Suche nach Auswegen aus Wohn-Misere:Erbpacht - ein städtischer Hebel gegen Spekulation

Suche nach Auswegen aus Wohn-Misere: Anschauungsobjekt für die Verdrängung angestammter Wohnbevölkerung: die Schleißheimer Straße in München.

Anschauungsobjekt für die Verdrängung angestammter Wohnbevölkerung: die Schleißheimer Straße in München.

(Foto: Jessy Asmus)

SZ-Leser fragen sich: Zuzug kategorisch stoppen? Oder doch Hochhäuser bauen? Oder gibt es noch ganz andere Instrumente?

Erpacht - ein städtischer Hebel gegen Spekulation

Zur Suche nach Auswegen aus der Münchner Wohn-Misere zum Artikel "Die Straße" vom 15./16. September (Buch Zwei) und die Berichte über Gentrifizierung und das Verschwinden bezahlbaren Wohnraums in München:

Verpasste Gelegenheiten

Die Darstellung der unhaltbaren Entwicklung auf dem Münchner Wohnungsmarkt betrifft zwar die Realität, aber es fehlen eine Analyse der tieferen Ursachen und auch wirksame Vorschläge zur nachhaltigen Abhilfe. Die Realität für München sind derzeit durchschnittliche Neubau-Wohnungspreise von rund 7500 Euro/Quadratmeter Wohnfläche bei durchschnittlichen Baukosten von rund 2500 Euro/Quadratmeter. Demnach entfallen auf die Gesamtherstellungskosten rund 67 Prozent Grundstückskosten. Auch bei einer Variierung der Baukosten und Verkaufspreise liegt der Grundstücksanteil immer deutlich über 50 Prozent der Kaufpreise. Mit anderen Worten: Der Kaufpreis einer Wohnung und damit analog die Miete könnten kurzfristig und dauerhaft um über 50 Prozent gesenkt werden, wenn der Kaufpreis nur aus den Gesamtherstellungskosten bestehen würde.

Das wäre unkompliziert machbar für Neubauten von Wohnungen im Erbbaurecht auf Grundstücken im Eigentum der Stadt München oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Institutionen. Anstatt Grundstücke zu Marktpreisen als Bauland zu verkaufen, sollte die öffentliche Hand ein Erbbaurecht ausgeben und damit den Grundstückspreis dauerhaft als stabile Einnahme (Erbbauzins) für den öffentlichen Haushalt einplanen.

Mindestens die Hälfte der derzeitigen Kaufpreise beziehungsweise Mieten würden durch den Erbbauzins auf lange Zeit verteilt und damit für Käufer sowie Mieter tragbar, wie vom Staat gebetsmühlenartig verlangt, aber nicht wirksam in Angriff genommen. Neben den um mehr als 50 Prozent reduzierten Kaufpreisen beziehungsweise Mieten würde der Staat in doppelter Weise vorsorgen und hätte über den (änderbaren) Erbbauzins noch ein soziales Steuerungsinstrument in der Hand. Übrigens: Die Kirche praktiziert das seit vielen Jahrzehnten. Insbesondere würde das in der Hand des Staates verbleibende Grundvermögen im Wert stetig zunehmen und könnte als Sicherheit für Zukäufe von Grundstücken sinnvoll genutzt werden. Wenn die Baulandpreise in München in nur zehn Jahren um 300 Prozent gestiegen sind, dann kann man ausrechnen, wie viele hundert Millionen die Stadt verschenkt hat, statt diese für den sozialen Wohnungsbau zu nutzen. Für die Bundesrepublik sind das insgesamt ganz enorme "Kosten verpasster Gelegenheiten".

Der soziale Wohnungsbau mit einer Objektförderung ist zwar sozial gemeint, aber langfristig ungerecht wegen der auf Dauer nicht vermeidbaren Fehlbelegungen. Stattdessen sollten durch städtische Wohnungsbaugesellschaften Sozial-Eigentumswohnungen im Erbbaurecht gebaut werden, die sich auch junge Familien mit Kindern leisten können und damit auch eine sinnvolle Altersvorsorge hätten. Erich Kann, Augsburg

Wohnen über der Garage

"Auf die Garagen könnte man Wohnungen bauen" - eine Idee, die ich schon lange verfolge. Macht man einen Vorschlag: Unverständnis, das geht nicht! Ich wohne in einer Flächengemeinde im "Speckgürtel" von München. Diese Gemeinde ist gewachsen und hauptsächlich dominiert von Reihenhausanlagen, 70er und 80er Jahre, es wird so einfallslos munter weiter gebaut. Das sieht dann so aus: Auf großen Grundstücken auf der einen Seite sechs bis acht oder zehn und zwölf Reihenhäuser, auf der anderen hässliche Garagen, Schuhschachteln. Jetzt könnte man doch die Garagengrundstücke aufständern und überbauen, siehe am Dantebad in München, man hätte dann ein oder zwei Stockwerke für Wohnungen. Natürlich hängen da einige Probleme dran. Eigentum, finanzieller Ausgleich, Befindlichkeiten der Anwohner, dass nun etwa das Auto keinen geschlossenen Raum mehr hat, wohin mit den Reifen, etcetera. Schaut man genau hin, sind viele Garagen Lagerräume, das Auto steht davor oder in der Straße. Ich schätze, wenn man mit diesem Ausbau weiterkäme, dass in meiner Gemeinde 200 bis 300 Wohnungen machbar wären. Udo Ricke, Vaterstetten

Höher bauen - oder abriegeln

Warum sind die Mieten so hoch? Weil die Grundstückspreise so hoch sind, dass ein Hauskäufer hohe Mieten braucht, damit sich Hauskauf oder Hausbau rechnet. Warum sind die Grundstückspreise so hoch? Weil es einen ungebremsten Zuzug nach München gibt. Wenn man also keinen Grenzzaun um München bauen will, um den Zuzug zu stoppen, dann besteht die einzige Lösung des Problems darin, dass in München viel mehr Wohnungen entstehen. Warum werden nicht mehr Wohnungen gebaut? Es liegt einzig und alleine daran, dass die Stadt München nicht mehr Baurechte schafft. Das Problem ist von der Lokalpolitik geschaffen worden und kann nur von der Lokalpolitik gelöst werden. Wenn die Stadtverwaltung beschließt, dass künftig jedes Haus achtstöckig gebaut werden darf oder wenn die Stadtverwaltung in wirklich großem Umfang neue Baugebiete freigibt, dann ist die Wohnungsnot in fünf Jahren vorbei. Aber an solch massive Veränderungen traut sich keine Stadtregierung heran, weil das dann ja wieder Proteste der Alteingesessenen hervorruft, die gerne die Zuzügler draußen halten wollen. Es ist zum Verzweifeln. Dr. Erk Thorsten Heyen, Starnberg

Ein, zwei, drei - Saniererei

Das große sechsspaltige Bild (Buch Zwei, "Die Straße") ist insofern inkorrekt, weil sie da vor diesem Haus Schleißheimer Straße 51 dieser Tage auch so ein Gerüst aufgebaut haben - und schon wieder fröhlich weitermachen mit dem lustigen Gentrifizieren. Schleißheimer Straße 39, Ecke Heßstraße: Auch da steht seit ein paar Tagen so ein bedrohliches Gerüst. Eins, zwei, drei - Saniererei. Das Eckhaus Schleißheimer-/Schellingstraße, in dem sich vor nicht allzu langer Zeit ein nettes Café befand, ist wohl nach aufwendiger Aufhübscherei fast fertig und heißt jetzt fein "Blaues Haus". Spekulanten-Poesie. Man sieht: Überall wird hier jetzt fröhlich gewerkelt, leere Fenster, die früheren Leute sind schon vertrieben. Die rechte Seite der Schellingstraße (zwischen Schleißheimer und Winzererstraße) haben sie mit dem Eckhaus (siehe oben) schon fast gekapert; leere Fenster, Mieter vertrieben - und bald machen die smarten Investoren flott Kasse. Weiteres Beispiel: In der benachbarten Heßstraße 78 hält eine alte Freundin noch als einzige die Stellung, sie muss auch bald raus, sagt sie, wohin, wusste die neulich noch nicht. Das Haus wird abgerissen, es kommt ein Neubau. Dass ganze Häuser abgerissen werden und durch profitable neue ersetzt werden, soll es in Zukunft in München ja nicht mehr geben, genauso wie die vielen aktuellen Luxussanierungen ganzer Häuser. Sagt jedenfalls unser OB. Wenn das endlich kommt, sind die netten Leute, die ich hier kenne, wahrscheinlich längst in alle Himmelsrichtungen verstreut. Traurig. Immerhin: Der umwölkte Vollmond aus (wahrscheinlich) Gips, hoch oben an der Fassade des Schleißheimer-Straße-Hauses, in dem sich früher die Kultkneipe "Vollmond" befand, lächelt immer noch so versonnen vor sich hin. Ganz nebenbei: Während der Umbauten hier sind oft viele Monate, manchmal auch Jahre massenhaft Parkplätze durch Baumaschinen blockiert und man cruist nach 17 Uhr Minute um Minute, um noch irgendwo eine kleine Lücke zu erhaschen. Die Chefs vom sogenannten KVR-Parkmanagement sind eisenhart, lassen nicht mit sich reden, auch wenn man die grüne Park-Papperl-Lizenz für die Gegend besitzt. Zahlen! Übrigens. Gute Arbeit des SZ-Teams. Bravo! Jochen Malms, München

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