Surfer in München:"Ohne Eisbach würde ich ans Meer ziehen"

Der Münchner Paul Günther ist Deutscher Meister im Surfen - ein Gespräch über Flusswellen, das Auswandern und Paddelpower.

Marc Baumann

Surfwettbewerbe sind eigen: Die Deutsche Meisterschaft fand gerade in Seignosse, Frankreich, statt, und kaum ein Fahrer lebt in Deutschland. Die größte Überraschung: Mit Paul Günther, 16, gewann ein Münchner den Titel in der Klasse der bis 16-Jährigen.

Surfer in München: Deutscher Meister: Paul Günther

Deutscher Meister: Paul Günther

(Foto: Foto: Meike Reijerman/oh)

SZ: Was haben die Surfer von der Nordsee gesagt, als ein Bayer sie besiegt hat?

Paul Günther: Früher wurden die Münchner, die Eisbachsurfer, belächelt. Inzwischen sehen sie es ein, dass wir surfen können. München hat auch durch den zweiten Platz bei den Senioren von Gerry Schlegel sehr gut abgeschnitten.

SZ: Warum findet die Deutsche Meisterschaft in Frankreich statt? Auf Sylt wird doch auch gesurft.

Günther: Sylt kann nicht garantieren, dass die Wellen konstant gut sind. An der französischen Atlantikküste sind im Herbst immer gute Bedingungen.

SZ: Sie leben in München, wo man nur am Eisbach auf einer kleinen stehenden Welle surfen kann. Reicht das, um im Meer auf zwei bis drei Meter hohen Wellen surfen zu können?

Günther: Der Eisbach ist gut, um das Gefühl fürs Brett zu lernen und Manöver wie 360-Grad-Drehungen zu üben. Aber am Meer ist Surfen komplett verschieden, schwieriger. Die Welle trägt dich anders als im Fluss, du musst sie richtig anpaddeln und aufs Brett kommen.

SZ: Wie erklären Sie dann den Sieg?

Günther: Erstmal hatte ich ein bisschen Glück in den Vorläufen. Aber ich habe eben durch den Eisbach viel Erfahrung auf dem Surfbrett. Am Meer wartet man die meiste Zeit im Wasser auf die richtige Welle. Am Eisbach fährt man die ganze Zeit. Am Anfang des Wettbewerbs waren die Wellen sehr klein, nicht viel höher als am Eisbach, das hat mir geholfen. Später wurden die Wellen sehr groß und die Strömung stark, es war schwer, dort die Position zu halten, wo die besten Wellen sind. Zwei andere Fahrer sind im Finale abgetrieben worden, mir hat meine Paddelpower geholfen.

SZ: Wie bitte?

Günther: Paddelpower. Also die Kraft in den Armen. Ich habe viel trainiert vor dem Wettbewerb, am Austragungsort in Frankreich habe ich in einem Surfcamp gearbeitet und jede freie Minute auf dem Meer verbracht, früh morgens oder spät am Abend.

"Ohne Eisbach würde ich ans Meer ziehen"

SZ: Wie sind Sie als Münchner zum Surfen gekommen?

Günther: Ich habe mir beim Skateboardfahren den Fuß gebrochen und etwas anderes gesucht. Mit meinen Eltern war ich im Museum, im Haus der Kunst, da habe ich eine Ecke weiter die Eisbachsurfer gesehen und wollte sofort dort anfangen. Dann habe ich erfahren, dass es noch eine kleinere Anfängerwelle an der Floßlände gibt. Seitdem bin ich so oft gesurft wie es ging.

SZ: Außer Ihnen und dem Münchner Schlegel leben alle Finalteilnehmer im Ausland am Meer. Muss ein deutscher Surfer früher oder später auswandern?

Günther: Es gibt viele, die ins Ausland ziehen. Aber ich plane da nichts. Der Eisbach ist mein Trainingsgebiet. Man kann dort wahnsinnig viel ausprobieren.

SZ: Und wenn es die Eisbachwelle in München nicht geben würde? Vor einigen Monaten hieß es, dass die Surfer vom Eisbach vertrieben werden sollen . . .

Günther: Ohne den Eisbach würde ich ans Meer ziehen. Ich finde, man sollte die Surfer hier respektieren und diesen einmaligen Ort nicht zerstören. Es interessieren sich so viele Leute dafür und es werden immer mehr. Es sollte eher noch eine weitere Welle installiert werden.

SZ: Wo surfen Sie jetzt im Winter?

Günther: Weiter am Eisbach, man muss sich einen dicken Neoprenanzug anziehen. Und dann ist da noch die Europameisterschaft in Marokko im November.

SZ: Verglichen zu Surfnationen wie Frankreich oder Portugal dürften Sie da klarer Außenseiter sein, oder?

Günther: Wenn ich das Geld zusammenkriege, fahre ich früher nach Marokko, zum Üben. Darum arbeite ich gerade bei einem Puppenbauer mit, der für die Augsburger Puppenkiste tätig ist. Ich rechne mir aber für die EM nicht viel aus. Vielleicht komme ich in den Vorrunden ja gegen einen Holländer, die haben auch nicht so gute Wellen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: