Stustaculum 2024:Keine Angst vor Matsch und Regen

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Das diesjährige Stustaculum war und ist: fröhlich, bunt und verregnet. Der guten Laune tue das Wetter bisher "keinen Abbruch", so die Organisatoren. (Foto: Robert Haas)

Die Studierenden der Stadt tanzen und feiern auf dem Stustaculum zur Musik von Newcomern. Wie ist die Stimmung auf dem 34. Festival – trotz des schlechten Wetters?

Von Pauline Graf

Als Aera Tiret zum Gitarrensolo ansetzen, ist es um Tobias Baumgartner geschehen. Eilig bindet er sich die Schuhe auf, von denen der getrocknete Matsch schon abblättert, um besser tanzen zu können. Dann steht der Student der Elektrotechnik barfuß im Schlamm, in hochgekrempelter Jeans, zusammen mit der werdenden Medizinerin Lilith Ritter, die er aus der Jazzband der Technischen Universität (TUM) kennt. Sie springen von einem Bein auf das andere, klopfen sich auf die Brust. Sie schreien, lachen, sind ekstatisch und wie berauscht, aber es ist nur die Musik, und keine Droge, der die zwei sich mit vollem Körpereinsatz hingeben.

„Wie biegsam der ist“, murmelt eine Zuschauerin, als sich Baumgartner wie ein Löwe im Zirkus durch einen Hula-Hoop-Reifen wirft. Als er wieder Luft hat, kommentiert dieser seinen Auftritt nur knapp: „Ich pfeif’ auf peinlich. Als Kind habe ich mich auch für nichts geschämt, warum sollte ich jetzt damit anfangen?“ Lilith Ritter ergänzt: „Bei der Musik konnten wir nicht anders.“

Der Bass der Augsburger Elektroband „Aera Tiret“ wummert, steigt nach oben in den dunkelgrauen Abendhimmel und hallt von den leer stehenden Hochhäusern um die Bühne herum wider. Leerstehend, stimmt, da war ja was – vor allem wegen ihrer teils sanierungsbedürftigen und unbewohnbaren Gebäude ist die Studentenstadt, die Stusta in Freimann in jüngster Zeit im Gespräch. Darum soll es an diesem Tag aber nicht gehen. Denn seit diesem Mittwoch veranstaltet die Studentenstadt ihr buntes, fröhliches und heuer sehr verregnetes „Spectaculum“, kurz: das Stustaculum. Wie lief das ab, wer steckt dahinter – und wie ist die Stimmung auf dem wohl matschigsten Festival seit der Gründung 1989?

Zu Hintergrund und Aufwand fragt man am besten Fabian Eckl. Der 44-Jährige ist seit 2008 Mitglied des Vereins „Kulturleben in der Studentenstadt“. Eckl eilt als Fotograf über das Gelände und die vier Floors, die zwischen 15 Uhr nachmittags und 3 Uhr morgens parallel bespielt werden: im Festzelt Rock- oder Jazz-Musik, auf dem Atrium Kinderprogramm und Indie-Pop. Im Café Dada treten Improschauspieler und Singer-Songwriter auf, und dann gibt es im hinteren Teil des Geländes noch das sogenannte Techno-Kade, mit einem improvisierten DJ-Pult mit Lautsprechern in den Bäumen. Dazu kommt ein Dutzend kleiner Zelte mit Musik und Drinks. „Is’ doch cool, so vielfältig. Gute Laune ist der Dauerzustand“, findet Eckl. Und das Wetter schweiße die ausschließlich ehrenamtlichen Helfer, fast alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stusta, noch mehr zusammen. „Wir sind seit letztem Herbst in der Vorbereitung.“ So viel Mühe und Herzblut – da mache es nichts, wenn man mal nass werde.

Das Improvisationstheater von "Lichterloh" im Café Dada. (Foto: Robert Haas)

Das scheinen die Gäste des diesjährigen Stustaculum ähnlich zu sehen. Allein am ersten Tag wurden 3800 Karten verkauft. Vor allem ist es ein studentisches Publikum, natürlich, aber auch Familien sind willkommen. Sandra und Robert Forster sitzen im Eingang eines Wohnhauses, essen Falafel und beobachten die vorbeiziehenden Studenten, irgendwo unter ihnen sei die eigene Tochter. Das Ehepaar erinnert sich, in den 1980er-Jahren selbst in den Kneipen der Studentenstadt gesessen zu haben. „Die Stusta und ihr Festival haben etwas Besonderes: Hier herrscht Frieden, keine Hetze. Alle feiern gemeinsam, keiner wird verurteilt, egal ob, alt, jung, zugezogen oder einheimisch“, so Sandra Forster. Seitdem sie das Festival kennen, also seit „mindestens zehn Jahren oder so“, versuchen sie herzukommen. Robert begeistere sich vor allem für die Newcomer-Künstler, denen das Stustaculum jedes Jahr eine Bühne gibt.

Das Festival gibt unbekannten und weniger bekannten Musikern eine Bühne. Hier: "Blyte" im Festzelt. (Foto: Robert Haas)

Einen solchen Newcomer trifft man an der marokkanischen Imbiss-Bude. DJ LeMoon, der an normalen Tagen an der LMU Medizin studiert, ist gerade im Kade aufgetreten. Wie er zu dem Auftritt kam? „Einfach auf Instagram meine Setlist geschickt“, so der gebürtige Franzose: „Nach zwei Monaten kam die Zusage, ich hatte meine Anfrage fast vergessen.“ Um „LeMoon“ schwirren begeisterte Freunde in Regencapes: „Es war ein besonderer Auftritt, mittendrin ging das Gewitter los“, sagt einer. Weitergetanzt hätten sie trotzdem.

Wer Angst vor Regen oder dreckigen Turnschuhen hat, der bleibt an diesem Abend wohl einfach zu Hause. Das Festgelände besteht zum Großteil aus Wiese, die Holzbalken, die zu den Crêpes- und Bratwurstständen führen, sind vollgesogen mit Wasser. Und wo man auch ansteht, man hört einen Bass. Wie geht es denen damit, deren Zuhause hier ist – die dem Bass und der Matschwiese also kaum entfliehen können? Den Nachbarn, den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stusta, die am nächsten Tag eine große Prüfung schreiben und Schlaf brauchen? Hinter den Vorhängen einiger Wohnheimzimmer brennt Licht, sitzen junge Studierende an ihren Schreibtischen. „Wir wissen, dass das Stustaculum vier Tage am Stück Party und Lärm bedeutet“, sagt Organisator Fabian Eckl. In einem anderen Jahr habe ein Nachbar deshalb auch schon einmal eine Klage eingereicht. Aber was könne man tun? „Feiern gehört zur studentischen Kultur.“ Immerhin: Alle Anwohner bekommen freien Eintritt. Man müsse das Festival mit Humor nehmen. Oder man verreist.

Viele Bewohner der Studentenstadt helfen ehrenamtlich bei der Vorbereitung des Festivals aus. Oder sie feiern einfach mit - und machen ihren Balkon zu einer weiteren Bühne. (Foto: Robert Haas )

Dabei ist das Stustaculum mehr als eine viertägige Ausrede für Party und Alkohol. Hier geht es auch um Teamwork, um ehrenamtliches Engagement. Eckl ist überzeugt: „Würden wir die Helfer bezahlen, wäre die Stimmung eine andere. Wir brauchen Menschen, die für die Sache brennen.“ Dass das viele tun, zeigt zum Beispiel die Website, die ein IT-Student vergangenes Jahr eigens fürs Festival entworfen hat. „Stustapay“ ist eine sogenannte Open Source, über die Zahlungen laufen: Am Eingang aufladen, dann bei jedem Bier oder Snack das Armband auf das Display halten. Fertig. Das spare Bargeld und Zeit.

„Extrem praktisch“, ruft eine junge Frau, die dem Barkeeper in der „Cuba Lounge“ gerade ihr Armband für einen Aperol entgegenstreckt. In diesem schweißtreibenden Cocktail-Zelt neigt sich der Abend dem Ende zu. Dort werden 2010er-Hits statt Live-Acts gespielt. Schnell gezahlt, dann wieder rein in die Menge, denn: „Oh my god!“, da sei es ja, ihr Lieblingslied: „Taki Taki Rupa“ von DJ Snake und Selena Gomez. Auf dem Stustaculum gibt es eine Ecke für jeden Geschmack.

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