Golo Euler, Aya Irizuki, Regisseurin Doris Dörrie und Hannelore Elsner (von links) machen bei der Premiere von "Kirschblüten & Dämonen" ein Erinnerungsselfie.

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Golo Euler, Aya Irizuki, Regisseurin Doris Dörrie und Hannelore Elsner (von links) machen bei der Premiere von "Kirschblüten & Dämonen" ein Erinnerungsselfie.

(Foto: Robert Haas)

Sie hat nicht zu viel versprochen. "Kirschblüten und Hanami", die Fortsetzung ihres preisgekrönten Familiendramas "Kirschblüten - Hanami" aus dem Jahr 2008, erzählt recht gewaltig vom Absturz des jüngsten Sohnes Karl (Golo Euler). In alkoholreichen Nächten begegnen ihm seine toten Eltern (Hannelore Elsner und Elmar Wepper) und eine rätselhafte Frau aus Japan, die schon aus dem ersten Teil bekannte Yu (Aya Irizuki). Es sind Erscheinungen, die Karl mit ihrer Liebe und ihren Erwartungen schier erdrücken. Die Dämonen lassen niemals locker, bis sie ihre willfährigen Opfer hinab in ihr Schattenreich gezogen haben, in jene verführerische Ersatzwelt, in der die Erinnerungen realer sind als die Wirklichkeit. Kennt man irgendwie, schließlich hat jede Familiengeschichte, selbst die glücklichste, ihre düsteren Seiten.

Nach der Vorführung steht die Regisseurin sehr lebendig vor der Leinwand. Sie scheint nicht allzu sehr verwundert zu sein, dass die Zuschauer erst mal überwältigt oder auch etwas erschlagen sind, je nach Sichtweise. Die Bilder dieses Gefühlsdramas wirken nach - doch dann gibt es viel Applaus für einen Film, für den wohl nur ein Prädikat zulässig ist: dörriesk.

"Ich hab euch ja gewarnt, es ist ein wildes Teil", sagt Dörrie bei der Vorstellung ihres Teams und vertreibt gleich jegliche Melancholie im Publikum mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit: "Danke, dass ihr euch das getraut habt." Einer nach dem anderen springt jetzt auf die Bühne, die Produzentinnen der Olga-Film, die Mitarbeiter hinter den Kulissen, die Filmkinder, die Neben- und Hauptdarsteller, bis ganz zum Schluss Hannelore Elsner an der Reihe ist, die ihre elegante Blütenjacke einer Mitarbeiterin in die Hände wirft, bevor sie in die Arme ihrer Lieblingsregisseurin fällt. Und in diesem Moment hat man das Gefühl: Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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