SZ-Serie: "Kronawitters München":Schorsch, der Trickreiche

Ob es gegen innerparteiliche Gegner oder die politische Konkurrenz ging: Georg Kronawitter war ein gewiefter Stratege. Oft ging seine Rechnung auf, mitunter aber schoss er sich auch selbst ins Knie

Von Franz Kotteder

"Mit allen Kniffen und Listen" hieß das Buch, mit dem Georg Kronawitter 1979 erstmals als Autor in Erscheinung trat. Der Untertitel "Strategie und Taktik der dogmatischen Linken in der SPD" verriet schon, warum es ihm darin ging: um eine Abrechnung mit seinen Gegnern in der Partei. Besonders die Jusos hatten ihn in seiner ersten Amtszeit als Oberbürgermeister sehr bekämpft; der Landwirtssohn aus Oberthann bei Pfaffenhofen galt als Rechtsabweichler, der mit reaktionären Kräften paktierte . . . Wie man sich halt so ausdrückte, damals.

Aber Kronawitter war auch nicht gerade schüchtern, was Auseinandersetzungen anging. Gelegentlich erzählte er Schwänke aus seiner Jugend, in denen es darum ging, dass er damals den Boxsport pflegte und durchaus auch auszuteilen verstand. In der Auseinandersetzung mit den linken Münchner Sozialdemokraten äußerte sich das unter anderem auch dadurch, dass er Parteiordnungs- und Ausschlussverfahren gegen eine ganze Reihe von ihnen anstrengte, weil sie angeblich oder tatsächlich mit Ortsgruppen der DKP zusammengearbeitet hatten. Die DKP, das waren die Kommunisten, die damals noch in diversen Grüppchen öffentlich auftraten. Heute kennt das ja kaum noch jemand.

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und Georg Kronawitter im Biergarten, 1993

Wie man den Schlag führt, konnte Georg Kronawitter (re.) ganz genau erklären. Christian Ude schaute genau zu - und bekam selbst mitunter was ab.

(Foto: Andras Heddergott)

Mit allen Kniffen und Listen: Der Buchtitel passte auch auf den Verfasser ganz gut. Kronawitter waren taktische Spielchen durchaus nicht fremd, im Gegenteil. Er übte sich zeitweise recht furios im Spiel hinter den Kulissen und wusste beispielsweise genau, welche Zeitungsredaktion an welchen Strategiepapieren welcher politischen Strömung interessiert war und was das wiederum seiner Position nutzen konnte. Darin unterschied er sich kaum von anderen Politikern. Zwar heiligte für ihn der Zweck nicht die Mittel, denn Kronawitter hatte sehr wohl Grundsätze. Aber außergewöhnliche Umstände erfordern eben ungewöhnliche Maßnahmen.

Mit der Beharrlichkeit eines Boxers kämpfte er sich nach seinem mehr oder weniger erzwungenen Abschied aus der Stadtpolitik 1978 wieder zurück. Geduldig machte er die Tour durch die Ortsvereine seiner Partei, was selbst für Überzeugungstäter nicht immer das reine Vergnügen sein dürfte. Und dann wurde er wieder Spitzenkandidat seiner Partei für den OB-Wahlkampf 1984, gegen den ungeliebten Amtsinhaber Erich Kiesl von der CSU, und schlug ihn in der Stichwahl mit beeindruckenden 58,3 Prozent. Von da an schwebte Georg Kronawitter als eine Art Volkstribun über den Parteien im Rathaus, jedenfalls hatte das so den Anschein. Der OB suchte sich seine Mehrheiten bei allen Fraktionen: Ging es um eher "rechte" Themen, paktierte er mit der CSU, für irgendwie Linkes holte er die Grünen ins Boot. Hauptsache, die Politik, die er verfocht und die ebenso aus rechten wie aus linken Elementen bestand, ließ sich auf diese Weise durchsetzen.

Trauerfeier im Alten Peter

Der Trauergottesdienst für den verstorbenen Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter findet am Dienstag, 10. Mai, um 10.30 Uhr im Alten Peter am Petersplatz 1 statt. Bei der anschließenden Gedenkfeier sind Reden von Oberbürgermeister Dieter Reiter, dem SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel sowie Florian Kronawitter, dem Sohn des Verstorbenen, geplant. Als Ehrenbürger der Stadt München steht Kronawitter, der von 1972 bis 1978 und dann noch einmal von 1984 bis 1993 Rathaus-Chef war, auf Beschluss des Stadtrats ein Ehrengrab zu, für dessen Unterhalt die Stadt aufkommt. Zudem finanziert sie den Grabstein. Zum Ehrenbürger ernannt wurde Kronawitter bereits 1993 - diese Würdigung kann stets nur zu Lebzeiten erfolgen. Kronawitter war am vergangenen Donnerstagabend im Alter von 88 Jahren gestorben. sz

Freilich fühlten sich die jeweiligen Partner in dieser Dreiecksbeziehung irgendwann auch allzu sehr benutzt und wollten nicht mehr alles mitmachen. Und fanden: Was "der Ober", wie der Oberbürgermeister im Rathaus gern genannt wird, kann, das können wir auch. So kungelten die Grünen mit der CSU und wählten zusammen mit ihnen Georg Welsch, einen der ihren, zum Kommunalreferenten. Kreisverwaltungsreferent wurde der CSU-Hardliner Hans-Peter Uhl in einer denkwürdigen Abstimmung, bei der der spätere OB Christian Ude wegen einiger SPD-Abweichler unterlegen war. Eine bittere Niederlage auch für Kronawitter. Er musste obendrein dann auch noch gegen die sogenannte "Gestaltungsmehrheit" regieren, die sein Widersacher, der CSU-Fraktionschef Walter Zöller, in der Folge der Referentenwahl zusammen mit den Abweichlern aus der SPD geschmiedet hatte.

Bei der nächsten OB-Wahl 1990 trat Zöller freilich nicht gegen Kronawitter an, und natürlich gewann der Amtsinhaber wieder haushoch. Dann geschah, was Kronawitter niemand zugetraut hatte: Der ehemalige Linkenfresser schloss ein Rathausbündnis mit den Grünen, die immer noch ein wenig als Schmuddelkinder galten. Mit der CSU verhandelte er zwar auch, aber nur zum Schein: Die Schlüsselthemen wählte er so, dass eigentlich eh nur die Grünen als Partner in Frage kamen. Daraus wurde das längste rot-grüne Bündnis der Geschichte: 24 Jahre lang hielt die Münchner Partnerschaft. Die grünen Beteiligten sind heute noch voll des Lobes über Kronawitter, man habe sich auf sein Wort immer verlassen können. Und die damalige dritte Bürgermeisterin Sabine Csampai erinnert sich an ihr perfektes Zusammenspiel mit ihm: "Wenn aus unseren Fraktionen mal allzu skurrile Forderungen kamen, dann waren wir uns immer relativ schnell einig. Wir haben dann jeder immer zu unseren Leuten gesagt, das sei beim Koalitionspartner leider nicht durchsetzbar."

Politik mit allen Kniffen und Listen eben. 2001 kam übrigens wieder ein Buch von Georg Kronawitter heraus, dessen Titel ihn ganz gut beschreibt, aber nicht nur für den Strategen steht, sondern für den ganzen Mann. "Mit aller Leidenschaft", hieß es, "20 Jahre Politik für München".

Teil vier der Serie erscheint am Freitag.

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