Süddeutsche Zeitung

Studieren in München:Ärger mit dem Semesterticket

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Sie zahlen, was sie nicht nutzen: Münchner Studenten müssen ein Semesterticket kaufen, auch wenn sie im Ausland studieren. Die Verkehrsgesellschaft verdient an den abwesenden Studenten - und das nicht zu knapp.

Von Jannik Pentz

Auch in diesem Semester wird Patrick Drell wieder Geld für ein Semesterticket bezahlen, das er überhaupt nicht benutzen kann. Der 25-jährige Student braucht das Ticket nicht und er will es auch gar nicht haben, denn in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen ist es nicht gültig. Benutzen kann er es nur im 840 Kilometer weit entfernten München. Aber seit Patrick vor über sieben Monaten sein Auslandsstudium begonnen hat, war er nicht mehr in der bayerischen Landeshauptstadt.

Wie Patrick Drell geht es etwa 1500 Münchner Studenten: Sie müssen jedes Semester ein Ticket kaufen, das sie während ihres Auslandsstudiums nicht nutzen können. Der Grund dafür ist, dass jeder, der an einer der drei großen Münchner Universitäten eingeschrieben ist, einen verpflichtenden Ticketbeitrag in Höhe von 59 Euro bezahlen muss. Eine Befreiung von diesem Grundticket gibt es nur für Gasthörer und schwerbehinderte Studenten, die bereits ein anderes Ticket besitzen. Wer sich hingegen für ein Auslandssemester beurlauben lässt, der muss trotzdem zahlen. Durch die abwesenden Studenten verdient der MVV jedes Jahr einen sechsstelligen Betrag.

Studentenvertreter kritisieren das: "Wir hätten schon gerne, dass Studenten im Ausland vom Sockelbeitrag befreit werden", sagt Sandro Steger von der Studierendenvertretung der Hochschule München. In der Umsetzung sei das aber schwierig. "Eine Befreiung müsste voraussetzen, dass Studenten wirklich das gesamte Semester im Ausland verbringen, inklusive der Semesterferien. Da ist der Nachweis schwierig."

Austauschstudent Patrick Drell ärgert besonders, dass er jetzt gleich doppelt für Bus und Bahn zahlen muss: Ein Mal in München und ein Mal in Kopenhagen. Gleichzeitig verdient der MVV an den Austauschprogrammen gewissermaßen doppelt: Denn auch die ausländischen Studenten, die für eine begrenzte Zeit nach München kommen, müssen das Grundticket erwerben.

Die Verantwortung für die Umsetzung des Tickets liegt beim Studentenwerk München. Hier verweist man auf die Vorteile des Modells: "Es handelt sich um einen Solidarbeitrag, der das Semesterticket für alle Studierenden an den Hochschulen überhaupt erst ermöglicht", sagt Sprecher Ingo Wachendorfer. Zudem würden auch Austauschstudenten vom Grundticket profitieren, etwa bei Fahrten zum Flughafen.

Tatsächlich muss sich das Münchner Semesterticket erst noch bewähren. Jahrzehntelang war München die einzige deutsche Großstadt, die ihren Studenten kein eigenes Ticket anbieten konnte. Erst Ende 2012 einigten sich der MVV und die Universitäten mit den Studierenden auf eine Lösung. In einer Urabstimmung hatten damals Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), der Technischen Universität und der Hochschule München für die Einführung eines Sockelmodells gestimmt. Seitdem bekommt jeder Student für den verpflichtenden Grundbetrag von 59 Euro ein "Feierabendticket". Es erlaubt Fahrten im gesamten MVV-Netz, allerdings erst nach 18 Uhr und am Wochenende. Wer rund um die Uhr fahren möchte, kann das Grundticket für zusätzlich 141 Euro zur Isarcard Semester aufwerten lassen.

"Ich habe damals sogar für das Semesterticket gestimmt", sagt Patrick Drell. "Aber es war nie die Rede davon, dass wir im Ausland auch etwas zahlen müssen." Vielen Studenten ging es ähnlich, sie fühlten sich über den Tisch gezogen. Nach mehreren Anfragen stellte die Verwaltung der LMU in einer Rundmail deshalb noch einmal klar: "Den zusätzlichen Beitrag für das Semesterticket müssen alle Studierenden jedes Semester entrichten, auch im Fall einer Beurlaubung vom Studium."

Ob das so bleibt, ist jedoch fraglich. Ende November werden Vertreter des MVV mit den Universitäten und den Studenten die Zukunft des Semestertickets beraten. Die Studierendenvertreter möchten sich dann wieder für eine Befreiung im Auslandssemester einsetzen. Patrick Drell wird das nichts mehr nützen. Sein Auslandsjahr endet im September.

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Quelle:
SZ vom 31.03.2014
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