SZenario:Darsteller und Selbstdarsteller

Empfang für Schauspieler im alten Rathaus

Jutta Speidel und Jürgen Tonkel werfen sich gerne im Alten Rathaus für die Fotografen in Positur.

(Foto: Florian Peljak)

Beim Stehempfang der Stadt für Münchner Schauspieler hat die Arbeit mal Pause

Von Thomas Becker

"Was für ein fröhliches, aufgedrehtes Völkchen", wird sich so mancher Passant gedacht haben, als er vor dem Eingang zum Alten Rathaus den rauchenden Teil einer Partygemeinde beim angeregten Palaver beobachten konnte. Neugier kommt auf: Was sind das für Leute? Kennt man da wen? Da drüben, ist das nicht der Dings, der in den Krimis immer den Bösen spielt? Und die Blonde da, moderiert die nicht irgendwas? Was ist das überhaupt für ein Fest? Nun, jedenfalls keins für normalsterbliche Vorbeischlenderer. Eingeladen hat Oberbürgermeister Dieter Reiter, und zwar zum "Stehempfang für in München lebende und/oder arbeitende Schauspielerinnen und Schauspieler". Ja, so was gibt's tatsächlich. Hat Reiters Vorgänger Christian Ude eingeführt und sich damals bei der Premierenbegrüßung erst mal über das volle Haus gewundert: "Sie gibt es ja tatsächlich alle!" "Aber hallo gibt es uns", haben die Schauspieler geantwortet, "und wir sind viele!"

Wohl wahr. Als Reiter gegen den kaum verstummenden Long-time-no-see-und-was-drehst-du-gerade-so-Talk zur kurzen Begrüßung anhebt, ist der Festsaal prall gefüllt mit Darstellern jeglicher Proveniencen: Kino, Fernsehen, Bühne, mit leichtem Überhang an Filmleuten - weil Bühnen-Kollegen wie Michaela Steiger, Ulrike Willenbacher und Friederike Ott zur gleichen Zeit "Gefährliche Liebschaften" im des Cuvilliés-Theater zeigen oder wie Michael von Au, Anika Pages und Karin Dor in der Komödie im Bayerischen Hof mit "Der dressierte Mann" unterhalten. Es sind dann aber doch noch recht viele übrig geblieben, die Zeit für ein Schwätzchen bei Bier, Wein und Häppchen haben, trotz allem. Denn: "Es ist eine harte Branche, in der 80 Prozent nicht von ihrem Beruf leben können, sondern nebenher noch Taxi fahren oder VHS-Kurse geben. Und davon sehen wir hier heute ein paar Hundert." Thomas Darchinger dagegen fährt nicht Taxi, sondern Jeep. Der 53-Jährige ist gut im Geschäft. Dienstagabend war er neben Jürgen Vogel, Axel Prahl und Wotan Wilke Möhring im Krimi "12 Winter" zu sehen, nächste Woche wird er in "Der Bulle von Tölz" über den TV flimmern, das bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigte Nazizeit-Drama "Paradise" ist für die Oscars vornominiert, und in Simon Verhoevens Flüchtlingskomödie "Willkommen bei den Hartmanns" spielt er neben Senta Berger, Elyas M'Barek, Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht. Könnte schlechter laufen.

Der Abend ist nicht nur für ihn eine angenehme Abwechslung: "Es sind kaum Regisseure oder Caster da", erklärt Conny Glogger, "das heißt, man muss sich nicht ständig produzieren. Das Ego hat heute mal Pause". Wobei das wohl nicht für jeden gilt: Eine Sissi Perlinger kann halt nicht aus ihrer Haut und drückt dem frisch verheirateten Samuel Koch mit großem Helau einen extradicken Schmatzer ins Gesicht. Erfahrene Selbstdarsteller wie Cleo Kretschmer, Jutta Speidel, Petra Perle oder Cornelia Corba werfen sich für die Fotografen in Positur, während andere Größen wie Ernst Hannawald, Uschi Glas, Joseph Hannesschläger, Jürgen Tonkel, Otti Fischer und Arthur Brauss eher das Gespräch suchen.

Nur Gloria Gray mit dem riesigen Glitzer-Kreuz auf der Brust wirkt einen Moment lang ein wenig verloren am Stehtisch. Vielleicht überlegt sie auch nur, ob sie als mögliche Bürgermeisterin von Zwiesel auch mal zu so einem Empfang laden wird.

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