Benefizkonzert SZ-Adventskalender:"Ich versuche stets meinem Herzen zu folgen"

Benefizkonzert SZ-Adventskalender: Sopranistin Sarah Wegener hat als Kontrabassistin angefangen, ehe sie ihre Stimme entdeckte.

Sopranistin Sarah Wegener hat als Kontrabassistin angefangen, ehe sie ihre Stimme entdeckte.

(Foto: Marvin Stellmach)

Sarah Wegener singt beim Benefizkonzert mit dem BR-Symphonieorchester. Am Pult steht Zubin Mehta, mit dem die vielseitige Sopranistin etwas ganz Besonderes verbindet.

Von Jutta Czeguhn

Was ist das für ein Instrument, das am antiken Buffet hinter Sarah Wegener lehnt? Die Sopranistin, man erreicht sie via Zoom zu Hause in Stuttgart, blickt kurz über die Schulter und lächelt dann breit in die Computer-Kamera. "Ein Kontrabass, mein Stiefsohn hat gerade mit dem Unterricht angefangen." Sie sei nicht ganz unschuldig daran. Der Kontrabass ist so etwas wie ihre erste Liebe. Und die vergisst man bekanntlich nie. Als Elfjährige hatte sie so ein Riesending, größer als sie selbst, im Büro des Musikschulleiters im heimischen Remstal stehen sehen und neugierig an der E-Saite gezupft. "Mein ganzer Körper vibrierte."

So war's um sie geschehen, später hat sie dann in Stuttgart Schulmusik mit Hauptfach Kontrabass studiert. Und sie würde das Instrument vielleicht heute an irgendeiner Musikschule unterrichten, wäre ihr nicht ihre wunderbar warme, volle Sopranstimme dazwischen gekommen. Das Leben geht oft seltsame Wege, das verbindet Sarah Wegener aus dem württembergischen Beutelsbach mit Zubin Mehta aus Bombay, Indien. Er studierte nicht nur Medizin sondern auch Kontrabass, und auch er hatte ein Erweckungserlebnis: Sein Kontrabass-Professor nahm ihn mit zu einer Probe der Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm. Der Eindruck war nachhaltig, Mehta entschied sich bekanntlich für den Taktstock, eine legendäre Dirigenten-Karriere folgte.

Benefizkonzert SZ-Adventskalender: Zubin Mehta, 2016 mit der Meistersinger-Medaille der Bayerischen Staatsoper ausgezeichnet, steht beim Benefizkonzert am 11. November mit der Sopranistin Sarah Wegener auf der Bühne in der Isarphilharmonie.

Zubin Mehta, 2016 mit der Meistersinger-Medaille der Bayerischen Staatsoper ausgezeichnet, steht beim Benefizkonzert am 11. November mit der Sopranistin Sarah Wegener auf der Bühne in der Isarphilharmonie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die beiden Ex-Kontrabassisten Mehta und Wegener werden sich also einiges zu erzählen haben, denn bald schon treffen sie erstmals aufeinander, in München, zu einem besonderen, gemeinsamen Projekt mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Der 86 Jahre alte Maestro leitet das traditionelle Benefizkonzert zugunsten des Adventskalenders der Süddeutschen Zeitung am Freitag, 11. November, in der Isarphilharmonie. Richard Strauss steht auf dem Programm, der "Don Juan" und die Tondichtung "Also sprach Zarathustra; Sarah Wegener singt die "Vier letzten Lieder", die von einer Sängerin innige Virtuosität und einen enormen Tonumfang verlangen. Sie, die mütterlicherseits britische Wurzeln hat, erzählt von einem Konzert in der Londoner Royal Albert Hall, von dem sie gerade zurückgekehrt ist. Ob man wisse, dass die "Vier letzten Lieder" just dort, im riesigen Konzertbau am Hyde Park, 1950 uraufgeführt wurden? Sie habe da jetzt vor ausverkauftem Haus gesungen, in Mahlers Achter Symphonie, die wiederum 1910 in München Premiere hatte. "Ist das nicht toll?" Sarah Wegener liebt es, wenn die Dinge so über Raum und Zeit hinweg ineinandergreifen, sich Zufälliges fügt. Auch in ihrer eigenen, erstaunlichen Karriere war das so.

Strauss gehört zu ihrem Kernrepertoire, ihre aktuelle CD "Zueignung" hat sie dem Komponisten gewidmet. Wie überhaupt die Musik um 1900 einen starken Sog auf sie ausübt. "Da passiert harmonisch unglaublich viel", sagt die Sängerin. Und gerade bei Strauss brauche es eine große vokale Spannbreite. Und die bringt Sarah Wegener mit. Ehe sie ihren Sopran entdeckte und ausbilden ließ, hielt sie sich selbst für eine Altistin. Nach dem ersten Staatsexamen verwarf sie die Idee vom Schuldienst, entschied sich für den Weg als freischaffende Sängerin, zunächst als Mitglied im Baden Württembergischen Kammerchor, dann im Kammerchor Stuttgart. Die Aufgaben wuchsen, ganz organisch kamen Solopartien hinzu. Bis heute liebt Wegener das Singen im Ensemble. "Die Terz zu sein in einem F-Dur-Akkord, das ist wunderbar." Elf Jahre hat sie mit Leidenschaft einen Kirchenchor geleitet. Heute ist die Stuttgarterin als Lied- und Orchestersängerin sehr gefragt und viel unterwegs. Hat mit vielen großen Orchestern in bedeutenden Konzerthäusern wie der Tonhalle in Zürich, dem Concertgebouw in Amsterdam, in der Elbphilharmonie oder im Royal Opera House unter namhaften Dirigenten, vor allem immer wieder Kent Nagano, gesungen. Sie fühle sich stets als Teil des Ganzen, als Diva vor oder über dem Orchester zu stehen, das sei so gar nicht ihr Ding. "Ich bin immer mit einem Ohr mindestens bei den Kontrabässen", sagt Wegener, und ihr Sopran-Lachen lässt das Computer-Mikro scheppern. Ihr gehe es darum, "gemeinsam mit dem Orchester das Schönste aus der Musik herauszuholen".

Spezielles Talent für die Töne zwischen den Tönen

Aus der Musik. Bei Sarah Wegner darf man sich das ganz weit denken, mühelos scheint sie zwischen den Stilepochen zu wechseln. Singt Bach, Beethoven oder Haydn, Wagner, Mendelssohn und Mahler, Schönberg, Penderecki oder Bernstein. "Vielleicht ist mein Geheimnis, dass ich nicht ehrgeizig einen einzigen Weg verfolgt habe. Ich glaube, ich bin ziemlich offen und versuche, stets meinem Herzen zu folgen". Sie empfinde eine große Demut gegenüber der Musik. Einer, dessen Weg sie immer wieder kreuzt, ist der Komponist Georg Friedrich Haas, sie hat in den Uraufführungen von "Bluthaus" (2011) und "Thomas" (2013) gesungen. Eine enge künstlerische Verbindung pflegt sie auch mit Jörg Widmann, den sie - Achtung, wieder so ein typischer Wegener-Zufall! - auf dem Bahnhof in Stuttgart kennenlernte, als sie Georg Friedrich Haas vom Zug abholte. Wie Haas hat auch Widmann der Sopranistin mit dem besonderen Faible für Neue Musik Werke gewidmet.

Partien, die sich Sarah Wegener hart erarbeitet hat. "Wissen Sie, ich habe nicht das absolute Gehör." Doch die Neue Musik, ist sie überzeugt, eröffne ganz andere Hörwelten, riesige Räume jenseits des klassischen Notensystems. Und sie erzählt von einem Lehrauftrag unlängst in Graz, wo es um das Singen von Mikrotönen, jenen Tönen zwischen den Tönen, ging. Mit ihrem Meisterkurs will sie nun "tingeln" gehen, spielerisch Berührungsängste zu dieser spannenden Musik abbauen. Doch nicht nur große Konzerthallen und weite Hörräume will Sarah Wegener erschließen. Daheim in Stuttgart lädt sie oft Freunde zur Hausmusik, pflegt sie Salonkultur bei schönem Essen und Wein. Jeder Gast muss dann etwas zum Besten geben, improvisiert, vom Blatt. ",Wer übt, der fliegt!', heißt es dann bei uns, denn die Musik lebt vom spontanen Moment", sagt Sarah Wegener. Sie selbst greift dann gerne auch mal zu ihrer alten Liebe, dem Kontrabass.

Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders, Symphonieorchester des BR mit Zubin Mehta und Sarah Wegener, Sopran, Fr., 11. Nov., 20 Uhr, Einführung 18.45 Uhr, Isarphilharmonie, Karten im SZ Servicezentrum, Fürstenfelder Str. 7, Mo. - Do. 10 - 18 Uhr, Fr. 10 - 16 Uhr, Telefon 089/21839228, außerdem unter www.br-ticket.de oder gebührenfrei telefonisch 0800/5900594; BR-Klassik sendet das Konzert live im Radio

Zur SZ-Startseite

Freizeit in und um München
:Vier Tipps für das XXL-Sommer-Wochenende im Herbst

Bis zu 25 Grad verheißen die kommenden Tage und viel Sonne. Perfekte Bedingungen also für Ausflüge bis Allerheiligen - vier Anregungen für die vier Tage in vier Draußen-Disziplinen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: