Süddeutsche Zeitung

Literaturhaus:Die Blumenkinder und das rote Sofa

Im Büro der Literaturhaus-Leiterin Tanja Graf hängt alles irgendwie mit Literatur, Lesungen und Ausstellungen zusammen. Private Fotos sucht man vergeblich. "Da wird nichts vermischt", sagt sie

Von Antje Weber

Das "Münchner Kindl" weiß noch nicht, wo es hingehört. Dabei fläzt es geradezu lasziv auf einer grasgrünen Wiese, ein Ahornblatt in der Hand, ein Buch mit leeren Seiten neben sich. Das gerahmte Plakat des Zeichners Christoph Niemann steht im Büro von Tanja Graf vorläufig noch auf dem Parkettboden. Noch ist die Ausstellung von Niemann ja auch nicht lange her; es braucht etwas Zeit, bis alles seinen Platz findet. Doch wenn man sich im so stilsicher elegant wie persönlich eingerichteten Büro der Literaturhaus-Chefin umsieht, meint man schnell zu wissen: Tanja Graf wird den Nagel schon im richtigen Eck einklopfen lassen.

Münchner Chefzimmer

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Oder wird sie das Bild selbst aufhängen? Zuzutrauen wäre es ihr, schließlich bügelt sie auch ihre Kleidung zwischendurch selbst auf, falls nötig. Dann, wenn wie so oft ein langer Tag ansteht im Literaturhaus. Dann, wenn sich Graf nach morgendlichen Lektüren, nachmittäglichen Besprechungen gegen Abend für ein bis zwei Stunden zurückzieht, um noch einmal an der Begrüßung für die jeweils erwarteten Schriftsteller zu feilen. Etwaigen Hunger zwischendurch unterdrückt sie mit Kleinigkeiten, ein Glas Buttermilch steht neben dem Computer. Denn nach den Lesungen, nach zehn Arbeitsstunden geht sie mit den Autoren ja noch essen, "bis zur Sperrstunde".

Doch Tanja Graf will sich nicht beschweren: "Es ist so eine vielseitige, bereichernde Arbeit!" Vielseitig wirkt auch ihr luftiges Büro im zweiten Stock des Literaturhauses; zwei Havanna-Ventilatoren bringen im Sommer etwas Wind in den nicht-klimatisierten Raum. Großartig ist der Blick von hier auf die Theatinerkirche: "Jeden Tag sieht sie anders aus!" In der dunkelgrünen Farbe der Kirchenkuppel hat Graf auch die Wand hinter ihrem Schreibtisch streichen lassen. Letzterer stammt übrigens aus dem einstigen Büro von Regisseur Helmut Dietl, der beigefarbene Ledersessel davor ist ein Designerstuhl von Knoll International aus den Sechzigerjahren: "Ich habe ihn bei einer Auktion ersteigert." Ein rotes Sofa daneben stammt auch aus ihrer Familie; Graf hat es ins Literaturhaus gestellt, weil es sich manchmal gut auf der Bühne macht: "Beim Klassiker-Abend zu Jane Austen saß Denis Scheck auf dem Sofa."

Überhaupt hängt alles in diesem Raum - außer den stets frischen Blumen auf einem langen Besprechungstisch - irgendwie mit dem Literaturhaus-Kosmos zusammen. So wichtig Graf ihr Familienleben auch ist, private Fotos sucht man vergeblich: "Da wird nichts vermischt." Statt dessen hängen hier Bilder des Fotografen Stefan Moses aus seiner "Blumenkinder"-Ausstellung; die Stiftung Literaturhaus hat sie ihm abgekauft. Oder der rot leuchtende Schriftzug "Monaco", aus der Dietl-Ausstellung vor drei Jahren. Und was ist mit Büchern? Die findet man im Büro einer Literaturhaus-Leiterin natürlich auch zuhauf. Ganz voll ist das wandfüllende Regal zwar noch nicht, doch beim Einzug vor drei Jahren war es schließlich fast leer, bis auf ein Kindler-Literaturlexikon und eine Oskar-Maria-Graf-Gesamtausgabe. Jetzt stehen hier vor allem Bücher vergangener Veranstaltungen, "viele übrigens signiert". Manche werden von Mitarbeitern ausgeliehen, wie eine Liste an der Bürotür verrät - die übrigens meist offen steht, denn die Chefin vertritt eine "Politik der offenen Tür, auch im übertragenen Sinn".

Jedes Buch wird Tanja Graf aber vermutlich nicht verleihen, schließlich sind einige dabei, "die ich sehr liebe und wo ich einen persönlichen Bezug zum Autor habe". Sie stellt sich vor das Regal und nennt jede Menge Namen, von Angelika Klüssendorf bis Ina Hartwig. Und es kommen ja ständig neue Bücher hinzu. Wenn im September die Herbstsaison beginnt und Tanja Graf sich wieder auf jede Menge Lesungen vorbereitet, wird sie eines nach dem anderen hervorholen. Und manchmal auch das Bügelbrett.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2019
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