Katias Lachen ist im Treppenhaus zu hören. Sie spielt mit zwei Nachbarsmädchen, der Pferdeschwanz wippt, wenn die Achtjährige die Treppenstufen hinaufrennt. Ihre Mutter sitzt ein Stockwerk über ihr auf dem Sofa in ihrer Wohnung im Münchner Westen. Ashtar Hassan (alle Namen geändert) hat sich die Hausschuhe ausgezogen, sie ist barfuß und zieht die Füße hoch, um ihre Geschichte zu erzählen. Doch immer wieder hält die 31-Jährige inne und lauscht. Lauscht, was ihre Tochter macht. Denn Ashtar Hassan kann ihre Tochter nicht alleine lassen, sie kann ihr nicht so viel Freiraum geben, wie es andere Eltern bei Zweitklässlern machen.
Katia hat Diabetes, in einer schweren Ausprägung. Ihre Werte müssen regelmäßig kontrolliert werden, mehrmals am Tag muss sie gespritzt werden. Sonst wird ihr schummrig, sie fällt um oder sie krampft. „Sie glauben nicht, was ich alles schon gesehen habe“, sagt Asthar Hassan.
Für die Mutter bedeutet das: Sie muss immer in Katias Nähe sein. Vormittags bleibt sie in ihrer Wohnung und stürmt los, wenn die Lehrerin anruft, dass das Messgerät bedenkliche Werte anzeigt. Dann steigt sie sogleich in den Bus, die Spritze in der Tasche. Mittags holt sie das Mädchen von der Schule ab, fährt mit ihr zur Nachmittagsbetreuung bis nach Freiham, in Pasing hat es keinen geeigneten Platz für Katia gegeben. Am Nachmittag holt sie ihre Tochter dort wieder ab. „Es ist mir oft langweilig“, sagt Asthar Hassan. „Ich kann nichts machen, mich nicht weit von der Wohnung entfernen, dabei würde ich so gerne arbeiten.“ Ihr Mann hat einen Job bei Hermes, er ist meist den ganzen Tag unterwegs. Doch das Geld reicht nicht, die Familie ist auf Bürgergeld-Leistungen angewiesen, dabei würde sie das gerne vermeiden.
Die Eltern wollten so vieles, als sie vor fast zehn Jahren ihr Leben in München neu begannen, doch es kam anders. Sie gehören den Jesiden an, einer Minderheit im Irak. 2015 floh Ahmed Hassan vor der Verfolgung durch den IS, ein Jahr später konnten endlich seine Frau und sein kleiner Sohn nachkommen. Wenig später kam Katia auf die Welt. Doch eine Wohnung fand die Familie jahrelang nicht; sie lebten in Notunterkünften, zu viert in einem Zimmer. Und dann, vor zwei Jahren, erkrankte Katia.
Ashtar Hassan musste ihren Deutschkurs abbrechen; sie würde so gerne als Friseurin oder Betreuerin in einem Kindergarten arbeiten, doch bislang klappte das nicht. Im Frühjahr konnte die Familie immerhin in eine geräumige Sozialwohnung ziehen; sie fühlen sich sehr wohl, die Kinder haben Freundschaften geschlossen und die Situation hat sich ein wenig entspannt. „Jetzt wecke ich nicht mehr alle auf, wenn ich nachts das Licht anmachen und Katia versorgen muss“, sagt die Mutter.
Doch die Wohnung konnten sie nur notdürftig einrichten. Die Schranktüren in der Küche sind kaputt, es fehlen Möbel, ein Teppich. Die Geschwister hätten so gerne Fahrräder wie die Nachbarskinder, die Eltern einen Computer. Doch dafür reicht das Geld nicht. Zweimal haben sie schon Anträge gestellt, damit Katia eine Schulbegleitung bekommt. Doch erfolglos, sie wurden abgelehnt. Ashtar Hassan muss weiterhin immer in Katias Nähe sein.
So können Sie für die Familie von Ashtar Hassan und andere bedürftige Menschen in München spenden:
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