Radeln rund um München:Dem Radl auf der Spur

Radtour 1

Auf einer knapp 30 Kilometer langen Tour durch die Stadt begegnet man immer wieder einem Thema: der Geschichte des Zweirads - vom Grab des berühmten Rennfahrers Thaddäus Robl bis zum angeblichen Ursprungslokal der Radler-Mass.

Von Marco Völklein

Es wird gefeiert in diesem Jahr. In Mannheim etwa gab es einen Fahrradkongress, außerdem ein Bürgerfest. In Karlsruhe ist ein Radkorso geplant. Schließlich wurde Freiherr Karl Friedrich Drais von Sauerbronn 1785 in Karlsruhe geboren, von Mannheim aus unternahm er am 12. Juni 1817 die erste große Fahrt mit dem von ihm entwickelten "Laufrad". Der Tag gilt als Geburtsstunde des Fahrrads. Und in München? Auch hier wird des Erfinders und seiner Maschine gedacht, von Ende Juli an mit einer Sonderschau im Verkehrszentrum des Deutschen Museums.

Aber lassen sich noch Spuren der Fahrradgeschichte auch in der Landeshauptstadt finden? Schließlich hatte Drais 1817 mit seinem Laufrad europaweit eine Welle der Euphorie ausgelöst. Und lässt sich zumindest ein Teil dieser Geschichte zu einer Radtour durch München verbinden? Diese Tour unternimmt zumindest den Versuch. Sie startet im Münchner Süden und führt an einigen Punkten vorbei, die in den vergangenen Jahrzehnten eine Rolle spielten bei der Entwicklung des Radverkehrs und des Radvergnügens. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie kann aber dazu anregen, einfach mal einzutauchen in die lange Geschichte des Fahrrads und sich einzulassen auf die vielen Geschichten rund ums Rad.

Wo die Radler-Mass erfunden worden sein soll

Die Tour startet am S-Bahnhof Deisenhofen und führt zunächst vorbei an der Kugler-Alm, einem Biergarten, der sich ursprünglich aus einer Verpflegungsstation für Arbeiter beim Bahnbau entwickelte. Was hat der mit dem Fahrrad zu tun? Nun ja, der Legende nach soll dort die Radler-Mass erfunden worden sein. Und auch wenn sich Fachleute streiten, ob der Bier-Limo-Mix nicht schon viel früher in sozialdemokratischen Arbeiterkreisen oder ganz woanders zusammengekippt wurde, es ist zumindest eine nette Anekdote.

Unstrittig ist hingegen, dass die Bahnstrecke von München nach Bichl in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, damals noch "Isarthalbahn" genannt. Und dass der Betrieb auf dieser Strecke Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts eingestellt wurde. Die Gleise wurden gut zehn Jahre später abgebaut, auf dem Planum verläuft seit dem Frühjahr 2001 zwischen Benediktbeurer Straße und der Einmündung der Großhesseloher Straße in die Knotestraße ein etwa zwei Kilometer langer, asphaltierter Bahnradweg - einer der ersten im Großraum München. Auf diesem lässt es sich schön in Richtung Innenstadt rollen.

Eine der ersten Fahrradstraßen passiert man kurz darauf in der Hefner-Alteneck-Straße nördlich des Flauchers. Diese wurde im November 2003 eröffnet. Mittlerweile haben die städtischen Planer fast 60 solcher Straßen ausgewiesen, auf denen Radler grundsätzlich bevorzugt sind gegenüber dem motorisierten Verkehr. Das Nebeneinanderfahren ist dort ausdrücklich erlaubt. Laut Kreisverwaltungsreferat ist München damit die deutsche Stadt mit den meisten Fahrradstraßen.

Zwischenstopp am Alten Südfriedhof

Deutlich weiter zurück in der Münchner Radlgeschichte führt ein kurzer Stopp am Alten Südfriedhof. Dort findet sich das Grab von Thaddäus Robl, einem 1877 in Garmisch geborenen Radrennfahrer. Robl wurde zwei Mal Weltmeister, mehrfach Europameister und errang zahlreiche weitere Titel - kurz nach der Jahrhundertwende stieg er zum Sportidol auf und trug mit dazu bei, dass sich Radrennen zu Zuschauermagneten entwickelten. Nach einigen sehr erfolgreichen Jahren auf dem Rad wechselte er zur Fliegerei und kam 1910 bei einer Flugvorführung ums Leben. Weil seine Mutter in München lebte, wurde Robl an der Isar begraben. Im Münchner Norden erinnert noch eine nach ihm benannte Straße an den Sportler.

Seine letzten Erfolge auf dem Rad feierte Robl übrigens auf der Radrennbahn in Milbertshofen, die der Industrielle Ludwig Petuel jr. (1870-1951), Besitzer einer Tapetenfabrik in der Frohschammerstraße und einer Fahrradfabrik in der Schleißheimer Straße, im Jahr 1906 errichten ließ. Konzipiert war die Rennbahn für 38 000 Zuschauer. Unter freiem Himmel fanden dort unter anderem "Steherrennen" statt, bei denen der Radsportler hinter einem schweren Motorrad im Windschatten fährt, dessen Fahrer auf den Fußrasten der Maschine steht. Allerdings hatte sich Petuel mit seiner Radrennbahn anscheinend verkalkuliert: Die Anlage erwies sich bereits nach relativ kurzer Zeit als unrentabel und wurde im Jahr 1914 geschlossen.

In den Zwanzigerjahren schließlich entwickelten sich Sechs-Tage-Rennen zu Zuschauermagneten, zunächst in anderen Städten, von Beginn der Dreißigerjahre an auch in München. Von den Nationalsozialisten verboten, drehten die Sportler nach dem Krieg in einer Messehalle auf der Schwanthalerhöhe ihre Runden. Dort eröffnete der Schauspieler Heinz Rühmann im April 1949 das erste Sechs-Tage-Rennen nach dem Krieg. Zuvor hatten Handwerker ein hölzernes Rennoval in eine der Hallen gezimmert. Mitte der Fünfzigerjahre aber ging das Zuschauerinteresse zurück, der Veranstalter musste aufgeben.

Die Radtour führt von der Schwanthalerhöhe weiter zum Sendlinger Tor, wo die "Roten Radler" ihren Sitz hatten. Dahinter verbarg sich keine kommunistische Agitprop-Gruppe - vielmehr ist einer Ausgabe der Münchner Neuesten Nachrichten aus dem Jahr 1907 zu entnehmen, dass die Truppe von nun an "dringende Beförderungen aller Art durch zuverlässige Eilboten per Zweirad oder Gepäckdreirad" übernimmt. Die Kuriere waren an ihren roten Roben im Stadtbild sofort zu erkennen.

Eintauchen in die Frühzeit des Radfahrens

In der Sparkassenstraße blockiert aktuell eine Baustelle die Durchfahrt. Die lässt sich am besten schiebend über den Bürgersteig umgehen. Erst von Ende September an werden die Stadtwerke die Arbeiten am Fernkältenetz beendet haben, dann ist der Weg wieder frei. Weiter nordwestlich, am Karolinenplatz, taucht man dann noch einmal ein in die Frühzeit des Radfahrens. Bereits im Jahre 1829 soll es eine Wettfahrt mit Draisinen, also Laufmaschinen, gegeben haben, bei der 26 Fahrer auf einer 4,5 Kilometer langen Strecke zwischen dem Karolinenplatz und dem Nymphenburger Schloss unterwegs gewesen sein sollen. Und als in den Jahren 1883 bis 1899 während des Oktoberfests Veloziped-Rennen auf der Theresienwiese stattfanden, verlief der Rad-Korso zum Auftakt der Veranstaltungen ebenfalls vom Karolinenplatz aus bis zur Festwiese.

Zum Ende hin steuert die Tour noch das Olympiagelände auf dem einstigen Oberwiesenfeld an. Dort entstand in den Siebzigerjahren das Radstadion für die olympischen Bahnradwettbewerbe. Mittlerweile ist es abgerissen; dort soll unter anderem für die Basketballer des FC Bayern München eine Multifunktionshalle entstehen. In den Siebzigerjahren lebten zudem die Sechs-Tage-Rennen wieder auf - aber nicht in einer Messe-, sondern in der Olympiahalle, in der dafür eine 200-Meter-Bahn errichtet wurde. Größen wie Sigi Renz, Eddy Merckx, Didi Thurau oder Erik Zabel begeisterten das Publikum. Im Zuge der Dopingenthüllungen im deutschen Radsport ließ allerdings das Zuschauerinteresse nach. Seit 2009 gibt es deshalb keine Münchner Sechs-Tage-Rennen mehr.

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