SZ-Adventskalender:So viel Energie, so verletzlich

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Thomas, drei, wünscht sich ein bisschen Platz zum Spielen

Von Florian Fuchs

Die Sache mit der Wohnung geht Thomas nicht mehr aus dem Kopf. Es ist nicht lange her, da war der Dreijährige bei einem Freund zu Besuch und hat dort dessen Zimmer gesehen: ein eigenes Zimmer mit Bett, Schreibtisch, Stuhl und Platz zum Spielen. "Seitdem liegt er mir in den Ohren", sagt Mutter Barbara Ritter (Name geändert). Dabei versucht sie ohnehin schon, eine neue Wohnung mit mehr Platz zu bekommen. "Aber ich kriege einfach keine."

40 Quadratmeter hat die Eineinhalbzimmerwohnung in Neuperlach. Das Schlafzimmer ist neun Quadratmeter groß, mit einem Schrank und einem Bett, das von Wand zu Wand reicht, weshalb man nicht mal richtig zum Fenster kommt. Thomas darf hier alleine schlafen, meistens muss seine Mutter sich aber zu ihm legen, weil er Schlafstörungen hat. Thomas hat ziemlich viel Energie, ständig springt er in dem kleinen Wohnzimmer herum, spielt mit einem kleinen Zug, tollt mit einem Luftballon und ruft immer wieder ein paar Sätze. "Ich bin ,Star Wars'" zum Beispiel, oder auch: "Hast du größere Wohnung?"

Thomas hört schlecht und ist deshalb entwicklungsverzögert. Er spricht inzwischen viel, aber die Sätze klingen manchmal noch ein wenig kryptisch, auch wenn er große Fortschritte macht. Das zweite große Problem für Mutter Ritter ist allerdings, dass bei ihrem Sohn auch eine Thrombozytenstörung festgestellt worden ist: Wenn er sich verletzt, muss er sofort ins Krankenhaus, weil sich die Blutung kaum stoppen lässt.

Die Sache mit den Ohren haben die Ärzte erst spät festgestellt. Ritter hatte schon mehrmals beim Kinderarzt gesagt, dass der Kleine nicht reagiert, wenn sie ruft. Erst als sie ihn in ein Krankenhaus brachte, um eine zweite Meinung einzuholen, stellten die Ärzte fest, dass Thomas nur 20 Prozent Hörvermögen hat. Bei einer Operation haben sie ihm Paukenröhrchen eingesetzt, seitdem ist das Gehör etwas besser. "Am 22. November 2016 war das", sagt Ritter, sie weiß das Datum genau, weil sich bei einem Test vor der Operation auch herausgestellt hat, dass Thomas Bluter ist - der nächste Schock. Ritter muss mit der Situation auch erst einmal klarkommen.

Von ihrem Ex-Freund hat sie sich getrennt, weil er gewalttätig gewesen sei. Auch das ein Grund, warum sie aus der kleinen Wohnung raus will, zu schlimm sind die Erinnerungen. Sie macht deshalb eine Therapie und hat ein Jahr unbezahlten Urlaub genommen in der Bäckerei, in der sie eigentlich arbeitet und in der sie kommendes Jahr wieder anfangen will.

Es bringt Ritter an ihre Grenzen, dass sie ständig wachsam sein muss. Sie muss aufpassen, dass der Dreijährige sich nicht verletzt, was nicht so einfach ist bei so einem Energiebündel. Letztens hat er sich im Bad geschnitten, es blutete heftig. "Ich glaube, da hat er das erste Mal kapiert, was seine Krankheit bedeutet", sagt Ritter.

Ständig trägt sie Unterlagen mit allen Informationen über Thomas mit sich, falls sie spontan ins Krankenhaus müssen. Gleichzeitig muss sie aber auch beim Arzt wachsam sein, einmal zum Beispiel wollte einer Ibuprofen verschreiben. Ritter schaute auf ihre Liste mit verbotenen Medikamenten und sagte: "Aber das darf er doch gar nicht schlucken als Bluter." Und dann ist da noch der Termin im Januar, der ihr Sorgen macht: Es geht wieder um das Gehör von Thomas, vielleicht steht eine zweite Operation an.

Um wenigstens die kleine Wohnung wohnlicher zu machen, will Ritter nun für sich eine Schlafcouch im Wohnzimmer aufstellen und das kleine Zimmer mit einem eigenen kleinen Bett, einem Schreibtisch und einem Stuhl für Thomas ausstatten. Er hätte dann dort auch ein bisschen Platz zum Spielen. Außerdem will sie das Fahrrad reparieren lassen, um wieder Ausflüge mit ihrem Sohn machen zu können.

Ob der Wunsch nach einer größeren Wohnung so bald erfüllt werden kann, ist fraglich, dabei hat Ritter sogar ein Gutachten von einem Arzt, dass dies für Thomas' Entwicklung dringend notwendig wäre. Zum Abschied sagt der Dreijährige: "Bringst du eine größere Wohnung mit?"

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