SZ-Kostprobe:Noch ein paar Korrekturen

SZ-Kostproben-Autorin Gertrude Fein war wieder unterwegs: Diesmal im Onassis in Gräfelfing.

Gertrude Fein

An erster Stelle der "Soziologie der Feinschmecker" von Brillat-Savarin stehen die Finanziers: "Dies sind die Helden der Feinschmeckerei; Helden im wahrsten Sinne, denn es gab heiße Kämpfe, und die Hocharistokratie hätte die Finanzleute unter ihren Titeln und Wappen begraben, hätten diese sich nicht mit ihren Geldschränken, aber auch mit opulenten Tafeln verteidigt."

Aristoteles Onassis, Beruf Tankerkönig, war so ein Finanzier, der seine Geldschränke weit öffnete, damit die Tafeln sich bogen unter der Last der kostspieligsten Delikatessen. Die Reichen und Prominenten, die Künstler und die Schönen jener Zeit waren glücklich über eine Einladung zu einem seiner Feste.

Nicht ganz so auserlesen wie auf der Yacht Christina, wenn auch durchaus wohlhabend und ansehnlich, ist das Publikum im ONASSIS in Gräfelfing. Aber kann es auch glücklich darüber sein, bei Onassis zu speisen?

In grauer Vorzeit soll der große Raum an der Pasinger Straße ein Kino gewesen sein, dann beherbergte er eine bayerische Wirtschaft, schließlich das Olympia, dessen Wirt sich dem Ende zu vor allem durch Unfreundlichkeit auszeichnete. Nun sollte alles anders werden: "Olympia im neuen Glanz" verkündete eine Anzeige.

Der Gastraum wurde gekonnt renoviert: dunkle Möbel, ein Klavier mit Teddybär, moderne Leuchten, die allerdings so stark heruntergedimmt sind, dass trotz der Kerzen auf den Tischen das Licht nicht ausreicht, um ohne Gefahr einen Fisch zu essen. Das Personal ist ausgesprochen freundlich, ohne devot zu sein. Laut Rechnung bediente immer Herr Dimitrios, der sein Aussehen verblüffend wechselte, manchmal auch weiblich war.

Der erste Herr Dimitrios empfahl den Hauswein, den er vermutlich noch nie selber probiert hat. Die helle Flüssigkeit, die Wein zu sein vorgab, war praktisch ohne jeden Geschmack, beim roten Hauswein war es nicht viel anders (Schoppen 3,50 Euro). Etwas voller, dafür aber recht süß war der Imiglikos (3,80).

Dieser erste, ernüchternde Eindruck wurde gemildert durch ein duftendes, heißes Fladenbrot mit Knoblauch (1,70) und durch die gelungenen Vorspeisen. Gebratene Zucchini mit Zaziki, Austernpilze von Grill (je 3), Saganaki (panierter Feta, 4,50) oder Zucchini-Puffer (4) waren frisch zubereitet und köstlich. Einen guten Überblick bieten die warmen, gemischten Pikilia - frittiertes Gemüse, gefüllte Weinblätter, Teigtaschen mit Käse und noch einiges mehr.

Sie kosten pro Person sieben Euro, wobei zwei Portionen für vier Leute leicht ausreichen, will man vermeiden, vorzeitig satt zu sein. Auch der fein marinierte Meeresfrüchtesalat - viel Salat und viele Meeresfrüchte, darunter die allgegenwärtige "Meeresfrucht" Surimi - ist als erster Gang fast zuviel (5,90).

Zu den kalten Vorspeisen mussten auch die Suppen gezählt werden. Die hausgemachte Gemüsesuppe und die Tomatensuppe, an einem unwirtlichen Abend als Aufwärmer gedacht, kamen gerade mal lauwarm an. Dass in der griechischen Küche die Gerichte meist nicht genügend heiß sind, weiß jeder, der einmal in Griechenland war. So gesehen ist das Onassis typisch.

Auch die gut bestückte Fischplatte mit Calamari, Scampi und einem Fischfilet (15,50), die "Variationen von Scampi und Calamari'' (13) sowie die zarten, schnuckeligen Calamari (11,50) verloren auf den kalten Tellern schnell ihre Wärme. Und das Stifado, Kalbfleisch mit Zwiebeln, war in der Tat nach ,,griechischer Art'' zubereitet: lauwarm und zu lange geschmort (10,70). Aber vielleicht fühlen sich viele Gäste gerade deshalb hier wohl, weil sie sich wie im Urlaub vorkommen.

Es gab auch einiges zu loben, so beispielsweise das Lammfilet mit gebackenen Kartoffeln (12,50) und besonders die dünnen, mit Käse gefüllten Fleischrouladen am Spieß (9,90). Bei den Gerichten hatte es der Koch geschafft, das Fleisch genau zum richtigen Zeitpunkt vom Feuer zu nehmen.

Dort liegt das Problem der Küche. Das Fleisch war immer von guter Qualität, meist aber wurde es so lange gebraten oder gegrillt, bis es hart und trocken war. Was hat der Gast davon, wenn ihm auf dem Grillteller (14,50) ein Berg von Fleisch - Lammkotelett, Souflaki, Schweinemedaillons und Gyros - vorgesetzt wird, der auch den besten Zähnen Widerstand entgegensetzt?

Beim Dorfteller (12,50) waren wenigstens die zwei Schnitzelstücke einigermaßen weich, Gyros und Souflaki dagegen halb tot gebraten. Eine Dame am Nebentisch brachte es auf den Punkt: "Aus dem schönen Fleisch hätte man wirklich mehr machen können." Es würde sich empfehlen, eine versierte Kraft an Pfannen und Grill zu postieren, die darüber wacht, dass dem guten Material nicht der Garaus gemacht wird.

So eine Hilfe hätte allerdings bei der Lammkeule in Rosmarinweinsoße (12,50) auch nichts mehr ausrichten können. Das völlig zerkochte Fleisch bestand aus zähen, langen Fasern und hammelte penetrant, so dass sich die Frage stellte, wie lange dieses Lamm wohl auf der Weide hatte grasen dürfen.

Ganz glücklich verließen wir das Onassis also nicht, aber auch nicht ohne Hoffnung, denn mit ein paar kräftigen Korrekturen könnte ein gutes Restaurant daraus werden. Sympathisch ist es schon.

ONASSIS, Gräfelfing, Pasinger Straße 12, Telefon 89 86 75 49. Geöffnet täglich von 11.30 bis 14.30 und von 17.30 bis Mitternacht.

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