Süddeutsche Zeitung

Krupp-Villa:Deutsche Geschichte in Stein und Sein

Die Villa Hügel in Essen war einst das Privathaus der Krupps. Heute ist der 269-Zimmer-Bau Teil der Stiftung Krupp, die gerade bewegte Zeiten durchläuft. Entsprechend angeregt verliefen die Gespräche beim Ausklang des SZ Kultursalons.

Von Susanne Hermanski, Essen

Will man einem Münchner die Villa Hügel erklären, dann vielleicht so: Sie ist das großbürgerliche Pendant zu Schloss Neuschwanstein. Bauen ließ sie der Industriellenkönig des Ruhrgebiets Alfred Krupp in den Jahren 1870 bis 1873 als Wohn- und Repräsentationshaus. Zimmer: 269, Lage: hoch über dem Baldeneysee, umgeben von einem Park, in den er per Pferdekutschen bereits riesig ausgewachsene Bäume ankarren ließ; Kosten: Frag besser nicht. Doch anders als König Ludwig II., der sein Traumschloss (Baubeginn: 1869) aus Bayerns Staatskasse mitfinanzieren ließ, zahlte Krupp mittels selbst erwirtschafteter Erträge aus seinen legendären Gussstahlfabriken.

Der SZ Kultursalon fand im Herzstück, dem Wohnzimmer der Villa statt, vor dem Kamin. Der beheizte nie eine gute Stube, war stets Prunkobjekt im 440 Quadratmeter großen, mit Tapisserien ausgestatteten Raum, der überspannt ist von einem gewölbten Glasdach. Seit dem Tod von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach im Jahr 1967 ist die Villa Hügel Teil der nach Alfried benannten gemeinnützigen Stiftung. In diese überführte er mit testamentarischer Verfügung sein gesamtes Vermögen und das der Familienfirma. In einem Teil der Villa ist heute ein Museum untergebracht. Die Privaträume, zu denen auch das Wohnzimmer zählt, sind nur gelegentlich bei Führungen und den raren Veranstaltungen im Hause zugänglich.

Für die Krupp-Stiftung herrschen aktuell bewegte Zeiten. Kürzlich hat sie bekanntgegeben, sich noch einmal eingehend mit der Rolle ihres Gründers in der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Der Name Krupp ist nach wie vor fest verbunden mit der Rüstungsindustrie. Und wenige hundert Kilometer Luftlinie von Deutschland entfernt tobt wieder ein Krieg. Zudem durchlebt die Stiftung in den vergangenen Jahren große finanzielle Herausforderungen, weil entsprechende Dividenden-Ausschüttungen des Thyssen-Krupp-Konzerns ausblieben, deren größte Anteilseignerin sie ist.

Die Stiftung fördert Kultur, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Bildung und Sport. Seit Bestehen flossen laut deren eigenen Angaben mehr als 150 Millionen Euro allein in die Kulturförderung. Im Jahr 2020 unterstützte man in Summe mit fünf Millionen Euro sämtliche Bereiche - bei null Einnahmen. Anlass zur Beunruhigung sei das nicht, erklärte Volker Troche, der Mitglied des Vorstands der Stiftung ist, und der an diesem Abend die Gäste des SZ Kultursalons begrüßte. "Es gab in der Vergangenheit immer wieder solche Jahre. Doch unsere Programme sind häufig als Anschub für Projekte gedacht", sagte er, sie würden eben nur ausgezahlt, wenn möglich. Das Museumskuratoren-Stipendium wiederum, das auch Franziska Kunze erhalten hat, gehöre zum Kernengagement der Stiftung und sei keinesfalls gefährdet.

Die Stiftung ist selbst auch Hüterin eines besonderen Kunstschatzes. Sie besitzt ein gewaltiges Fotoarchiv. Es spielt eine zentrale Rolle in einem heftigen Streit, der derzeit im Ruhrgebiet zwischen Essen und Düsseldorf ausgetragen wird. Beide Städte konkurrieren um die Ansiedlung eines neu zu gründenden Bundesinstituts für Fotografie - vergleichbar mit dem bereits existierenden Literaturarchiv in Marburg. Volker Troche, der schon seit 20 Jahren bei der Krupp-Stiftung tätig und selbst kunstbegeistert ist, focht an diesem Abend freilich mit Verve für Essen als Standort.

Zu den Gästen, die auf der Terrasse der Villa diesen Salon noch ausklingen ließen, zählten aber nicht nur zahlreiche Museumsleute wie vom Folkwang, dem Kunstpalast oder den Museen Recklinghausen. Gekommen waren auch Ursula Gather, die Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, die an diesem Tag Geburtstag feierte, der Essener Bürgermeister Rudolf Jelinek - und ein Herr im Zylinder, der aussah, als sei er aus einem der Familienfotos der Krupps entstiegen. Leif Simer ist ein Instagram-Star der Vintage-Szene und kleidet sich auch im Alltag stets und zum Großteil in Originalmode der Jahrhundertwende.

Eine Münchner Galeristin und ihre Großmutter Bertha

Der umschwärmteste, wenngleich ein ganz still-zurückhaltender Gast des Abends, war Carol Johnssen, die mit ihrem Sohn Philipp gekommen ist. In München kennt man sie als Galeristin. Was viele nicht wissen, sie hat in ihrer Kindheit viel Zeit in der Villa Hügel verbracht.

Sie ist die Schwester von Eckbert von Bohlen und Halbach, die Villa Hügel war also das Wohnhaus ihrer Eltern, und anders als viele andere Mitglieder der Krupp-Familie hadert sie offenbar nicht mit Alfrieds Entscheidung, das Vermögen gestiftet zu haben. "Ich habe hier so viel Schönes erlebt", sagt sie. "Wir haben mit meiner Oma Bertha Menuett im großen Saal getanzt. Ich habe die schönsten Konzerte gehört. Und ich habe miterlebt, wie für Haile Selassie ein riesiges Bankett gegeben worden ist."

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