SZ-Serie: Münchner Chefzimmer, Folge 19:Der Autofreund mit den weißen Sneakern

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Das Büro von Dieter Nirschl, Geschäftsführer des ADAC, ist aufgeräumt. Und die Dinge, die rumstehen, erzählen von seiner Karriere. In einem Regal etwa sind Modellflugzeuge einer Fluggesellschaft aufgereiht. Wenn der Manager durch das Haus schlendert, erkennt man, dass er etwas mit der Ente auf dem Glastisch gemeinsam hat - ein Besuch

Von Elisa Schwarz

Von hier oben sieht München aus wie ein Miniaturwunderland. Die Autos, die Schrebergärten, die S-Bahn. Alles winzig. Manchmal setzt sich Dieter Nirschl ans Fenster, legt die Füße auf die Heizung und guckt nach draußen. Dann denkt er nach. Es sei der Platz, an dem er sich am besten konzentrieren könne, sagt er. Eine kleine Bade-Ente mit Mütze sitzt neben ihm auf einem Glastisch. Sie hat ein ADAC-Logo auf dem Bauch.

Nirschl, 52, ist seit August dieses Jahres Geschäftsführer des ADAC. Von seinem Büro im 21. Stock hat er einen ganz guten Blick auf die A96 mit den ganzen Autos, auf sein Arbeitsgebiet sozusagen. Auf seinem Schreibtisch steht ein kleiner roter Jaguar, E-Type. "Ein schönes Auto", sagt Nirschl. "Eine Stilikone." In der Garage seiner Eltern hat er das Original abgestellt, Baujahr 1972, zwölf Zylinder. In München fehlt der Platz. Aber er sei jetzt kein großer Oldtimer-Liebhaber, sagt Nirschl. Auch den Geschäftswagen zum Beispiel benutze er eigentlich nie. Und weil man ja denken könnte, dass ein Auto irgendwie zu einem ADAC-Geschäftsführer dazu gehört, sagt Nirschl: "Der ADAC ist ja auch kein reiner Automobilclub mehr, sondern ein Mobilitätsclub." Nirschl kommt mit dem Fahrrad und der U-Bahn zur Arbeit. Manchmal fährt er auch mit dem E-Scooter, er stolpere schließlich oft über so einen Roller.

Nirschls Büro ist aufgeräumt. Und das, was rumsteht, erzählt von seiner Karriere. In einem Regal stehen Modellflugzeuge von der Fluggesellschaft LTU, die später von Air Berlin gekauft wurde. Nirschl jobbte bei LTU, als er an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Jura studierte. "Man hat ja nie Kohle als Student", sagt er. Damals stand er am Drucker und legte Papier für die Tickets nach: falten, abreißen, nachlegen - Endlosschleife. Und weil sie ihm sagten, dass er ganz okay sei im Ticketdruck, durfte er die Namensschilder für die Stewardessenkurse gravieren. Offenbar machte er das auch ganz okay, Nirschl wurde später Personalchef. Bei LTU.

Geschäftsführer des ADAC: Dieter Nirschl an seinem Arbeitsplatz.

Licht ist das Büro von Dieter Nirschl. Hinter seinem Schreibtisch hängt ein Gemälde.

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(Foto: Sebastian Gabriel)

Ein kleiner roter Jaguar steht auf dem Schreibtisch von Dieter Nirschl. Er bezeichnet sich trotzdem nicht als großen Oldtimer-Liebhaber. Lieber kommt er mit der U-Bahn oder dem Fahrrad ins Büro.

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(Foto: Sebastian Gabriel)

Dort steht auch eine Fotocollage - er war mal Gitarrist der Coverband "Beyond Music". Das hat jetzt alles nichts mit seinem Job zu tun.

Und doch erkennt man seine Liebe zum ADAC:

Schritt für Schritt.

Drei Bilder hängen bei Dieter Nirschl im Büro, und keines hängt wegen eines bestimmten Motivs. "Die Farben lösen etwas in mir aus", sagt Nirschl, "der Kontrast von dem kräftigen Orange und dem dunklen Blau." Der erste Gegenstand in Nirschls Büro war darum auch kein Ordner, sondern ein Gemälde. Es hängt hinter seinem Schreibtisch auf Kopfhöhe, Nirschl steht meistens, wenn er arbeitet. Abstrakte Formen, schwarz und ocker. Den Künstlernamen hat Nirschl vergessen, er hat es auch schon lange: Vor 20 Jahren habe er es mal auf einer Auktion ersteigert, sagt er. Seitdem zieht es mit ihm von einem Büro ins nächste.

Rechts vom Schreibtisch, zwischen den Modellflugzeugen auf dem Regal, steht eine Fotocollage. Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man Dieter Nirschl darauf, Gitarre in der Hand, Discolicht, es sieht ein bisschen wild aus. Sechs Jahre lang spielte Nirschl in der Coverband Beyond Music, bevor er nach München zog. Seine Mitarbeiter kannten zuerst die Youtube-Videos ihres zukünftigen Chefs. Dann ihn. Nirschl sagt, es gebe für ihn gerade zwei Herausforderungen. Eine neue Top-40-Band zu finden. Und ein Haus in München für seine Familie. "Ich weiß nicht genau, was schwieriger ist", sagt er.

Wenn Nirschl nicht im Büro ist oder auf Dienstreise, ist er im Haus unterwegs. Der neunte Stock ist quasi sein verlängertes Büro, dort sitzt die Tourismus-Abteilung, für die er zuständig ist. Im neunten Stock gibt es keine Einzelbüros, die Mitarbeiter haben kleine abschließbare Trolleys, mit denen sie von Schreibtisch zu Schreibtisch ziehen. Wenn sie mal telefonieren müssen, gehen sie in einen Raum, der "Cockpit" heißt. Zwischen den Trolleys mit Namensschildchen stehen Regale voll mit faltbaren Städteführern des ADAC. Am liebsten mache er Urlaub in Griechenland, sagt Nirschl und zieht ein Tour-Set aus dem Regal. Die Landschaft, die Leute, das griechische Essen. Er könne auch einfach nur an der Küste stehen und aufs Meer schauen. Dann konzentriere er sich nicht, dann entspanne er.

Nirschl grüßt die vorbeilaufenden Mitarbeiter freundlich, und während er vom Regal in den nächsten Gang schlendert, erkennt man, dass er etwas mit der Ente auf dem Glastisch gemeinsam hat: Auf seinen weißen Sneakers, Größe 44, leuchtet das gelbe ADAC-Logo.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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