SZ-Adventskalender:Einmal raus aus dem Gedankenkarussell

Lesezeit: 2 min

Seit 30 Jahren sind die beiden ein Team. Dann wurde ihr Mann schwer krank, seither pflegt ihn Maria M. rund um die Uhr

Von Monika Maier-Albang

Jeden Tag dieselben Handgriffe: Mit dem Lifter hebt Maria M. ihren Mann, um den sie sich aufopferungsvoll kümmert, aus dem Bett. (Foto: Robert Haas)

Sie nimmt seine Hand und streichelt sie. Die Hand, die er nicht mehr bewegen kann. Er blickt sie an, und weil er Tränen in den Augen hat, muss auch sie weinen.

Lange Zeit ist es Maria M. und ihrem Mann Alexander ( Namen von der Redaktion geändert) gut gegangen. 30 Jahre lang hatte das Paar einen Brotzeitladen in Milbertshofen und viel zu tun. "Um fünf Uhr morgens ist er zum Metzger gefahren, um die Wurst für den Tag zu holen und alles vorzubereiten", erzählt Maria M.. Aber der Traum der beiden war immer, eine Kneipe zu eröffnen. Auch dies haben sie geschafft. Und dann kam der Tag, an dem Maria M. ihren Mann auf dem Boden liegend fand. Er hatte hohes Fieber, bekam kaum Luft. "Ich habe den Notarzt gerufen. Ich wusste ja gar nicht, was los ist", erzählt die 69-Jährige. Im Krankenhaus bekam sie zu hören, dass es nicht gut stehe um ihren Mann. Dass er wohl nicht überleben wird.

Alexander M. hatte sich die Legionärskrankheit zugezogen. Woher die Legionellen kamen, wie er sich infiziert hat? Sie wissen es bis heute nicht. "Das Gesundheitsamt war gleich da", sagt Maria M., sie wurde gefragt, ob ihr Mann irgendwo im Urlaub war. War er nicht. Dreieinhalb Monate schwebte M. zwischen Leben und Tod, er lag im Koma, wurde in ein anderes Krankenhaus verlegt. Wieder bange Wochen voller Ungewissheit. Einmal, so erzählt sie, sei sie zu Besuch gekommen, und ein Pfleger habe sie mit den Worten empfangen: "Aber Ihr Mann ist doch gestorben."

Diese Zeit, sagt Maria M., "war eine Katastrophe". Ihr Mann hat überlebt. Aber Alexander M. ist halbseitig gelähmt. Seine Frau pflegt ihn nun schon seit einigen Jahren. Sie sagt, sie habe mit den ambulanten Diensten schlechte Erfahrungen gemacht. Also übernimmt sie selbst die Arbeit, hebt den 57-Jährigen, wäscht ihn, macht ihn fertig für die Arztbesuche oder die Fahrt im Rollstuhl in den Park. Mittlerweile hat sie selbst starke Schmerzen in den Kniegelenken und im Rücken, "ohne Tabletten kann ich keine Nacht schlafen", erzählt Maria M.. Sie würde gern mal ein paar Tage mit ihrem Mann wegfahren, "egal wohin" - nur raus aus diesem Gedankenkarussell. Irgendwohin, wo er mit kann, versorgt wird und sie durchatmen kann. Ein Fahrrad braucht sie außerdem - ihres ist gestohlen worden. Und gerade ist auch noch der Fernseher kaputt gegangen, der Alexander M. durch die langen Tage bringt. "Ich mach das jetzt, so lange ich kann", sagt seine Frau und blickt ihn an. "Und wenn es nicht mehr geht, müssen wir halt beide ins Pflegeheim. Ich werde ihn nicht allein lassen."

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: