Im Rahmen der "Coaches' Challenge" haben die Dr.-Ludwig-Koch-Stiftung und die Süddeutsche Zeitung seit Anfang März besonders engagierte Übungsleiter gesucht. Die zwölf von der Jury ausgewählten Preisträger, bei deren Finanzierung die Münchner Stiftung die Vereine nun ein Jahr lang unterstützt, werden aktuell in der SZ vorgestellt. Hier Teil sechs: Nina Stambrau.
Nina Stambrau war Leistungssportlerin, das merkt man schnell, wenn man heute mit ihr über Hockey spricht. Ihr sportlicher Ehrgeiz transportiert sich auch über den Telefonhörer. Etwa wenn sie auf die Frage, was ihre schönste Erfahrung als Jugendtrainerin war, antwortet: "Ganz ehrlich, gewonnene Spiele. Davon kann ich mich nicht ganz frei machen, da bin ich zu leistungsorientiert. An die Siege denke ich wirklich sehr gern zurück."
In ihrer Jugend sei der Sport ihr Lebensmittelpunkt gewesen, sagt Stambrau. "Natürlich bin ich zur Schule gegangen, habe studiert, aber meine Freizeit und meine Freunde, das hatte ich alles beim Hockey." Mit Nachnamen hieß sie noch Kramer, als sie für Eintracht Frankfurt in der Bundesliga spielte und mit der Nationalmannschaft 2002 an der WM in Australien teilnahm. "Das Ergebnis ist leider nicht so gut ausgefallen", fügt sie selbstkritisch hinzu. "Wir sind nur Siebte geworden, was für deutsche Verhältnisse wirklich nicht gut ist." Später folgte sie ihrem Mann Fabian Stambrau, der ebenfalls in der Bundesliga Hockey spielte, nach München. Hier beendete sie auch ihre aktive Laufbahn beim traditionsreichen Münchner SC, um anschließend als Unternehmensberaterin zu arbeiten.
Zum Hockey sei sie dann erst wieder durch ihre Kinder gekommen. Ihr ältester Sohn habe beim Hockey- und Tennisclub (HC) Wacker München mit dem Sport angefangen, erzählt Stambrau, und als ein Trainer für dessen Mannschaft gesucht wurde, habe sie sich bereit erklärt, die Aufgabe zu übernehmen. "Ich habe mir gedacht, ich bin sowieso mit meinem Sohn auf dem Platz, dann kann ich ja auch die Mannschaft trainieren. Und die Spieltage am Wochenende, das bekomme ich auch hin." Mehr als fünf Jahre ist das nun her. Aktuell betreut Stambrau die männliche U10 und U12 und gibt zu, dass sie den Aufwand zunächst unterschätzt habe. Die Vor- und Nachbereitung der Trainings, die Spieltage und die Kommunikation mit den Eltern, das sei eine Menge Arbeit. "Ich bereue allerdings überhaupt nicht, dass ich den Schritt gewagt habe."
Stambrau verfolgt einen Bildungsauftrag
Und ihre Arbeit ist von Erfolg gekrönt. Mit ihrer von Empathie geprägten und dennoch leistungsorientierten Trainingsform habe Stambrau die Jungs zu einem leistungsstarken Team geformt, sagt Katrin Backhaus, die die weibliche Jugendhockey-Sparte bei Wacker leitet. "Dies führte in den letzten Jahren zu zahlreichen Turniersiegen auf dem Feld und in der Halle", freut sich Backhaus.
Die Corona-Pandemie hat dann auch Stambrau vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Bemerkenswerterweise betont sie jedoch, dass die Kleingruppen- und Einzeltrainings einigen ihrer Spieler sogar gut getan hätten. "Dadurch, dass die Kinder mehr Aufmerksamkeit bekommen haben, konnten sie sich mehr zeigen. Und sie wachsen einem tatsächlich in der Zeit noch ein Stück mehr an Herz." Insbesondere der Herbst sei intensiv gewesen, obwohl die Jungs im Training stets Abstand zueinander halten mussten. "Wenn die Kinder mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen vor einem stehen und so dankbar sind, dass man sie über den Platz scheucht, dann ist das sehr schön."
Das zeigt, zu Stambraus Selbstverständnis als Jugendtrainerin gehört mehr, als ihre Schützlinge sportlich zu fördern. Sie verfolgt bei Wacker auch einen Bildungsauftrag. "Genauso wie Erzieher und Lehrer sind wir Bezugspersonen", sagt sie. "Wir können Kinder in dem Alter noch formen." Daher sei sie durchaus streng mit den Jungs, wenn es um deren Disziplin und Sozialverhalten gehe. Die Kinder müssten früh lernen, Wettkämpfe mit fairen Mitteln zu führen und Niederlagen zu verkraften. Eine Maxime leitet Stambrau bei alldem: "Ich überlege immer, wie möchte ich denn, dass jemand mit meinen Kindern umgeht."
15 000 Euro für den Verein Zeltschule haben sie bei einem Benfizturnier gesammelt
Und dann ist da noch die Sache mit dem Benefizturnier, das Wacker im Oktober 2019 unter dem Slogan "Mia fia eich" veranstaltete, um Geld für den Verein Zeltschule zu sammeln. Dieser wurde von der Münchnerin Jacqueline Flory gegründet und errichtet Schulen für syrische Kinder in Flüchtlingslagern im Libanon. Nina Stambrau gehörte zu den Organisatoren des Turniers und erklärt: "Die Mutter eines Kindes war bei der Zeltschule aktiv und sagte, ,es ist Wahnsinn was die machen'. Zum anderen wollten wir bei Wacker auch mal ein Turnier organisieren, und so haben wir diese beiden Ideen verbunden." Das Turnier wurde ein großer Erfolg, mehr als 15 000 Euro kamen zusammen und wurden der Zeltschule übergeben.
Stambrau sagt, das Engagement verdeutliche den besonderen Zusammenhalt im Hockeysport. "Wir sprechen ja immer von der Hockeyfamilie. Auch als ich noch Bundesliga gespielt habe, war das so." Man kenne sich in ganz Deutschland, und fange sich, wenn nötig, gegenseitig auf. "Wir wollten ein Zeichen senden, dass Vereine, die sonst nur in Konkurrenz zueinander stehen, für ein gemeinsames Ziel Tore schießen."
Bisher erschienen: Miriam Storch, BC Hellenen, Basketball (3.5.); Yusuf Güngörmüs, SC Arcadia Messestadt, Judo (6.5.); Mahmoud Nasser, Bewegung und Spiel e.V., Fußball/Ballsport (8.5.); Carl Eggert, TuS Obermenzing, Hockey (10.5.); Daniel Valin da Silva, Urucungo e.V., Capoeira (11.5.)