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Kioskgeschichten: Großstädtisch, sättigend und dazu noch belebend: München bekommt auf den Bahnsteigen eine neue Art von Kiosken.

Großstädtisch, sättigend und dazu noch belebend: München bekommt auf den Bahnsteigen eine neue Art von Kiosken.

(Foto: Robert Haas)

Kioske gehören zum MVV wie Bahnen und Busse. Neuerdings aber kommt ein neuer Typ hinzu: Direkt am Bahnsteig versorgen kleine Läden die Pendler mit Kaffee und Gebäck.

Von Andreas Schubert

Dass das Wort Kiosk eine etwas breiter gefächerte Bedeutung hat, dürfte den meisten klar sein. Das klassische Bild ist der Verkaufsstand, der ein relativ buntes Angebot hinter der Plexiglasscheibe hortet - Zeitschriften, Zigaretten, Schokoriegel, Kaugummis und so weiter. Doch viele haben sich auf Essen spezialisiert. Das gilt vor allem in den U-Bahnhöfen, wo es fast überall mindestens einen Backshop im Zwischengeschoss gibt, die die Münchener auf dem Weg zur Arbeit oder in den Feierabend mit schnellen Snacks, Kaffee und Getränken versorgen.

160 Kioske gibt es im Bereich der Münchner U-Bahn, aber nur 100 Stationen. Die Versorgung ist also nicht schlecht. Dennoch ist vor gut zweieinhalb Jahren ein neues Kiosk-Konzept in München dazugekommen: Der Bahnsteigkiosk. Im Herbst 2013 eröffnete das Lübecker Unternehmen "Cuccis" am Bahnsteig der U 3 und U 6 am Odeonsplatz die erste Münchner Filiale. Inzwischen gibt es solche auch am Rotkreuzplatz und am Ostbahnhof.

Drei mal drei Meter sind die durchsichtigen Glaskästen klein. Trotzdem bieten sie Platz für drei Mitarbeiter, die den Fahrgästen unter der Woche von 6 bis 22 Uhr und am Sonntag von 10 bis 20 Uhr belegte Semmeln, Süßgebäck, Kaffee, Softdrinks oder Obstbecher verkaufen. Nirgends spiegelt sich die Hektik des Alltags deutlicher wider als morgens an einem U-Bahnsteig.

Nur vor dem Kiosk stellen sich die Leute, die sich sonst vor den Türen der Bahnen drängeln, plötzlich geduldig an. Und wer das Treiben eine Weile beobachtet, fragt sich einerseits, warum so viele Menschen ausgerechnet am Bahnsteig spontan Hunger bekommen und andererseits, warum es das Angebot nicht schon vorher gab.

Am Vormittag bildet sich am Odeonsplatz alle paar Minuten eine kleine Schlange vor dem Kiosk, und zwar immer dann, wenn gerade eine Bahn angehalten hat. Dann muss es schnell gehen, das gehört auch zum Motto des Unternehmens. Und es trägt zur Entschleunigung im hektischen U-Bahn-Betrieb bei, bei dem die Leute auf der Rolltreppe eher zügig laufen statt gemächlich zu stehen.

Ein hektischer Job am Bahnsteig

So sind die Mitarbeiter im Prinzip durchgängig beschäftigt. Sie kochen Bio-Kaffee, reichen Semmeln und Brezen über den Tresen. Eine Schicht dauert acht Stunden inklusive Pause. Zeit für lange Gespräche gibt es da nicht. Nein, es mache nichts aus, den ganzen Tag im Untergrund zu arbeiten. Und ja, danach freue man sich aber erst so richtig wieder auf das Tageslicht. Trotz der Hektik machen die Mitarbeiter einen entspannten Eindruck. Das mag vielleicht am jungen Alter der Kiosk-Crew liegen oder an der klassischen Musik, die sie am Odeonsplatz spielen.

Mit Klassik versucht die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG schon seit längerem, die Aufenthaltsqualität zu verbessern, Hektik und so potenzielle Aggressionen der Fahrgäste zu dämmen, die sich täglich zu Tausenden am Bahnsteig tummeln.

Der Kiosk ist auch für die Wartenden gut

Kioskgeschichten: Sie arbeiten nicht bei Tageslicht, das scheint der guten Laune bei den Kiosk-Mitarbeiterinnen aber nicht zu schaden.

Sie arbeiten nicht bei Tageslicht, das scheint der guten Laune bei den Kiosk-Mitarbeiterinnen aber nicht zu schaden.

(Foto: Robert Haas)

Die hell beleuchteten Kioske sollen ebenfalls der Sicherheit dienen. Der Gedanke: Wenn am Bahnsteig wenig los ist, fühlen sich Fahrgäste angesichts eines noch geöffneten Kiosks besser aufgehoben. Und sollte wirklich etwas passieren, können die Mitarbeiter schnell einen Notruf absetzen.

Das sei bisher noch nicht passiert, sagt Thomas Schindlböck, der Münchner Standortleiter der Cucci-Kioske. Seit der Eröffnung werde das Angebot an allen drei Münchner Filialen gut angenommen. "Stoßzeiten sind zwischen 7 und 10 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr", sagt Schindlböck.

Freilich ist der Bahnsteigkiosk wie so vieles Neue auch ein Berlin-Import, wo Cucci-Chef Norbert von Allwörden die ersten Filialen eröffnet hat und wo es mit 18 Kiosken bisher die meisten gibt, gefolgt von Frankfurt mit sechs Standorten. Nicht alle davon sind wie die Münchner Filialen an U-Bahnsteigen. Zu den drei bisherigen im Münchner Untergrund sollen noch weitere dazukommen, erzählt Schindlböck, während er auf die neuerliche Schlange von Fahrgästen schaut, die die U 3 gerade ausgespuckt hat.

An welchen Stationen noch Potenzial ist und ob überhaupt, stehe aber noch nicht fest. Denn nicht alle Bahnsteige sind für Kioske geeignet - manche sind einfach zu schmal. Und bis 2013 waren die Verkaufsstände ohnehin undenkbar, vor allem wegen des Brandschutzes. Da die neuen Kioske aber mit einer modernen Technik ausgestattet sind, ließen sich die Stadtwerke München als Vermieter überzeugen. Wenn die hochsensiblen Rauchmelder im Kiosk anschlagen, schließen sich automatisch die Scheiben vor dem Tresen, um ein mögliches Ausbreiten eines Feuers zu unterbinden.

An solche Feinheiten denken die Tausende von Passagieren nicht, die tagtäglich das 100 Kilometer lange U-Bahnnetz Münchens mal bequem sitzend, mal genervt gequetscht durchqueren. Viele freuen sich, dass sie nicht extra ins Zwischengeschoss hochfahren müssen, wenn sie schnell einen Kaffee wollen. Eine Steigerung wären nur noch Stewardessen, die direkt im Wagen Getränke verticken.

In Hamburg gibt es seit elf Jahren immer wieder mal Aktionen, bei denen Zugbegleiterinnen den Passagieren die Sicherheit in den Zügen erklären. Der Spiegel titelte weiland nicht gerade nett "Saftschubsen im Untergrund" - und lag damit auch ziemlich falsch. Denn Getränke schenken die uniformierten Damen dort noch nicht aus. Auch für München klänge die Idee zwar charmant. Aber ein freundlich lächelnder Mensch, der sich mit einem Servierwagen, durch die Massen quetscht, dürfte dann doch eine hübsche Utopie bleiben.

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