Süddeutsche Zeitung

Studierenden-Magazin "Philtrat" an der LMU:Dann halt online

Die Macher von "Philtrat" halten ihr Produkt während der Pandemie digital am Leben

Von Sabine Buchwald

Es steht ein Jubiläum an, aber das Coronavirus lässt es nicht zu. Und so gibt es immer noch keine 30. Ausgabe des Münchner Studierenden-Magazins Philtrat. Schon im vergangenen Sommer hätte das Jubiläumsheft erscheinen sollen. Aber die Redaktion hatte Angst, auf den Druckkosten sitzen zu bleiben, und es deshalb nicht produziert. Im Germanistik-Gebäude der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und rund um die Schellingstraße 3, wo das Magazin üblicherweise verkauft wird, ist es seit mehr als zwölf Monaten viel stiller als sonst. Die Studentinnen und Studenten sind gezwungen, von zu Hause aus zu lernen. Wie soll man ihnen also ein gedrucktes Magazin verkaufen?

"Wir sind finanziell unabhängig, deshalb können wir uns einen schlechten Verkauf nicht leisten", sagt Murilo Macena, einer der Chefredakteure des Blattes und als solcher verantwortlich für den Online-Bereich. Das gedruckte Heft ging bislang zum studentenfreundlichen Preis von einem Euro an die Leserschaft und erschien zwei Mal jährlich immer zum Semesterschluss. Schon seit 2005. Nun ist wieder ein Studienhalbjahr ohne Philtrat zu Ende gegangen, jedenfalls ohne das Printprodukt.

Denn Philtrat existiert in einer anderen Form weiter. Es hat den Sprung in ein übersichtliches, gut gepflegtes Online-Format geschafft. Der Fokus liegt klar auf aktuellen studentischen Themen wie Bafög-Regelungen in Coronazeiten. Auch werden Ausstellungen und Cafés besprochen, Bands interviewt und Beziehungsprobleme aufgegriffen. Auf die Frage, wie es Philtrat in diesen Tagen geht, antwortet Murilo Macena ohne zu zögern: "Sehr gut." Die Redaktion stehe zusammen und habe sich auf die Pandemie-Bedingungen eingestellt. "Dass es so gut weitergeht, hatten wir nicht erwartet", sagt der 23-Jährige.

Die Pandemie hat den Online-Auftritt beflügelt. Die jungen Redakteure seien nun mehr in den sozialen Medien präsent als noch vor einem Jahr und versuchten, mindestens zwei Artikel pro Woche auf die Webseite zu stellen, erzählt Macena. Ziel sei, das Projekt am Leben zu halten, aber auch irgendwann wieder das gedruckte Hefte herauszubringen. Im Gegensatz etwa zu Servus: Das Magazin des Studentenwerks hat sich im Januar mit einer definitiv letzten Print-Ausgabe verabschiedet. Es wird nur noch im Netz erscheinen.

Philtrat wirkt auch beruflich für viele der Mitarbeiter wie ein Katalysator. Einige arbeiten inzwischen bei anderen Münchner Medien mit. Macena hat durch Philtrat einen neuen Ausbildungsweg gefunden. Er hatte mit Japanologie an der LMU angefangen und ist kurz darauf als Layouter bei Philtrat eingestiegen. Das Studium hat er nicht lange durchgehalten, stattdessen eine Ausbildung zum Mediengestalter bei einer Agentur begonnen. Über Philtrat sei er auf die Idee dazu gekommen, sagt er. Jetzt kann er bei dem Studierenden-Magazin ausprobieren, was er tagsüber in der Arbeit oder der Berufsschule lernt. Man braucht keine Immatrikulationsbescheinigung, um mitarbeiten zu dürfen.

Auch Gözde Çelik, 24, ebenfalls Chefredakteurin, ist wohl bald keine Studentin mehr. Sie hat gerade ihre Masterarbeit in Soziologie geschrieben. Zuletzt hat sie im März über eine Online-Diskussion der Grünen zur geplanten Neufassung des bayerischen Hochschulgesetzes geschrieben. Ansonsten arbeitet sie konzeptionell und überlegt sich Themen. Früher stand jedes Heft unter einem Motto. Im Januar 2020 hieß es beispielsweise "Laut" mit Texten über Musik und Demos, im Juli 2019 war unter dem Titel "Lust" die weibliche Sexualität im Fokus. "Wir wollen sehr nah an der Lebenswelt der Studierenden sein", sagt Çelik. Auch der Bezug zu München sei dem Redaktionsteam wichtig.

Für die jungen Philtrat-Journalisten öffnen sich Türen der Universität, die anderen verschlossen bleiben. Sie bekommen Kontakt zu Dozenten und Mitarbeitern, die auch bei Philtrat zu Wort kommen. Vergangene Woche erzählte Claudia Agne, Auslandsbeauftragte der LMU, wie man in Corona-Zeiten ein Auslandssemester planen kann. Sie bekomme viel mehr mit vom Unileben, sagt Çelik. Während der Pandemie und den erzwungenen Monaten allein am Schreibtisch hat die ehrenamtliche Arbeit bei Philtrat ihr und auch den gut 40 anderen Mitarbeitern Halt gegeben. Die Redaktion sei sogar gewachsen, sagt Çelik.

Philtrat sei immer offen für Neuzugänge, sagt ein anderes langjähriges Redaktionsmitglied. Für ihn war es als Erstsemester und Neu-Münchner die beste Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Im Moment trifft man sich eben online. Über Zoom werden Spieleabende und Workshops veranstaltet. Mal verabredet man sich zu Scrabble, mal übt man gemeinsam Meldungen und Berichte schreiben.

Philtrat war nie eine Protestpostille, kein alternatives Flugblatt. Die Qualität der Texte und Bilder ist hoch, 2015 hat das Magazin den "Pro Campus Presse Award" gewonnen, gewählt von Vertretern unter anderem der Zeit, der FAZ und dem Deutschen Journalisten-Verband. 2019 kam Philtrat noch einmal auf den zweiten Platz. Das Printprodukt wohlgemerkt, dessen 30. Ausgabe noch aussteht.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2021
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