SZ-Serie: Münchner Schmuckkunst:Aus einem Guss

Die Arbeiten von Goldschmied und Experimentator Peter Bauhuis lassen sich in namhaften Museen in aller Welt finden. Ihre Grundlage: Neugier

Von Ira Mazzoni

Die Würzburger Lügensteine interessieren Peter Bauhuis gerade sehr. Vor rund 300 Jahren veröffentlichte ein gewisser Dr. Johann Bartholomäus Adam Behringer ein lithografisches Prachtwerk über die von ihm in einer Sandgrube gefundenen Versteinerungen. Später musste er feststellen, dass er zum Narren gehalten wurde: Die Reliefs bizarrer Insekten waren Fakes! Wer wusste zu Beginn des 18. Jahrhunderts schon, wie fossile Funde aussehen? Aber die Nachricht von ihrer Existenz reichte, dass sich jemand originelle Bilder davon machte und andere an ihre Echtheit glaubten. Solch fantasievolle Täuschungsgeschichten inspirieren und amüsieren wiederum den Künstler von heute. Auf dem großen Tisch in Bauhuis' Werkstatt liegen etliche Modelle eines nicht näher definierbaren Wesens: Fliegen? Falter? Früchte? Oder doch ein kleines weibliches Idol? Die schwellenden Doppelformen geben Rätsel auf. Nur eins ist sicher, sie sind Prototypen einer neuen Schmuckserie.

Peter Bauhuis' Hinterhofwerkstatt am westlichen Rand der Maxvorstadt gleicht einerseits einem alchimistischen Labor und andererseits einer Wunderkammer, in der eine Menge Anregungsstoffliches und Neugierweckendes in den Regalen steht und an den Wänden hängt. Neugier als Urkraft jeder Kreativität ist ein zentrales Thema im Schaffen des Künstlers. Und Neugier sollen seine Werke auch bei denen wecken, die ihnen begegnen. Seine Schmuckstücke und "Geräte" verlangen danach, näher beäugt, betastet, befragt zu werden. Bauhuis liebt es, Sachen herzustellen, "über die man staunt und die andere staunend machen".

Staunenswert sind die Gefäße, Ringe, Broschen und Ketten, die Bauhuis im Wachsausschmelzverfahren herstellt. Vor Jahren hat der Experimentator ein Simultangussverfahren entwickelt, bei dem zwei Metalllegierungen gleichzeitig eingebracht werden und sich dann mischen. Durch den turbulenten Prozess des gesteuerten Zufalls erhält der Künstler Bronzen mit unvorstellbar schönen Oberflächen. Mal gleichen die überraschenden Farbverläufe chinesischen Tuschzeichnungen, mal einer Aufnahme von der Mitte der Milchstraße. Verkrustungen, Fließspuren, feine Risse und Löcher geben Gefäßen wie Broschen eine urtümliche Anmutung und eigenwillige Haptik. Inzwischen wagt sich Peter Bauhuis auch an "Policasts", Güssen aus mehreren Metalllegierungen. "Man muss schon wissen, was man da zusammenfließen lässt", warnt der Goldschmied.

Das Jahr 2020 hätte für Peter Bauhuis, dessen Arbeiten in zahlreichen namhaften Museen weltweit zu finden sind, wieder ein äußerst erfolgreiches werden können. Die Nachricht, dass er mit seinen Policast-Gefäßen zu den 30 Finalisten des hochdotierten Craft-Prize der spanischen Loewe-Foundation zählt, war bereits eingetroffen. Eine Ausstellung in dem gastgebenden Musée des Arts Décoratifs in Paris war ihm und den 29 anderen Finalisten des internationalen Wettbewerbs für innovatives und exzellentes Kunsthandwerk damit sicher. Dann kam der Shutdown. Die Ausstellung und die finale Preisvergabe wurden auf Frühjahr 2021 verschoben.

Nicht aufgegeben wurde der Terminplan der Danner-Stiftung, die den Preis für künstlerisch anspruchsvolles Handwerk in Bayern alle drei Jahre vergibt. Bauhuis hatte simultangegossene "Ketten und Blumen" eingereicht. Das sind Objekte, über deren doppelstämmigen Gusskanälen ein Bouquet ineinander verschlungener, sphärischer Ringe steht. Durch das ausgeklügelte Kanalsystem und den partiellen Zusammenfluss etwa von Silber und Tumbaga (einer präkolumbianischen Kupferlegierung mit goldener Oberflächenbildung) sind farblich bezaubernde Paarungen und Durchdringungen entstanden. Die Danner-Stiftung hat diesen Gussblüten einen Ehrenpreis zuerkannt. Seine Kundinnen allerdings stellt Bauhuis vor die schwere Wahl, das schöne Objekt entweder ins Wunderkammer-Regal zu stellen oder die flachen Metallringe vom Künstler aus den Verzweigungen des Gussbaums herausschneiden zu lassen, um eine großgliedrige Kette zu erhalten. Die grundsätzliche Frage ist: Was bedeutet mir mehr? Die Skulptur mit der Veranlagung zum Schmuck, oder der Schmuck mit der Erinnerung an das zerstörte Objekt?

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