SZ-Diskussion mit OB-Kandidaten:"Auch wenn es ein bissl Geld kostet"

Video

SZ-Diskussion mit OB-Kandidaten

Hochhäuser zum Wohnen? Gewagte Konzepte internationaler Architekten? Vier OB-Kandidaten diskutieren auf dem SZ-Podium darüber, ob München mehr Mut braucht. Beim Thema Kinderbetreuung schießt Reiter eine Spitze gegen Parteifreund Ude ab.

Von Marco Völklein

Luise Kinseher fühlt sich wohl auf der Schwanthalerhöhe: Viele Handwerker und Läden ums Eck, "eine wunderbare Mischung", wie die Kabarettistin am Mittwochabend bei der SZ-Diskussion in den Kammerspielen berichtete. Aber: Es verändert sich etwas, nicht nur im Westend. "Das ganze Glockenbach schreit auf: Wir wollen hier auch noch leben", rief Kinseher. Mittlerweile sei München "ein einziges Investitionsobjekt für globale Unternehmer, die hier gar nicht wohnen und leben." Was also tun? Diese Frage richtete sie an die OB-Kandidaten auf dem Podium.

Man müsse die "rechtlichen Instrumente nutzen", befand Dieter Reiter (SPD) - Erhaltungssatzung, Umwandlungsverbot. "All das haben wir zur Hand, man muss es nur anwenden." Zudem müssten Grünflächen erhalten und der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Deshalb wolle er den Schritt machen "vom Verwalter zum Gestalter", vom gelernten Verwaltungsfachwirt zum Oberbürgermeister.

Sein CSU-Kontrahent Josef Schmid hielt ihm die Beispiele Pilotystraße und Müllerstraße vor, in denen die Stadt jahrelang Wohnungen leer stehen ließ. Dort müsse man rasch eine "Grundsanierung durchführen und nicht die teurere Variante", um günstigen Wohnraum zu erhalten. "Da hat die Stadt eine besondere Rolle", so Schmid. Zudem müsse sie ihre Grundstückspolitik überdenken und nicht wie in der Müllerstraße 7 Boden zu Höchstpreisen verkaufen.

FDP-Kandidat Michael Mattar wollte nicht nur günstigen Wohnraum erhalten, viel wichtiger sei es, neue Wohnungen zu bauen. Daher müsse die Stadt schneller sein. "Bislang blockieren sich sieben Referate gegenseitig, ein Bebauungsplan dauert vier, sechs Jahre." Zudem müsse die Stadtplanung mutiger werden. Die große Fläche gegenüber dem O2-Tower am Georg-Brauchle-Ring etwa sei ursprünglich mal als Standort für neue Hochhäuser vorgesehen gewesen. Nun will die Stadt dort einen neuen Busbetriebshof errichten. Für Mattar eine "städtebauliche Sünde".

"Wir sind da bislang nicht mutig genug"

Wohnhochhäuser allerdings, wie von SPD-Mann Reiter in der Vergangenheit angedacht, schloss die grüne Kandidatin Sabine Nallinger aus. Alleine wegen der gesetzlich vorgegeben Abstandsflächen sei ein solches Projekt in München wirtschaftlich nicht tragfähig. "Eine qualitativ hochwertige Architektur" allerdings vermisst sie in München. "Das ist nur Mittelmaß", befand Nallinger - und stimmte damit auch dem Architekten Uwe Kiessler zu, der erklärte, dass "die Münchner Schönheit nur einen Bruchteil der Stadtfläche umfasst".

Auch Reiter wünschte sich, das künftig mehr internationale Architekten in München wirken können. "Wir sind da bislang nicht mutig genug." Sein CSU-Kontrahent Schmid hielt ihm vor, dass in Kürze eine "weitere Nagelprobe" anstehe: Für das riesige Neubaugebiet in Freiham etwa habe ein Amsterdamer Büro einen Entwurf vorgelegt, der die üblichen Riegelbaufelder auflöse. "Allerdings sind schon wieder Tendenzen da, dass die Verwaltung diese Vorschläge auflöst", erklärte Schmid.

Beim Streitthema Kinderbetreuung fragte die Mutter und ehemalige Neon-Chefredakteurin Vera Schroeder, warum es keine zentrale Internetseite der Stadt gebe, über die die Kita-Plätze vergeben werden. "Die Lage ist katastrophal", sagte Schroeder. "Warum müssen Mütter und Väter innerhalb von fünf Jahren dreimal diesen Marathon machen?"

Dauerbrennerthema marode Stadtkliniken

Das sei in der Tat unverständlich, gab ihr CSU-Kandidat Schmid Recht. Seine Partei habe den Vorschlag bereits 2007 unterbreitet. Das sei aber aus "pädagogischen Gründen" abgelehnt worden: Die Eltern sollten sich die einzelnen Betreuungsangebote ansehen können. Da war sich die Runde rasch einig, ein solches Angebot rasch einrichten zu wollen. Selbst Reiter sagte eine Umsetzung zu - und schoss dann eine scharfe Spitze gegen den Amtsinhaber Christian Ude (SPD) ab: "Es wird Zeit, dass die Stadt endlich einen OB bekommt, der sich in dieser Verwaltung auskennt."

Beim Dauerbrennerthema marode Stadtkliniken hielten Schmid und Mattar der derzeitigen rot-grünen Stadtregierung ihre Versäumnisse vor. Eine "unfähige Geschäftsführung", die oft "nur nach Parteibuch besetzt" worden sei, habe über Jahre vor sich hinwursteln dürfen, ohne dass die Stadtspitze eingegriffen habe. Auch Nallinger räumte ein, dass "bei den Kliniken nicht alles wirklich rund lief". Künftig müsse "mehr Fachkompetenz" in den Spitzengremien vertreten sein.

Reiter versprach in dem Zusammenhang, die Sanierung des städtischen Klinikums werde "nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen" und "ohne betriebsbedingte Kündigungen" ablaufen. Bei den Stadtwerken, die vor langer Zeit vor einem ähnlichen Problem gestanden hatten, habe man die Sache ja auch in den Griff gekriegt. FDP-Kandidat Mattar indes warnte, die EU werde eine Dauersubvention durch die Stadt nicht billigen - daher sei es angebracht, über eine Privatisierung nachzudenken. Dagegen aber verwahrte sich Reiter: Eine städtische Grundversorgung gehöre zur kommunalen Daseinsvorsorge - "auch wenn es ein bissl Geld kostet".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: