SZ-Serie: Pixelhelden, Folge 12:Kleine Gruppe, große Wirkung

Die kreativsten Köpfe und erfolgreichsten Macher in Bayerns Welt der Computerspiele. Heute: Das Münchner Studio Mimimi Games setzt auf aufwendige Entwicklungen, so wie im Echtzeit-Taktikspiel "Desperados 3"

Von Jürgen Moises

Desperados Mimimi Games

Die Handlung des Echtzeit-Taktikspiels ist in den USA und Mexiko in den 1870er-Jahren angesiedelt.

(Foto: Mimimi Games/THQ Nordic)

"Wir machen eigentlich immer viel zu große Spiele." Das sagt Johannes Roth von Mimimi Games am Telefon. Und er meint damit, dass nahezu alle ihrer Projekte vom Aufwand und vom Anspruch viel zu aufwendig gewesen seien, um sie mit den vorhandenen Mitarbeitern zu stemmen. Aber so muss das wohl sein, bei einem Entwicklungsstudio, das ein Videospiel wie "Desperados 3" entwickelt hat. Beschreibt der sogenannte Desperados-Effekt in der Biologie doch das Phänomen, dass schwache Tiere stärkere angreifen. Wobei das im Tierreich in der Regel aus "Verzweiflung", einem Mangel an Alternativen passiert, während sich der vermeintliche Größenwahn bei Mimimi eher aus dem Perfektionismus des Münchner Entwicklungsstudios erklärt.

"Desperados 3", das ist ein Echtzeit-Taktikspiel, das im Juni für PC, Playstation und Xbox One herauskam. Die Handlung spielt in den USA und Mexiko in den 1870er-Jahren. Es ist die Zeit nach dem Bürgerkrieg und die letzte Phase der Indianerkriege. Mit dem Ausbau der Eisenbahn schreitet die Industrialisierung unhaltbar voran und die Vereinigten Staaten sind auf dem Weg zur führenden Wirtschaftsmacht. Hier gilt es mit einem fünfköpfigen Team um den Kopfgeldjäger John Cooper einen Racheplot und einen Kampf gegen die mächtige Eisenbahngesellschaft auszuführen. Infiltrieren, spionieren, sabotieren, entführen, täuschen, sprengen oder den Gegner über den Haufen schießen: So lauten die dafür bereitstehenden Mittel.

Über 16 Missionen erstreckt sich das Wildwest-Abenteuer, dessen Vorgeschichte bis ins Jahr 2001 zurückreicht. Damals brachte das Offenburger Studio Spellbound Entertainment "Desperados: Wanted Dead or Alive" heraus, ein Echtzeit-Taktikspiel, das wiederum in "Commandos", einer Computerspielreihe über den Zweiten Weltkrieg, seinen Vorläufer hatte. "Commandos" machte das Echtzeit-Taktik-Genre vorübergehend populär. Das heißt Videospiele, in denen es darum geht, einzelne Einheiten auf einem Spielfeld je nach Ziel taktisch zu steuern. Bei "Desperados 3" besteht diese "Einheit" aus John Cooper, dem Arzt und Scharfschützen Doc McCoy, der Verführungskünstlerin Kate O'Hara, dem Trapper Hector und der mysteriösen Voodoo-Lady Isabelle.

Mimimi Games

Johannes Roth (li.) und Dominik Abé (re.) gründeten mit vier weiteren Kommilitonen 2011 Mimimi Games. Aus ihrem Studio stammt beispielsweise "Desperados 3".

(Foto: Hannes Rohrer)

Cooper, McCoy und O'Hara, die waren auch schon im ersten Teil dabei. Die Figuren Hector und Isabelle sind neu, so wie auch einiges andere in "Desperados 3". Da wären etwa "kleine Komfort-Verbesserungen" wie etwa jene, dass man die Zeit vorspulen oder per Kamera außerhalb des Sehfeldes der Figuren blicken kann. Oder der Einsatz von Motion Capturing, um die Bewegung der Figuren realistischer zu gestalten. Für ein Independent-Studio mit 25 Leuten ein beachtlicher Aufwand. Aber das mit den zu großen Spielen hatten wir ja schon. Und tatsächlich hatten Mimimi sich auch beim Vorgängerspiel "Shadow Tactics: Blades of the Shogun" ziemlich verausgabt.

Das heißt: Sie waren danach "so gut wie pleite". Die letzten Reserven waren weg und sogar die ersten Kündigungen unterschrieben, nachdem sie sich entschieden hatten, das für das nächste Spiel zurückgelegte Geld doch noch in "Shadow Tactics" zu stecken. Ihnen das nachzumachen, rät Roth jedenfalls nicht, der Mimimi 2011 zusammen mit Dominik Abé und vier weiteren Kommilitonen noch während des Gamedesign-Studiums in München gegründet hat. "Man kann diese 'Wir sind fast gestorben, haben aber alles gegeben'-Story als 'Ach geil, alles reingehauen und dann war's auch noch so ein Erfolg'-Heldengeschichte platzieren", sagt der 31-Jährige. "Aber die Wahrheit ist, dass das total scheiße für alle war."

Gelohnt hat es sich trotzdem. Denn "Shadow Tactics" bekam nicht nur Preise und sehr gute Kritiken. Es öffnete auch die Tür zu "Desperados 3". Weil es im Grunde selbst schon ein Art "Desperados" war. Nur dass man hier mit einem Ninja-Team durch das alte Japan schleicht und meuchelt. Die "Desperados"-Erfinder fanden diese Variante jedenfalls so gut, dass sie die Erlaubnis für das Prequel gaben, das Mimimi dann mit dem österreichischen Publisher THQ Nordic entwickelt hat.

Noch so ein großes Spiel: "The Last Tinker: City of Colors". Die gemeinsame Abschlussarbeit, für die es den Deutschen Entwicklerpreis 2014 für die beste Story, das beste Adventure und das beste Jugendspiel sowie den Deutschen Computerspielpreis 2015 für das beste Gamedesign gab. Dass das bunt-fröhliche Action-Adventure von nur neun Leuten entwickelt wurde, wollte man bei Sony, die das Spiel 2015 für die Playstation herausbrachten, nicht so recht glauben. Mit der Folge, dass Roth und seine Kollegen bei einer Entwicklerparty in San Francisco von Sony-Mitarbeitern mit Alkohol abgefüllt wurden. Damit sie dann gestehen, dass es doch 40 Mitarbeiter oder mehr waren.

Das allererste kleine, große Spiel war "Grounded". Es entstand noch im ersten Studienjahr, kam auf DVD im Gamestar-Magazin heraus und erhielt ebenfalls bereits den Deutschen Entwicklerpreis. Danach folgte 2011 "daWindci", das ebenfalls Preise, darunter als erstes deutsches Handyspiel den Apple Design Award gewann. Und das damals der Grund war, warum Johannes Roth & Co 2011 Mimimi als Firma offiziell gegründet haben.

Dieser Firma geht es heute "sehr gut". Mimimi konnte sich mit "Desperados" voll sanieren. Sie sind im April in ein neues, "cooles" Bürogebäude mit drei Etagen im Münchner Osten umgezogen und wollen, erzählt Roth, ihre Belegschaft von aktuell 25 auf etwa 35 ausbauen. Das heißt: Sie suchen vor allem Programmierer. Für ein neues Spiel. Wieder ein Echtzeit-Taktikspiel. Genaueres will der Mimimi-Geschäftsführer noch nicht verraten. Aber wir dürfen mal annehmen, dass es etwas Großes werden wird.

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