Stand-up-Paddling:Von München nach Wien gepaddelt

Stand-up-Paddling: Wellen, Wind und Wolken: "Man kommt beim Suppen so wunderbar ins Meditieren", sagt Pascal Rösler. Vor allem im Mündungsgebiet der Isar, wo es noch Auwälder gibt.

Wellen, Wind und Wolken: "Man kommt beim Suppen so wunderbar ins Meditieren", sagt Pascal Rösler. Vor allem im Mündungsgebiet der Isar, wo es noch Auwälder gibt.

(Foto: Christian Melis)

Pascal Rösler legt die 500 Kilometer über Isar und Donau auf seinem Board zurück. Sein Ziel: Mit jedem Flusskilometer Spenden sammeln.

Von Martina Scherf

Ein sonniger Münchner Sommertag bricht an, es ist 7.57 Uhr. Die Isar fließt ruhig unter der Max-Joseph-Brücke hindurch, das Hochwasser der vergangenen Tage ist wieder verschwunden. Pascal Rösler verabschiedet sich am Ufer von Freunden und Kollegen, schnallt seine wasserdichte schwarze Reisetasche vorne aufs Brett, steigt auf, balanciert ein wenig und winkt noch einmal kurz zurück. Dann geht es los. Der Sportler will keine Zeit verlieren. 500 Kilometer liegen vor ihm. Flussabwärts treibt er dahin, unterstützt von gleichmäßigen Paddelschlägen.

München - Wien in zehn Tagen, stehend auf dem aufblasbaren Brett, bei sengender Hitze oder strömendem Regen. Das ist der Plan. Röslers Ziel: Mit jedem Flusskilometer übers Internet Spenden sammeln. 10 000 Euro, so hofft er, sollen es am Ende sein, die will er an drei konkrete Naturschutzprojekte geben. "Ich bin so viel am und auf dem Wasser, jetzt will ich der Natur mal etwas zurückgeben und die Menschen inspirieren, mehr für deren Schutz zu tun", verkündet er vor dem Start.

Über Landshut und Plattling geht es bis zur Isarmündung, dann weiter auf der Donau über Passau und Linz bis in die österreichische Hauptstadt. "Pass' bitte auf die Strömung auf", hatte ihm seine besorgte Mutter vor der Abreise gesagt. "Aber die Strömung, wie sie früher an einem Fluss herrschte, die gibt es gar nicht mehr", sagt der 43-Jährige. Heute sind die Flüsse begradigt und gebremst, man hat ihnen das Wasser genommen und in Kanäle geleitet, um Strom zu gewinnen. Stauwehre durchschneiden ihr Bett: Schon nach zweieinhalb Kilometern kommt das erste: das Oberföhringer Wehr.

Und so geht es weiter. Erst in jüngerer Zeit wird den Politikern bewusst, dass nicht nur Pflanzen und Fische, sondern am Ende auch der Mensch unter den massiven Eingriffen in die Natur leidet - wenn es kein Altwasser mehr gibt, das Hochwasser aufnimmt, und wenn immer mehr Tier- und Pflanzenarten sterben. "Wir müssen die natürlichen Gewässer besser schützen", sagt Rösler. Das wird ihm auf seiner Wasserreise noch bewusster.

Tag eins: Nach acht Stunden auf dem Brett und 52,4 Kilometern gibt es am ersten Abend ein Weißbier im Gasthof Huber in Moosburg - und ein Bett für die müden Glieder. Rösler schickt von jedem Tag ein Foto mit Kurzbericht nach Hause. 250 Paddelschläge pro Flusskilometer, schreibt er, braucht er im Schnitt. SUP, das Stand-up-Paddling, sieht leicht aus, doch jeder Paddelschlag geht durch den ganzen Körper, leitet die Kraft von der Hand bis in die Fußsohlen auf dem Brett.

Bei Nieselregen geht es am nächsten Morgen weiter nach Landshut. Dort trifft Rösler Philipp Herrmann, den Gebietsbetreuer des Bayerischen Naturschutzfonds für die Region. Der will 1000 Schüler in den Isarauwald bringen für ein Artenschutzprojekt. Röslers Spenden werden dabei helfen.

Vorbei an Orchideen, Gladiolen, Blaukehlchen und Eisvögeln

Bis Plattling muss er insgesamt 20 Wehre umlaufen. Anstrengend. Doch zur Belohnung wartet anschließend das Mündungsgebiet der Isar mit seiner einzigartigen Auenlandschaft: Orchideen und Gladiolen wachsen am Ufer, Blaukehlchen und Eisvögel nisten in alten Eschen, im Wasser fühlen sich Huchen und Donaulachs wohl.

Vor der stehenden Welle bei Plattling, wo sich Wellenreiter und Kajakfahrer tummeln, wartet Naturschützer Thomas Schoger-Ohnweiler. Auch er freut sich auf Röslers Spende - er braucht mehr Ferngläser für seine Führungen durch die Auenlandschaft. Am nächsten Morgen begleitet er Rösler ein Stück im Kajak. Nach der Isarmündung liegen weitere 65,7 Kilometer vor dem Flussfahrer - und eine der schönsten Etappen der Reise, wie er später sagen wird. Die Strecke bis Vilshofen gehört zu den letzten frei fließenden und noch nicht verbauten Donauabschnitten in Europa.

In Passau, wo Donau, Inn und Ilz zusammenfließen, ist der halbe Weg nach Wien geschafft. Berufsschifffahrt, Wasserskifahrer, Fähren - Rösler muss jetzt kräftig schieben und Gleichgewicht halten, um auf Kurs zu bleiben. Ein Kajakfahrer reiht sich neben ihm ein und erzählt, er sei auf dem Weg zum Schwarzen Meer. Auf halbem Weg nach Linz mäandert die Donau in der Schlögener Schlinge durch den Wald - "eine fantastische Landschaft", sagt Rösler. Früher galt die Schlinge als eine der gefährlichsten Stellen des Donaulaufes für die Schifffahrt. Heute gibt es auch hier Stauwehre.

Sonnenbrille auf, GPS-Tracker eingeschaltet, Tasche aufs Brett geschnallt, so geht es am nächsten Tag von Inzell weiter flussabwärts. Die Finger sind mittlerweile mit Pflastern beklebt. "Die ersten Tage waren echt hart, aber inzwischen geht es gut", schreibt der Münchner nach Hause. So richtig trainiert hatte er ja nicht, er hatte gehofft, die Strömung werde ihn unterstützen. "Doch vor den Wehren steht das Wasser, da gibt es einen Rückstau und du musst alles paddeln."

"Bist du der Münchner, der nach Wien suppt?"

Rösler ist mit dem Brett groß geworden. Aufgewachsen in Dillingen an der Donau, die Eltern begeisterte Surfer. Wenn der Wind bläst, zieht es ihn hinaus an den Starnberger See, an den Ammersee, sommers wie winters. "Fürs Surfen sag ich schon mal einen Termin ab", sagt er. Das "Suppen", wie Stand-up-Paddler ihren Sport nennen, hat er vor ein paar Jahren entdeckt, als er bei Windstille mit seinem Surfbrett am Ufer des Starnberger Sees saß. Es sei die ideale Ergänzung, sagt er, "man kommt dabei wunderbar ins Meditieren".

Seit er sich mit einer Verkaufsberatung selbständig gemacht hat, genießt er diese Freiheit: Nicht mehr an feste Bürozeiten gebunden sein, Leben und Arbeiten in eins gleiten zu lassen. Deshalb fährt er auch mal mit einem seiner Mitarbeiter früh morgens zum See, am Nachmittag sitzen sie dann mit frischer Energie aufgetankt im Büro. "Das schweißt zusammen", sagt er. Der Unternehmersohn hatte eine Banklehre gemacht, Betriebswirtschaft studiert, in der Finanzbranche gearbeitet, bis er nach der Finanzkrise begann, an seinem beruflichen Umfeld zu zweifeln. Und er wollte nicht mehr täglich mit Krawatte im Büro sitzen. Seit er selbständig ist, trägt er von Mai bis Oktober Lederhose, jeden Tag, sagt er, "oft auch beim Kunden". Das gute Stück ist auch jetzt dabei - für Landgänge.

Stand-up-Paddling: Pascal Rösler vor dem Start in München. Auf der Max-Joseph-Brücke bläst er sein Brett auf. Zehn Tage lang paddeln, bei jedem Wetter, schafft er das?

Pascal Rösler vor dem Start in München. Auf der Max-Joseph-Brücke bläst er sein Brett auf. Zehn Tage lang paddeln, bei jedem Wetter, schafft er das?

(Foto: Christian Brecheis)

Tag neun: Gestärkt "mit dem besten Kaiserschmarrn" vom Vorabend legt der Sportler früh morgens in Wallsee hinter Linz sein Brett in die Donau und steigt auf. In der Nacht gab es ein Gewitter, der Regen ließ den Fluss anschwellen, die Schleusen am Wallsee-Wehr sind geöffnet. Es geht flott voran, aber es schwimmt viel Treibholz auf der Donau. Der Schiffsverkehr sorgt für tückische Wellen von der Seite. Rösler reitet sie ab. "Den Fluss darf man nicht unterschätzen", sagt er, "aber das ist ja das Schöne am Suppen: Du biegst um die Ecke und weißt nicht, was dich erwartet."

Die Langsamkeit schärft die Wahrnehmung für die Welle, den Wind, die Wolken. "Auf dem Wasser komme ich zur Ruhe", sagt Rösler. Jeden Abend reflektiert er den Tag und schickt einen Kurzbericht mit Fotos für seine Spendenseite im Internet. "Ich will Abstand gewinnen, mich ganz auf die Natur konzentrieren". Es ist sein persönlicher Jakobsweg, sagt er.

Geradeaus ist anstrengend

Tag elf: 47,2 Kilometer geradeaus paddeln. Langweilig, langsam. "Da suchst du dir halt immer wieder ein Ziel am Ufer, einen markanten Baum, eine Brücke, einen Kirchturm, den du ansteuerst, und dann das nächste."

Tag zwölf: von Langenlebarn die letzten gut 30 Kilometer nach Wien. Ein Erfrischungsbad im klaren Wasser. Österreichische Medien haben berichtet, immer wieder rufen Passanten vom Ufer: "Bist du der Münchner, der nach Wien suppt?" Dann biegt er in die neue Donau ein, keine Strömung, leichter Gegenwind, "die letzten zehn Kilometer sind noch einmal anstrengend".

Ein letzter Paddelschlag, ans Ufer driften, anlegen unterhalb der Kaisermühlenbrücke in der Wiener Donaustadt. Da steht ein Schild am Ufer: 1920 Kilometer bis zum Schwarzen Meer. "Da kam mir schon kurz in den Sinn: Soll ich einfach weiterpaddeln?", erzählt er. Rösler lässt dann doch die Luft aus seinem SUP, nimmt ein Taxi, gönnt sich eine Nacht im Hotel, bevor er in den Zug nach München steigt. Am nächsten Mittag sitzt er wieder im Meeting - in Lederhose.

Zwölf Tage hat Rösler gebraucht, 42 Kilometer ist er im Schnitt pro Tag gepaddelt. Das Spendenziel ist noch nicht ganz erreicht, "aber da kann ja noch was kommen", sagt er (die Internetseite www.sup-muenchen-wien.de) bleibt vorerst aktiv, "ich habe fest vor, jedes Jahr ein solches Projekt zu machen".

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