... Die Geisterbahn droht zum Problemfahrgeschäft zu werden, bei einer Umfrage des Fachblatts Men's Health gaben 20 Prozent an, die größte Gefahr beim Oktoberfest darin zu sehen, nach dem Alkoholkonsum den Heimweg nicht mehr zu finden - nur zwei Prozent dagegen empfinden eine kalte Hand in der Geisterbahn als Gefahr. 38 Prozent der Männer würden gerne einmal mit Heidi Klum in einer Geisterbahn-Gondel sitzen, das sagt schon alles.
Meine Wahl fällt auf den ,,Shocker'', das klingt maximal gruselig. Der Shocker ist eine der zahlreichen Geisterbahnen der Familie Eckl, deren Oberhaupt Robert Eckl eine Art Geisterbahnbaron zu sein scheint. Seine Geisterbahnen böten stets ,,das Neueste auf dem Gebiet der Grusel-Forschung'', heißt es im Internet. Eckl verleiht übrigens auch Geister, das nur nebenbei.
Im Shocker gibt es an die 30 finstere Gestalten, manche davon lebend. Der Clou ist: Die Stimmen kommen allesamt von der leibhaftigen Familie Eckl, am Synthesizer verändert. Der Shocker ist also eine gute Wahl - wenn man ihn erst einmal gefunden hat. Das ist offensichtlich ein Phänomen der neuzeitlichen Geisterbahnbranche: Im Zentrum der Wiesn stehen unglaublich dynamisch klingende Menschenherumschleuderer, der Shocker steht in einer Ecke, wo man nur hingeht, wenn man zu den 20 Prozent mit Orientierungsschwierigkeiten zählt.
Stolze 4,50 Euro zahlt man an der Kasse, hinter der Glasscheibe sitzt eine Frau mit einer Bluse im Leopardenlook, es kann jetzt losgehen. Nach ein paar Schritten auf dem Weg zur Gondel springt ein geschminkter Mitarbeiter in Jeans - ausgestattet mit künstlichen Monsterhänden - gegen ein Gitter und trötet in eine fiese Pfeife. Man erschrickt, guter Anfang. Bevor die Fahrt beginnt, springt der Mitarbeiter zwei weitere Male hervor. Die Freundin an der Seite flippt aus.
In der Geisterbahn selbst passiert das Erwartete: Widerlich dreinblickende Gummifiguren werden angeleuchtet und verschwinden wieder, eine Gummifigur reißt der anderen die Gummi-Innereien aus dem Gummi-Leib. Eine Figur trägt ein weißes T-Shirt, auf das die Aufschrift ,,Eckls Horrorvisionen'' geflockt wurde, gut, das kommt dann doch überraschend. Man versucht, das Geschehen gelassen zu ertragen, der Freundin geht es zusehends schlechter, mein Arm wird langsam taub.
2007 wurde ein Schweizer zu einer Geldstrafe verurteilt: Er hatte in einer Geisterbahn mit einem Holzstab einen Geist kaputtgeschlagen. ,,Das Unterweltswesen'' habe repariert werden müssen, teilte die Polizei mit. Im Shocker haben die Gondeln Gitterkäfige. Kurz vor dem Ausgang, das Tor steht schon offen, springt der Trötenmann wieder gegen das Gitter, der Mann ist gut. Ich muss laut lachen, meine Freundin gehört eindeutig zu einer zwei Prozent großen Minderheit. Text: Michael Neudecker Foto: Alessandra Schellnegger