Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Licht im Dunkel

Nevabka D. ist blind. Als sie ihr Appartement verliert, muss sie in eine Wohnungslosenunterkunft der Stadt ziehen.

Von Andrea Schlaier

Dass Samir heute seine schwarze Jogginghose mit dem großen AC/DC-Schriftzug trägt, entgeht Nevabka D. Wie auch, sie erkennt ihren Mann gerade mal an der Stimme. Aber, dass die Sonne durch die große Scheibe ins Zimmer scheint, das kriegt die 49-Jährige sehr wohl mit. "Licht kann ich sehen und ich freue mich, wenn es mal nicht so dunkel ist." Sie ist von Geburt an nahezu blind. Das Leben in der Wohnungslosenunterkunft der Stadt ist für sie eine Herausforderung.

Wie es dazu kam, dass die gebürtige Bosnierin vor drei Jahren ihre Bleibe verloren hat, ist nicht wirklich nachvollziehbar und aufgeklärt, sagen sie vom sozialpädagogischen Fachdienst im Claeringhaus, in dem Nevabka D. inzwischen wohnt. Fest steht nur, dass sie 2019 von einem Aufenthalt in Bosnien nach München zurückkommt und erfährt, dass sie nicht weiter in ihrem Appartement bleiben kann. "Man sagte mir, wegen eines Wasserschadens muss ich ausziehen. Ich konnte das nicht glauben." Aber mit eigenen Augen konnte sie sich auch nicht davon überzeugen.

Was folgt, ist ein Hürdenlauf. In die Notunterkunft der Stadt, in die sie zuerst verlegt wird, zieht sie mit ihrem Mann Samir ein, den sie 2019 in Bosnien geheiratet hat. Ohne ihn käme sie kaum vom Zimmer zur Toilette und in die Küche, die in der Gemeinschaftsunterkunft in Berg am Laim weiter entfernt vom Schlafraum des Paares liegen. "Ich hänge mich ein und er führt mich." Im Haus herrscht Trubel, die Orientierung fällt der kleinen Frau schwer. Seit Kindertagen leidet sie auch an einer Gleichgewichtsstörung und muss Spezialschuhe mit dicken Sohlen tragen.

Wie's aussieht, klappt es noch vor Weihnachten mit dem Umzug in eine eigene Wohnung

Mit neun Jahren brachten ihre Eltern sie nach Sarajewo in ein Blinden-Internat, wo das Mädchen lebte, bis zum Ausbruch des Jugoslawienkrieges. "Mein Vater hat mich dann nach Hause geholt", erzählt sie. Mit Zwischenstopp über Slowenien floh die Familie nach München. "Ich bin hier dann auch noch in die Schule gegangen und habe eine Ausbildung als Korbbinderin gemacht." Zunehmend quälend sei die Arbeit gewesen, weil sie die starken Schmerzen in den Füßen so plagten. Die junge Frau war oft krankgeschrieben. "Nach acht Jahren habe ich meinen Arbeitsplatz verloren." Die Eltern kehrten später wieder in die Heimat zurück, die junge Frau blieb. Zunächst in einem Giesinger Wohnheim, dann in der eigenen Wohnung, aus der sie 2019 raus musste.

Seit diesem Sommer wohnt Nevabka D. mit ihrem Mann in einem Clearinghaus im äußersten Osten der Stadt, also einer städtischen Einrichtung für diejenigen wohnungslosen Menschen, die besonders gute Voraussetzungen für einen schnellen Weg zurück in ein reguläres Mietverhältnis haben. Und wie's aussieht, klappt es nach drei Jahren ohne eigene Wohnung noch vor Weihnachten mit dem Umzug in ein neues, eigenes Heim.

Was das Paar nicht hat, sind Ersparnisse und Möbel. Nevabka D. erhält Unterstützung vom Bezirk Oberbayern und Blindengeld, ihr Mann bezieht Hartz IV. Alles in allem müssen die beiden mit 1600 Euro monatlich über die Runden kommen. Geld für Schrank und Tisch könnten sie gut brauchen, sagt sie. "Und Licht ist für mich wichtig in der neuen Wohnung."

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