SZ-Serie: Hinter den Masken:Managerin der Krise

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Annett Wendorf leitet die OP- und Anästhesiepflege in Bogenhausen und Schwabing – normalerweise. (Foto: Stephan Rumpf)

Annett Wendorf sorgt dafür, dass genug Pflegekräfte da sind

Von Anna Hoben

Normalerweise leitet Annett Wendorf die OP- und Anästhesiepflege in Bogenhausen und Schwabing. Normalerweise, also "wenn wir keine Pandemie haben", wie sie sagt. Aber jetzt ist sie da, die Pandemie - und Wendorf, 55, hat eine neue Aufgabe. Covid-19-Pflegemanagerin nennt sie sich seitdem und ist dafür zuständig, dass die München Klinik während der Krise genug Pflegekräfte hat, um den steigenden Bedarf zu decken. Dafür, dass nicht nur mehr Intensivbetten da sind, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit den Patienten umgehen können.

Vor einigen Wochen haben sie einen Aufruf gestartet mit der Suche nach freiwilligen Helfern. Mehr als 4000 Menschen meldeten sich. Solche mit Fachqualifikation, aber auch solche ohne jede Vorerfahrung. "Da war alles dabei", sagt Annett Wendorf, "vom Lufthansa-Steward bis zur Hausfrau." Eine Frau, die noch nie mit dem Thema Pflege in Berührung gekommen war, sei mit ihrem Koffer ins Sekretariat der Geschäftsführung spaziert, sie habe direkt bleiben und in der Klinik anfangen wollen. Sie haben dann erst einmal sortiert und manche Bewerber direkt eingestellt - 200 zusätzliche Kräfte bisher an allen Standorten. Darunter sind ausgebildete Krankenpfleger, Pflegehelfer, aber auch medizinische Fachangestellte, die in Praxen nicht mehr arbeiten konnten. Auch im eigenen Haus suchten sie Mitarbeiter, die früher schon in der Intensivpflege waren.

Wie sich der Alltag der Pflegerinnen und Pfleger verändert hat durch die Pandemie? Es sei die gleiche Arbeit, sagt Wendorf, "verändert ist der Arbeitsplatz". Manche sind speziell geschult worden und von der Normal- auf die Intensivstation gewechselt, wo sie in Tandem-Teams arbeiten. Seit dem Beginn der Pandemie hat sie viele Gespräche mit den Mitarbeitern geführt. Da kämen freilich auch Sorgen zur Sprache, bezüglich der eigenen Gesundheit etwa, wie sie sich also selbst schützen könnten, und auch dazu, "wie wir das schaffen". Es helfe den Mitarbeitern zu wissen, dass es ein Back-up gibt, sagt Annett Wendorf. "Das war ja vor der Krise leider nicht immer so." Fiel jemand wegen Krankheit aus, mussten die Kollegen das auffangen. "Das ist jetzt ein bisschen anders."

Dass diese Krise gerade Frauen stark trifft, weil vor allem sie in pflegerischen Berufen arbeiten? Wendorf stutzt kurz, dann sagt sie: Das sei ja schon immer so. Seit Florence Nightingale, der britischen Krankenschwester und Reformerin des Sanitätswesens in der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts, sei das Thema Hygiene bei den Frauen angesiedelt. "Das fängt bei der Hausarbeit an und hört bei der Pflege auf."

Und nach Feierabend? Spazierengehen, Kopf frei kriegen. "Die Abendliteratur so gestalten, dass es nicht nur Corona ist." Krimis liest sie gern. Und immer wieder wundert sie sich. Über den großen Einfluss eines kleinen Virus. "Man weiß, die Viren waren vor uns da, und wahrscheinlich werden sie auch nach uns da sein."

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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