Studie:Was Münchner Radler bewegt

Was hilft, was wird gesucht - und was fehlt den Fahrradfahrern? Die Bundeswehr-Uni hat den Routenplaner von MVV und Stadt ausgewertet - und findet dabei heraus, unter welchen Bedingungen noch mehr Münchner aufs Rad umsteigen würden.

Von Christian Krügel

Die Ergebnisse dieser Studie müssten den Verantwortlichen der "Radlhauptstadt München" eigentlich gefallen: Die Bürger in Stadt und Umland sind begeisterte und fleißige Radfahrer - mit einem Faible für digitale Hilfestellung. Entsprechend gut nehmen sie den Online-Radroutenplaner an, den das städtische Gesundheits- und Umweltreferat und der Münchner Verkehrsverbund (MVV) entwickelt und 2015 gestartet haben.

Doch es gibt auch eine Kehrseite dieser Ergebnisse: Offenbar wären noch weit mehr Münchner bereit, regelmäßig mit dem Rad zur Arbeit zu fahren und Ausflüge zu machen, wenn endlich zwei Voraussetzungen erfüllt wären: Es müsste dringend bessere Radwegverbindungen geben, und die Sicherheit für Radler sollte deutlich verbessert werden. "Wenn die Politik wirklich das Radfahren massiv fördern will, muss sie die Infrastruktur deutlich ausbauen und attraktivere Routen schaffen", sagt Florian Paul.

Einblicke in die Vorlieben und Sorgen der Radler

Der Diplom-Geograf forscht seit Juli 2013 am Institut für Verkehrswesen und Raumplanung der Bundeswehr-Uni in Neubiberg zum Thema Radverkehr und E-Bikes und hat jetzt eine Studie vorgelegt, die einen Einblick in Vorlieben und Sorgen der Münchner Radler gibt. Paul wertete in den vergangenen Monaten Routenberechnungen aus, die der MVV-Radroutenplaner zwischen April und August 2015 seinen Nutzern ausgegeben hat.

Dieses Online-Tool starteten MVV und Stadt im vergangenen Frühjahr. Wie bei einem Auto-Navigationssystem kann der Nutzer sich die besten und schnellsten Fahrradrouten anzeigen lassen. Anders als bei herkömmlichen Navis ist das System aber mit den Linien- und Fahrplänen aller Verkehrsmittel im MVV kombiniert. Zudem kann der Nutzer auch zwischen besonders familien- und umweltfreundlichen Touren wählen. Auch die Art seines Fahrrads, seine eigene Fitness oder Radlverleihstationen berücksichtigt der Routenplaner auf Wunsch. Und da er auf "Open Street Map" basiert, also auf einer Art digitalen, individuell anpassbaren Straßenkarte, können die Nutzer vorgeschlagene Routen nach ihren Vorstellungen ändern. Das Tool gibt GPS-Tracks fürs Handy aus, ist aber via App auch direkt vom Smartphone aus abrufbar.

Ein großes interaktives Spiel- und Werkzeug also, dass die Radler in München und im Umland offenbar als sehr hilfreich empfinden: Mehr als 500 000 Berechnungen registrierte der Routenplaner zwischen April und September 2015. 130 000 Daten wertete Florian Paul aus. Da diese alle anonym sind und nichts darüber aussagen, ob der Nutzer wirklich die Tour gefahren ist, startete der Diplom-Geograf im Dezember zusätzlich noch eine Online-Umfrage unter den Nutzern. Rund 300 beteiligten sich, so dass nun eine erste belastbare wissenschaftliche Auswertung des neuen Tools vorliegt.

Besonders bliebtes Ausflugsziel: der Starnberger See

Das wohl wichtigste Ergebnis für Stadt und MVV: Das Angebot wird sehr gut angenommen, denn rund 60 Prozent aller Touren, die berechnet werden, werden dann von den Nutzern auch gefahren. "Ein Ergebnis, das uns selbst positiv überrascht hat", sagt Bernhard Fink, beim MVV zuständig für den Routenplaner. Niemand habe mit einer so hohen und schnellen Akzeptanz gerechnet.

Die erstreckt sich bisher allerdings fast ausschließlich auf das Stadtgebiet: Die Start- und Zielpunkte der berechneten Routen liegen zu fast 80 Prozent innerhalb Münchens. "In den Umlandgemeinden ist der Planer offenbar noch viel zu wenig bekannt", folgert Florian Paul. Auffällig seien aber die Ziele, die im Umland am häufigsten gewählt würden: Neben dem Starnberger See als klassischem Ausflugsziel sind es die nördlichen Umlandgemeinden, allen voran Unterföhring und Garching. Das zeige, dass es dort auch einen signifikanten Anteil von Berufspendlern gebe, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen.

Das bestätigt auch eine andere Zahl: Gefragt nach dem Zweck der Fahrt geben zwar etwas mehr als 70 Prozent Ausflug und Freizeit an, immerhin 56 Prozent aber auch Pendeln zum Arbeitsplatz. Für Florian Paul eine wichtige verkehrspolitische Aussage, da sie ahnen lasse, wie viele Pendler bereit wären, vom Auto oder öffentlichen Nahverkehr aufs Fahrrad umzusteigen. Allerdings unter gewissen Voraussetzungen: Gefragt, was die Nutzer des Routenplaners zum häufigeren Radeln animieren könnte, rangieren zwei Wünsche ganz oben - bessere Radwege und mehr Sicherheit im Straßenverkehr.

Für Florian Paul ist das nicht überraschend: Er legt selbst täglich zwölf Kilometer von seiner Wohnung in Sendling zur Uni nach Neubiberg zurück und weiß daher um das "erhebliche Konfliktpotenzial, dass es zwischen Auto-, Radler- und Fußgängerverkehr gibt". Dieses Potenzial müsse dringend entschärft werden, wobei es dafür kein Allheilmittel gebe, so der Verkehrsforscher. Natürlich könnten eigene Radlerspuren und eine Entflechtung von Auto- und Fußverkehr helfen. Aber auch stärkere Sanktionen gegen Verkehrssünder seien notwendig, etwa wenn Autofahrer Geh- und Fahrradwege zuparkten.

Infrastruktur für Radler muss verbessert werden

Zwingend ausgebaut werden müsse die Infrastruktur für Radler. Die Idee, radiale Radlerautobahnen vom Umland in die Stadt zu schaffen, sei in jedem Fall richtig, ebenso das zuerst im Münchner Norden vom TU-Campus in Garching Richtung Innenstadt umzusetzen. "Die Analyse der Start- und Zielpunkte aus dem Radroutenplaner zeigt für diesen Streckenabschnitt zumindest eine hohe Nachfrage", sagt Paul.

Auch digitale Tools wie der Radroutenplaner könnten helfen, den Radverkehr massiv zu fördern. Florian Paul appelliert daher dringend an Stadt und MVV, den Planer auszubauen, hin zu einer "Mobilitätsplattform für den Radverkehr". Neben einer noch besseren Bedienbarkeit wünscht er sich Ergänzungen zu den Themen Tourismus und Elektromobilität: "Der Anteil von Pedelecs in München ist noch vergleichsweise gering, wird aber dramatisch steigen", prognostiziert Paul.

Bernhard Fink vom MVV will den Empfehlungen des Verkehrsforschers unbedingt folgen. Daher soll fortlaufend an Optik und Bedienbarkeit des Routenplaners gearbeitet werden, ebenso an neuen Funktionalitäten. Fink kann sich vorstellen, irgendwann auch besondere Gefahrenstellen an unfallträchtigen Kreuzungen auszugeben oder die Zahl der Ampelanlagen auf der Strecke. Es müsse eine "Plattform für alle Informationen werden, die für den Radler wichtig sind", so Fink. Und eines zeige sich jetzt schon: Je mehr Radler den Planer nutzen, je mehr Rückmeldungen der MVV bekomme, desto besser komme man voran.

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