SZ Gute Werke:Plötzlich schossen sie ihm ins Gesicht

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Ali Delpasand und seine Frau setzen sich nun von München aus für die Menschenrechte in ihrer Heimat ein. (Foto: Lisa Sonnabend)

Ali Delpasand und seine Frau demonstrierten in Iran für Menschenrechte, als plötzlich Schergen des Regimes auf sie zielten. Ihnen gelang die Flucht, nun kämpfen sie von München aus weiter.

Von Lisa Sonnabend

Ali Delpasand hörte den Schrei seiner Tochter, als die Kugeln sich in sein Gesicht bohrten. Das Mädchen saß auf der Rückbank des Autos, musste mitansehen, wie erst ihr Vater, dann ihre Mutter getroffen wurde. Die Familie nahm an jenem 15. November 2022 an einer Demonstration nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in Iran teil. Die 22-Jährige war nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei in Haft gestorben. Die Wut darüber war im ganzen Land groß. Mit ihrem Auto fuhren Ali Delpasand, seine Frau und seine Tochter im Protestzug mit, als Schergen des Regimes plötzlich schossen. Ali Delpasand sitzt auf dem Sofa in seiner Wohnung im Münchner Stadtteil Ramersdorf und wischt auf seinem Handy, bis er die Bilder gefunden hat: Zu sehen ist sein Gesicht, entstellt und blutüberströmt. Dann ein Porträt seiner Frau, Verletzungen am Auge und an der Stirn. Und ihr graues Auto – die Türen von zig Kugeln durchsiebt.

Andere Demonstrierende halfen ihnen, sich vom Tatort zu entfernen. Über einen Freund fanden sie ein Krankenhaus, das bereit war, sie zu behandeln. Ali Delpasand wurde mehrmals operiert, auf einem Auge erblindete er. Dann tauchte die Familie unter und floh, zu groß war die Gefahr, dass sie festgenommen würde. Nach einigen Monaten in der Türkei gelang es dem Verein Munich Circle in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden, sie nach München zu holen.

Das alte Leben hatten sie hinter sich lassen müssen, ein neues Leben begann. Statt in ihrem großen Haus mit Garten leben sie nun in einer kleinen Wohnung, die Eltern schlafen im Wohnzimmer, da nicht genug Platz ist. Sie arbeiten nicht mehr als Buchhalterin und Apotheker, sie haben nun jeden Vormittag Deutschkurs. Derzeit sind sie auf Unterstützung angewiesen. Früher haben sie gerne Kulturveranstaltungen besucht, sie sind gereist, all das würden sie so gerne einmal wieder tun. Doch das Geld fehlt. Dafür sind sie in Sicherheit. „Wir sind froh, hier zu sein“, sagt Ali Delpasand. Seine Frau sitzt neben ihm auf dem Sofa und meint: „Es ist ruhig hier. Schön ruhig.“

Als er im November 2022 in Iran demonstriert, wird Ali Delpasand ins Gesicht geschossen. (Foto: privat)

Doch abzuschließen mit dem, was geschehen ist, ist schwer. Vor wenigen Wochen erst musste Ali Delpasand erneut operiert werden. Noch immer stecken Kugeln in seinem Kopf, die Schmerzen sind oft kaum auszuhalten. Der 45-Jährige kämpft von München aus weiter, setzt sich von hier aus für die Menschenrechte in seiner Heimat ein. Er war im Auswärtigen Amt, um über die Lage in Iran zu sprechen, internationale Fernsehsender haben über sein Schicksal berichtet, er engagiert sich beim Verein Munich Circle, der von München aus versucht, verfolgte Iraner in Sicherheit zu bringen. Auf seinem Instagram-Account veröffentlicht Ali Delpasand Beiträge, um auf sein Schicksal und das Schicksal der vielen anderen aufmerksam zu machen. Mehrere Tausend Menschen folgen ihm.

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Doch Hoffnung, dass sich die Situation in Iran ändert, hat er nicht. „Jeden Tag wird es schlimmer“, sagt er. „Jeden Tag wird jemand hingerichtet.“ Würden sie zurückkehren, wüssten sie nicht, was mit ihnen passiert. In München leben sie nun, so gut es geht, ihr neues Leben. Die Belastung ist groß. „Wir sind erschöpft“, sagt Ali Delpasand. Doch sie sehen auch die positiven Dinge. Ihr zwölf Jahre alter Terrier Bonnie habe wieder ein wenig zugenommen. Ihre Tochter, die in die 5. Klasse geht, sei monatelang ernst und traurig gewesen. Doch nun beginne sie wieder zu lachen.

So können Sie der Familie von Ali Delpasand und anderen Bedürftigen in München helfen:

Per Paypal oder per Lastschriftverfahren unter sz-gutewerke.de/spenden. Mit einer Überweisung an SZ Gute Werke e.V., HypoVereinsbank, IBAN DE 04 7002 0270 0000 0822 28, BIC HYVEDEMMXXX.

Spenden können Sie auch im SZ-Servicepunkt im Kaufhaus Ludwig Beck, Marienplatz 11, Eingang Dienerstraße, 1. Obergeschoss. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr.

Spenden an SZ Gute Werke sind steuerlich absetzbar. Jede Spende wird in vollem Umfang dem guten Zweck zugeführt. Alle Verwaltungskosten trägt der Süddeutsche Verlag. Sachspenden können aus organisatorischen Gründen nicht entgegengenommen werden.

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