"Symposium Bavaricum":Zweikampf der Lokalmatadore

Hauptversammlung des Deutschen Städtetags

Mit Bosheiten über die Bayern trumpft der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly auf.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Dieter Reiter zieht über Franken her, Ulrich Maly über Bayern

Von Jakob Wetzel

Was haben sie nicht schon übereinander gelästert: die Nürnberger über die überheblichen Münchner, die viel zu viel aus dem Staatssäckel bekämen, jedenfalls mehr, als ihnen zustehe, und die Münchner über diese Stänkerer im Norden, die sich gern selber bemitleideten, die aber wenig mehr zu bieten hätten als eine kuriose Sprache und Bratwürste mit Senf(t). Die Chronik der Sticheleien ist lang, sie reicht wohl zurück bis 1806, als die Franken unter die Fuchtel der Bayern geraten sind. Doch an diesem Samstag wird es ernst: Die beiden Oberbürgermeister treten an zum Duell.

Es ist zwölf Uhr mittags im Augustinerkeller an der Arnulfstraße. Nicole Inselkammer und der im Boulevard gerne als "Bandscheiben-Rastelli" gepriesene Orthopäde Wolfgang Pförringer haben eingeladen zum "Symposium Bavaricum", also zum Frühschoppen mit Bier, Weißwürsten und satirischen Überlegungen über das Wesen der Bayern. Seit mehr als drei Jahrzehnten organisiert Pförringer das Zusammentreffen. Doch diesmal, sagt er, sei etwas anders. "Es ist das erste Mal, dass die Hälfte der Redner Sozis sind!" Über Bayern sprechen, das ist hier sonst eher Sache der CSU. Eingeladen hat Pförringer aber zwei rote Oberbürgermeister: Ulrich Maly für Nürnberg und Dieter Reiter für München. Und beide, so wirbt das Programmheft, servieren ihre "(nicht ganz ernsten) Betrachtungen" über das Land des jeweils anderen.

Die CSU hat Pförringer dabei nicht vergessen: Neben Maly und Reiter sprechen der frühere Wiesnwirt Richard Süßmeier sowie Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Die CSU-Frau darf zuerst ans Mikrofon, sie spricht über den Grant als Wurzel der bayerischen Seele in Altbayern wie in Franken, über Weiß Ferdl und seinen "Wagen von der Linie 8", über Gerhard Polt, Ida Schumacher und Ludwig Thoma. "Es langt eine gestandene Ministerin, um zwei Oberbürgermeister aufzuwiegen", sagt sie. "Wäre das keine gute Landesmutter?", ergänzt Pförringer. Eigentlich aber bildet sie nur den Auftakt für den Zweikampf der Bürgermeister.

München gegen Nürnberg, das ist ein in doppelter Hinsicht ungleiches Duell. Hier bayerische Landeshauptstadt, dort nicht einmal Hauptstadt von Mittelfranken. Dafür ist der OB der einen Stadt ein gerühmtes kabarettistisches Talent, der OB der anderen ist als solches noch nicht aufgefallen, er ist lediglich Amtsnachfolger eines solchen.

Zwei Sozialdemokraten am Rednerpult, an einem Tag, in Bayern? Das sei in der Tat ungewöhnlich, beginnt Reiter. "Das ist nicht ganz die halbe Partei, aber fast." Dann erklärt er seine Fahrverbotspläne für Diesel-Autos. Er wolle keinen Auto-Manager in die Altersarmut treiben, frotzelt er. Doch es ist das falsche Thema für dieses Publikum. Lacher erntet Reiter erst, als er erzählt, in Tschechien hießen Bürgermeister "Primátor", in München wäre das ein Maibock - und als er über Franken herzieht. Maly sei Träger des bayerischen Bierordens, sagt er. "In Nürnberg! Was für ein Bier?" Die Nürnberger mit ihrer Hohenzollern-Burg seien doch brandenburgisch-preußische Schwaben mit Sprachfehler. Der Franken-Tatort sei immerhin so charmant, dass man wissen möge, was man da alles nicht verstehe. Und Reiter setzt auch eine Spitze gegen die eigene Partei und seinen Vorgänger Christian Ude: "Jetzt sorgen wir erst einmal für den Weltfrieden", sagt er zu Maly. "Und dann machen wir, was alle erfolgreichen Sozialdemokraten tun: Nein, sie schreiben kein Buch. Sie gehen zu Gazprom."

Maly kontert kühl. Der Franke grantle nicht, sondern sei semi-depressiv, und zwar immer, entgegnet er Aigner. Und er spottet: In München sei man ja immer wieder überrascht darüber, wie toll man eigentlich sein kann. Der Blick Richtung Franken dagegen versinke zuverlässig in der Donau, wegen der Erdkrümmung. Die fränkische Bewunderung für Altbayern halte sich dagegen in Grenzen, und nicht nur die fränkische: Da trumpft Maly mit historischen Bosheiten über die Bayern auf, angefangen beim Abensberger Geschichtsschreiber Aventinus (der Bayer "trinkt sehr, macht viele Kinder, ist etwas unfreundlich und einfältig") bis zu Bismarck (Bayern seien "Bindeglieder zwischen den Österreichern und den Menschen"). Am Ende werden Maly und Reiter von Pförringer zu "Ehrenschwarzen" ernannt, ob sie wollen oder nicht. Gemeint ist wohl: Sie sind zwar bei der SPD, können aber dennoch über Bayern reden.

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