SZ-Adventsserie: Beflügelt:Musik für den Himmel

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(Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München)

Paul Klee hat den "Erzengel" einer tödlichen Krankheit abgerungen

Von Johannes Korsche

Paul Klees letzte Lebensjahre müssen schlimm gewesen sein. 1933 vertrieben ihn die Nationalsozialisten von der Düsseldorfer Akademie, einer der bedeutendsten Künstler der Klassischen Moderne galt ihnen als "entartet" und "politisch unzuverlässig". Klee floh in die Schweiz, in seinen Geburtskanton Bern. Dort angekommen, plagten ihn von 1935 an Symptome einer seltenen, noch heute unheilbaren Krankheit, der Sklerodermie. Das Malen fiel Klee von da an immer schwerer. Bei der Krankheit verdickt sich zunächst die Haut der Finger und wird starr. Schon das Pinselführen bedeutet schmerzhafte Anstrengung. "Er wusste, es führt zum Tod", sagt Annegret Hoberg, Sammlungsleiterin Blauer Reiter und Kubin-Archiv im Lenbachhaus, als sie im Klee-Saal des Lenbachhauses steht.

Während Klee immer mehr zum Gefangenen seiner Krankheit wird, kündigt sich in Europa der Zweite Weltkrieg an. Es rieche schon "bedenklich nach Leichen", soll er 1933 gesagt haben. "Die Klugen wussten ja, was kommt", so Hoberg. Und trotz all der Gründe zum Verzweifeln: In seinen letzten drei Lebensjahren malt Klee wie ein Besessener. Etwa 2000 Werke ringt er seinem Körper zwischen 1937 und 1940 ab.

Ein Motiv taucht in den Bildern immer wieder auf: Engel. Der "Erzengel", 1938, in der Dauerausstellung "Blauer Reiter" ausgestellt, sei ein "besonders schönes" Beispiel aus der Zeit, findet Hoberg. Die schwarzen, runenhaften Zeichen, scheine es, schwebten vor dem Regenbogen im Hintergrund. Hoberg erkennt in der Bildmitte ein Gesicht, über dem ein christliches Zepter nach oben deutet, in jenen Raum, der jenseits des Bildes liegt. Andere mögen sich daran erinnern, dass Paul Klee ein talentierter Violinist war und die geschwungenen Formen eher als "F-Löcher" eines Streichinstruments und angedeutete Notenschlüssel lesen. Die Bildmitte zeigt sodann eine Geige: Aus dem Mund wird ein Geigen-Steg, die Nase zum Geigen-Hals. Wer so vor dem "Erzengel" steht, denkt an die außerweltliche Wucht der Musik. Wie der Pfeil, der über der Geige schwebt, vermag Musik auf einen Raum außerhalb zu deuten.

So oder so, letztlich sehen beide ein ähnliches Prinzip auf der Leinwand, und vielleicht liegt in dieser Klarheit auch die Brillanz großer Kunst: die Gleichzeitigkeit von irdischer Repräsentanz und transzendenter Existenz. So wie auch ein Engel, wie es Hoberg formuliert, "nicht von dieser Welt ist, aber doch eine irdische Gestalt hat".

Als Adventskalender erzählt die Stadtviertel-Redaktion Münchner Engels-Geschichten. Am Dienstag: die Engelsloge in der Oper.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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