SZ-Adventskalender:Barriere um Barriere überwinden

SZ-Adventskalender: John A. arbeitet in einem Münchner Hotel.

John A. arbeitet in einem Münchner Hotel.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

John A. und seiner Frau gelang die Flucht vor einer paramilitärischen Organisation in Nigeria. Inzwischen sind sie dabei, sich in München ein selbstständiges Leben aufzubauen. Doch die Mühlen des Asylverfahrens erschweren das.

Von Karin Kampwerth

Deutlicher könnte das Leben den Unterschied nicht aufzeigen. Tagsüber arbeitet John A. in einem schicken Münchner Hotel. Die Gäste, die in dem modernen Gebäude mit der verspiegelten Fassade absteigen, bezahlen pro Nacht um die 200 Euro aufwärts für den "Classic Double Room", 25 Quadratmeter groß, mit Boxspringbett, dickem Teppichflor und Flat-TV. Wenn John A. Feierabend hat, kommt er nach Hause in zwei kleine Zimmer, zusammen nicht viel größer als ein Zimmer im Hotel. Dort lebt der 24-Jährige mit seiner Frau seit 2018. Inzwischen sind die beiden Eltern von zwei Kindern, zwei und vier Jahre alt. Die Küche und die Sanitäranlagen in der Gemeinschaftsunterkunft teilt sich die Familie mit 30 anderen Bewohnern. Doch Neid kennt John A. nicht. Im Gegenteil - er ist auf dem besten Weg, sich ein Leben in Deutschland aufzubauen. Im Juli hat er seine Ausbildung als Hotelfachmann erfolgreich beendet und arbeitet in seinem Beruf. Seine Frau besucht einen fachspezifischen Deutschkurs für Hauswirtschaftsservice, um anschließend eine Ausbildung im Bereich Hauswirtschaft zu machen.

Einer erfolgreichen Integration, so möchte man meinen, steht nichts im Wege. John A. ist in einer Branche beschäftigt, in der Fachkräfte wie er dringend benötigt werden. Seine Frau will einen Beruf ergreifen, für den dasselbe gilt. Doch das Paar stammt aus Nigeria, der Asylstatus von A. ist nach wie vor ungeklärt. Seine Frau hat zwar seit Kurzem einen gesicherten Aufenthalt, aber die notwendigen Papiere von der Ausländerbehörde fehlen noch, damit sie Leistungen beim Jobcenter beantragen kann, um ihre Ausbildung voranzutreiben. Die Familie ist auf das schmale Gehalt von A. angewiesen.

Ihre Heimat verlassen mussten A. und seine Frau, weil er die Zwangsrekrutierung zu einer paramilitärischen Organisation verweigerte und seitdem mit dem Tod bedroht wird. Die Uno-Flüchtlingshilfe beschreibt die Sicherheitslage in Nigeria als nach wie vor instabil. "Weiterhin attackiert die terroristische Gruppierung Boko Haram Menschen, Einrichtungen und Kommunen", heißt es in einer Stellungnahme. "Sie greifen beispielsweise Polizeistationen, humanitäre Zentren, sowie Einrichtungen und Strukturen der UN an. Diese langanhaltende Gewalt lässt die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen weiter ansteigen."

Die Familie leidet darunter, dass ihre Integration stockt

Die Fluchtroute von A. und seiner Frau führte über Libyen, wo die beiden über Monate inhaftiert waren, bevor sie weiterreisen durften. Ihre Betreuerin im Sozialreferat befürchtet, dass sie "sehr wahrscheinlich Folter ausgesetzt" waren, Schlafprobleme und Flashbacks seien die Folge. Die Angst begleitet den 24-Jährigen nach wie vor, weshalb er in dieser Geschichte weder mit vollem Namen genannt noch ein Foto von ihm gezeigt wird.

Die Familie leidet darunter, dass ihr Neustart in Deutschland und ihre vollständige Integration trotz aller Bemühungen weiterhin stockt. Obwohl A. dank seiner schnellen Auffassungsgabe und seiner Ausbildung inzwischen gut Deutsch spricht, musste er sich den Zugang zum Arbeitsmarkt schwer erkämpfen. Eine kleine Wohnung zu finden, scheint schier aussichtslos. "Das wäre unser größter Wunsch", sagt A. Auch im Sozialreferat ist man voll des Lobes über den 24-Jährigen. "Herr A. und seine Familie versuchen, sich trotz aller Barrieren in die Gesellschaft zu integrieren und unabhängig von Sozialleistungen zu werden", schreibt die Betreuerin.

Das Ziel scheint inzwischen erreichbar. Doch bis dahin mangelt es noch an vielem. Weil Kinder schnell aus ihren Schuh- und Kleidergrößen herauswachsen, fehlt es den beiden an Wintersachen. Und A.s Frau benötigt ein Fahrrad mit einem Anhänger, mit dem sie die Kinder in die Kita bringen kann, bevor sie in ihren Deutschkurs zur Berufsvorbereitung geht. Und nicht zuletzt braucht John A. einen Anzug, den er als Hotelfachmann in seinem Unternehmen tragen, aber eben auch selber bezahlen muss. Gerne würden die Eltern ihren beiden Kindern auch noch ein kleines Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen.

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