SZ-Adventskalender:Ein Platz, um zur Ruhe zu kommen

SZ-Adventskalender: Im Kontaktladen von ConAction steht auch ein Kicker. Die jungen Menschen kommen zu Svenja Schürmann, wenn sie Probleme mit den Hausaufgaben oder den Behörden haben.

Im Kontaktladen von ConAction steht auch ein Kicker. Die jungen Menschen kommen zu Svenja Schürmann, wenn sie Probleme mit den Hausaufgaben oder den Behörden haben.

(Foto: Robert Haas)

ConAction ist eine Anlaufstelle für drogensüchtige Jugendliche. Häufig kommen sie, weil sie einen Platz zum Schlafen brauchen. Aber diese Arbeit ist von Spenden abhängig.

Von Laurens Greschat

Bunte Stühle. An der Wand hängt ein Flatscreenfernseher samt Nintendo Switch und einem Mikrofon für das Spiel Singstar. Ein Kicker. Wären da nicht der Erste-Hilfe-Kasten, der unübersehbar in der Mitte des Raumes hängt, oder die milchigen Fenster, die vor neugierigen Blicken schützen sollen, und auf denen in dicken blauen Lettern das Wort Streetwork steht, könnte man denken, man steht in einem Jugendhaus. Aber die Einrichtung in der Münchner Innenstadt ist mehr als das. Sie ist eine Anlaufstelle für drogensüchtige Kinder und Jugendliche. Sie kommen zu ConAction, wenn sie Probleme mit den Hausaufgaben oder den Behörden haben. Sie kommen, wenn sie ihre Kleidung waschen oder etwas essen müssen. Und manchmal kommen sie, weil sie einen Platz zum Schlafen brauchen. Dann wenden Sie sich an Svenja Schürmann, 28, die Leiterin des Kontaktladens.

Svenja Schürmann trägt die blonden Haare in einem Zopf und eine runde Brille. In einer grünen Aktenablage hinter ihrem Bürotisch liegen Mullbinden. An der Wand hängt das Bild eines weinenden Auges. Eine Träne fällt auf eine rote Tulpe und rinnt langsam an den Blütenblättern auf das Wahrzeichen Münchens herab, die Türme der Frauenkirche. Gemalt hat es einer ihrer Klienten, wie die Kinder und Jugendlichen hier genannt werden. Obwohl das Bild noch vor Svenja Schürmanns Zeit entstand, lässt sie es hängen. Es sei wichtig für die Jugendlichen zu sehen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Das baue das Selbstvertrauen auf. "Wir wollen den Kindern einfach zeigen: Hey, du kannst was", sagt sie.

Wenn ein Kind nicht weiß, wo es die Nacht verbringen soll, telefonieren Svenja Schürmann und ihre Kollegen mit den Notschlafstellen und anderen Einrichtungen in der Stadt. Sie versuchen, eine Lösung zu finden, damit die Kinder "mal zur Ruhe kommen können", wie Svenja Schürmann es nennt. Und sei es auch nur für ein oder zwei Nächte. Wer lieber auf der Straße schlafen möchte, bekommt zumindest einen warmen Schlafsack und ein Kissen. Plätze in einem Wohnheim oder betreuten Wohnen vermittelt ConAction auch. Aber die sind knapp und begehrt. Es kann vorkommen, dass Klienten erst im fünften oder sechsten Anlauf Erfolg haben, erzählt Svenja Schürmann.

Ein Platz zum Schlafen ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um den Jugendlichen zu helfen

Wer sich tagsüber Gedanken machen muss, wo er die Nacht verbringt, kann weniger Zeit für seine anderen Probleme aufwenden. Ein Platz zum Schlafen sei deshalb eine der wichtigsten Maßnahmen, um den Jugendlichen zu helfen. Schon vorübergehend in einer Notunterkunft zu übernachten, mache einen Unterschied. "Das kennt man ja auch selbst: Wenn man unausgeschlafen ist, kann man sich schlechter um seine Angelegenheiten kümmern", sagt Svenja Schürmann. In manchen Nächten sind die Angebote in der Stadt aber restlos überfüllt. Dann kann Svenja Schürmann nur warme Kleidung, Kissen und Schlafsäcke verteilen. Eine eigene Notschlafstelle hat der Kontaktladen von ConAction nicht.

"Seit Jahren kämpfen wir um eine Notschlafstelle", sagt Patrick Hey. Er arbeitet als Abteilungsleiter für Prävention und ambulante Angebote für Jugendliche und Familien bei dem Verein ConDrobs, dem Träger von ConAction. Der Weg bis dahin sei allerdings noch lang und teuer. Ein Grundstück, Personal und vieles mehr fehle. Und bisher auch der politische Wille. Svenja Schürmann und ihre Kollegen sind von Spenden abhängig. Solange die Kinder nicht vor Ort schlafen können, benötigt die Einrichtung Soforthilfen, die an Sie verteilt werden können, wie Schlafsäcke, Kleidung, Schuhe, Bettzeug und Kissen. Gerade jetzt, im Winter.

Erfolg bedeutet für Svenja Schürmann, "dass die Jugendlichen ihre selbst gesteckten Ziele erreichen"

Die Streetworker warten nicht, bis die Kinder den Laden finden, sie kommen auch zu ihnen. Täglich suchen die Mitarbeiter bekannte Treffpunkte auf, patrouillieren auf der Partymeile und führen Gespräche mit Klienten und unbekannten Gesichtern. Auf einem der Rundgänge fanden Kollegen von Svenja Schürmann vor zwei Monaten einen Mann leblos am Boden liegend. Sie versuchten, ihn zu reanimieren, aber die Hilfe kam zu spät. Er war bereits tot. Erfahrungen wie diese verändern die eigene Definition von Erfolg. Erfolg bedeutet für Svenja Schürmann, "dass die Jugendlichen ihre selbst gesteckten Ziele erreichen", sagt sie.

Wer Hilfe brauche, bekomme sie auch. Wichtig sei nur, dass die Jugendlichen die Hilfe auch wollen. Sie sollen entscheiden, mit welchen Problemen sie sich an Svenja Schürmann und ihre Kollegen wenden. Am eigenen Drogenkonsum arbeiten muss niemand. "Das Angebot kann man in Anspruch nehmen, aber bei uns wird niemand gezwungen", sagt Svenja Schürmann. Das sei wichtig, denn wer unfreiwillig an seiner Sucht arbeiten müsse, werde auch häufiger rückfällig. "Akzeptierende Drogenarbeit", nennt Svenja Schürmann das.

Wer im Internet nach ConAction sucht, findet Geschichten von Menschen, denen die Einrichtung geholfen hat. Wie die von Daniel, der wegen ConAction einen Alkoholentzug begann. Manche melden sich auch nach einigen Jahren. Um sich zu bedanken oder einfach mal wieder zu reden. Wie viele der Jugendlichen ihre Drogensucht in den Griff bekommen, kann Svenja Schürmann aber nicht sagen. Von einer Menge ihrer Klienten hört sie nie wieder etwas. Aber auch das ist für sie ein Erfolg, denn wer es geschafft hat, kommt nicht mehr in den Laden und fragt nach einem warmen Platz für die Nacht.

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