SZ-Serie: Bauch, Beine, Kopf:Spiel ohne Grenzen

SZ-Serie: Bauch, Beine, Kopf: Florentina Holzinger, 34, ist Tänzerin und Choreografin. Sie bezeichnet sich selbst als "extreme Testperson", und ihre Inszenierungen sind nicht immer jugendfrei.

Florentina Holzinger, 34, ist Tänzerin und Choreografin. Sie bezeichnet sich selbst als "extreme Testperson", und ihre Inszenierungen sind nicht immer jugendfrei.

(Foto: Apollonia Theresa Bitzan)

Rezepte, Übungen und Rätsel für den Corona-Alltag daheim. Heute: Florentina Holzinger bringt Schwung in Videokonferenzen

Von Johannes Schnitzler

Zu behaupten, Florentina Holzingers Kunst sei physisch, wäre eine famose Untertreibung. Ihr Körper ist nicht nur das Arbeitsgerät der Tänzerin, Performancekünstlerin und Choreografin aus Wien, er ist ihr Experimentierlabor - und er muss einiges aushalten. Klassisches Ballett war nie die Sache der 34-Jährigen, die an der School for New Dance Development in Amsterdam studiert hat. Ihr erstes eigenes Stück hieß "Kein Applaus für Scheiße", ihre Inszenierungen sind wild, spektakulär. Tanz sei "ein Spiel ohne Grenzen und hat seine eigenen Parameter". Florentina Holzinger kombiniert dazu Kampfsport mit Motorradstunts und Akrobatik. In der Hitze der Bühnenschlacht kann es schon mal geschehen, dass sie wie 2013 aus mehreren Metern Höhe abstürzt und einen Zahn verliert. "Die freie Radikale" hat die Zeit sie mal genannt; sie selbst bezeichnet sich als "extreme Testperson".

Ihre aktuelle Inszenierung "Tanz" (Altersfreigabe ab 16 Jahren) an den Kammerspielen ist mit dem Warnhinweis versehen: "In einigen Szenen kommen selbstverletzende Handlungen zur Darstellung, die auf manche Zuschauer*innen eine verstörende Wirkung haben könnten. Wir weisen darauf hin, dass viel Blut und explizite Nacktheit zu sehen sein werden." Am 1. März hatte "Étude for an Emergency. Composition for Ten Bodies and a Car" Premiere, es folgten drei Vorstellungen, bis das Virus die Spielzeit vorerst stoppte.

Nun sitzt Florentina Holzinger zu Hause und versucht, ihren Bewegungsdrang zu kanalisieren: "Hier bin ich doch etwas eingeschränkt." Sonst gehe sie gerne ins Gym oder trainiere mit einem früheren Mixed-Martial-Arts-Fighter, der dieses Jahr für Kroatien zu den Olympischen Spielen nach Tokio reisen sollte. Das geht gerade nicht. Sie schiebe sich aber deshalb keine Zimmermannsnägel in die Nase, was sie auf der Bühne gelegentlich tut, denn "das kann ich ja schon", sagt sie am Telefon. (Ist vermutlich wie Radfahren: Wenn's mal sitzt, verlernt man es nie wieder.) Standards wie Liegestütze "wären mir zu langweilig". Also kam sie auf die Idee, ein Video-Workout anzubieten. Zu Beginn hätten sich, wie sie überrascht feststellte, etwa 80 Interessierte zugeschaltet, "vorwiegend Kulturpublikum" mit womöglich dezent falschen Vorstellungen. "Wenn ich sage Workout, dann meine ich Workout", sagt Florentina Holzinger. Und, eigentlich überflüssig zu erwähnen, "anpassen wollte ich das Training nicht". Am Ende sei noch etwa die Hälfte der Zuschauer dabei gewesen.

Während der Proben mit ihrem straffen Zeitplan "bleibt wenig Zeit, sich eine halbe Stunde auf den Rücken zu legen und zu stretchen". Umso bewusster mache sie jetzt Yoga- und Kampfsportübungen. Außerdem habe sie sich angewöhnt, viel zu laufen, draußen an der frischen Luft, und sie arbeite an ihrem Handstand. Sie habe auch schon überlegt, "wie man Kaffee kochen spektakulärer gestalten kann". Fürs Erste könne man "dabei einen guten Song anmachen, sich dazu bewegen, tanzen".

Aber Florentina Holzinger wäre nicht sie selbst, wenn ihr das genügte. Die nachfolgenden Tipps sind trotzdem eher bedingt zur Nachahmung empfohlen: "Timer stellen. So viele Zoom-Meetings wie möglich in 15 Minuten abhalten (wenn möglich, mehrere gleichzeitig). Zwischen jedem Meeting maximal zehn Sekunden Pause. Pause heißt: aktive Erholung. The Last Dance (US-Sportdoku-Serie) auf Netflix schauen." Man könne das auch mit Kaffeekochen kombinieren. Für Fortgeschrittene also: "Gleichzeitig Espresso machen und in der Erholungszeit so viele Shots wie möglich trinken." Einem beschwingten Quarantäne-Tag mit Puls 220 und leichtem Koffein-Überschuss steht dann nichts mehr im Weg.

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