Subkultur:München braucht mehr Mut zum Dreck

Surrealistische Stimmung auf dem Viehhofgelände in München, 2016

Die Container des "Bahnwärter Thiel stehen auf Viehhofgelände.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Kulturkutter, ein riesiges Pop-up-Projekt, Elektro-Club im Deutschen Museum: Man könnte meinen, München kann plötzlich Subkultur. Aber die Stadt muss noch mehr tun.

Kommentar von Michael Bremmer

München ist wieder was. Jahre der Tristesse sind plötzlich verflogen, der Minderwertigkeitskomplex durch die ständigen Berlin-Vergleiche über Nacht vergessen. München kann alles, sogar Pop, sogar Subkultur. Man muss ja nur mal auf die jüngsten Nachrichten achten.

München bekommt einen Kulturkutter auf einem Abstellgleis. München bekommt einen Elektro-Club im Deutschen Museum. München bekommt ein Container-Kreativquartier im Werksviertel. München bekommt ein Pop-up-Paradies in einer ehemaligen Bank. So viel Pop-up in allen Ecken dieser dicht bebauten Stadt. Jetzt sollen mal all die Subkulturpessimisten still sein.

Im Herbst, als in München Kritik an Münchens Popkultur aufgekommen ist, als sogar mit einer Klage gedroht wurde, weil das uncoole München-Bild geschäftsschädigend sei, hat man die Nörgler niedergebürstet. Die Kreativwirtschaft der Stadt sei ein großer Erfolg, die satten Umsatzzahlen seien Beweis genug, dass die Kultur-Szene der Stadt extrem stark sei. Keine Frage, nur: Muss man den Wert von Kunst immer an dem bemessen, was sie einbringt? Muss Kunst immer Kohle bringen?

Ein Blick auf das Pop-up-Hotel: Eine Million Euro investiert das Team um Michi Kern für zwei Jahre, hinzu kommt eine ordentliche Miete. Kurz: Das Geld muss wieder reingewirtschaftet werden, dementsprechen kommerziell muss sich hier die vermeintliche Subkultur zeigen.

Natürlich: Kulturkutter und Containercenter sind ein Glücksfall für diese ansonsten arg glatte und saubere Stadt. Aber Pop-up-Paradiese dürfen nicht das Allheilmittel für Subkultur sein. Will München selbstbewusst werden, muss die Stadt mehr machen als Zwischennutzungen zu ermöglichen. München muss der Popkultur Freiflächen widmen, muss dort Wildwuchs und auch mal Dreck zulassen.

Ein Blick in den Viehhof: Die Wände sind voller Graffiti, inmitten von Schiffscontainern steht ein ausgedienter Schienenbus, neben Techno-Partys gibt es hier junge Singer-Songwriter und talentierte Nachwuchsautoren zu bewundern. So viel Großstadt findet man sonst nirgends in München. Noch. Leider wird an dieser Stelle das Volkstheater gebaut. Später wird man sich an die Container erinnern: München war mal was.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: