Studie:"Viele Wohnungen landen gar nie auf dem Markt"

Wohnungen in München

Wer über Freunde, Bekannte oder Kollegen an seine Wohnung gekommen ist, zahlt im Durchschnitt nur so viel wie die Mieter von Bestandswohnungen.

(Foto: dpa)
  • Die Mieten auf Wohnungsportalen passen selten zum Mietspiegel. Das zeigt jetzt auch eine Untersuchung der Ludwig-Maximilians-Universität.
  • Die auf den Portalen angebotenen Wohnungen seien so teuer, dass sie niemand haben möchte.
  • Auf den Portalen stünden nur die Wohnungen, die nicht unter der Hand vergeben werden, sagt Statistik-Professor Göran Kauermann.

Von Anna Hoben

Wohnungssuchende müssen jeden Tag ganz stark sein. Der Blick ins Onlineportal Immobilienscout24 geht für sie durchaus als Mutprobe durch: Wie weit kann ich nach unten scrollen, bevor mein Tag verdorben ist?

Kleine Stichprobe: Exklusive Dachterrassenwohnung, Sendlinger Straße, 25 Euro monatliche Kaltmiete pro Quadratmeter. Erstbezug in Perlach, 18,50 Euro kalt. 19 Euro kalt in Moosach. Ganz zu schweigen von möblierten Wohnungen von Anbietern wie Mr. Lodge.

Man fragt sich: Auf welchem Planeten liegt dieses Immobilienscout-München eigentlich? Und wie gehen diese Preise mit dem Mietspiegel zusammen? Der weist nämlich für 2017 eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 11,23 Euro aus.

"Wenn man den Mietspiegel mit dem vergleicht, was man auf Portalen wie Immobilienscout sieht, dann vergleicht man Äpfel mit Birnen", sagt Göran Kauermann. Er ist Statistik-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität und seit 2013 an der Auswertung der Daten für den Mietspiegel beteiligt.

Auf Immobilienscout herrsche "nachvollziehbarerweise ein viel höheres Mietpreisniveau". Auf dem Portal, so Kauermann, stünden ja nur die Wohnungen, die nicht unter der Hand vergeben werden. Und die Wohnungen, die länger stehen bleiben, seien jene, die so teuer sind, dass sie keiner haben will.

Und so ist es ja in München: Wenn jemand auszieht, stehen schon Freunde oder Bekannte Schlange, die einziehen wollen. "Viele Wohnungen landen gar nie auf dem Markt", sagt Kauermann. In den Befragungen für den Mietspiegel haben die Interviewer von Kantar TNS, ehemals TNS Infratest, in diesem Jahr zum ersten Mal abgefragt, wie die Mieter an ihre Wohnung gekommen sind.

Bei den Mietern mit neuen Verträgen (bei denen das Mietverhältnis in den letzten vier Jahren begonnen hat und noch keine Mieterhöhung erfolgt ist), zeigte sich folgende Verteilung: 52 Prozent haben ihre Wohnung über eine Internetplattform gefunden, 31,8 Prozent über Freunde, Bekannte oder Kollegen. Der Rest wurde über Makler, Zeitungsinserate oder auf anderen Wegen fündig.

Die Stadt soll beim Mietspiegel 2017 getrickst haben

Es zeigte sich auch, dass eine neu vermietete Wohnung in München etwa zwei Euro pro Quadratmeter teurer ist als eine Bestandswohnung (wobei Bestandswohnungen nur in den Mietspiegel eingehen, wenn die Miethöhe innerhalb der vergangenen vier Jahre "angepasst", also erhöht wurde).

Wer allerdings über Freunde, Bekannte oder Kollegen an seine Wohnung gekommen ist, zahlt im Durchschnitt nur so viel wie die Mieter von Bestandswohnungen. Generell gilt: "Wurde die Wohnung über Immobilienscout gefunden, ist sie deutlich teurer", sagt Kauermann.

Institut für Statistik, Erstellung des Münchner Mietspiegels

Göran Kauermann ist seit 2013 an der Auswertung der Daten für den Mietspiegel beteiligt.

(Foto: Florian Peljak)

Der qualifizierte Mietspiegel ist seit Jahren ein Streitobjekt in München. Vergangene Woche hatte der Haus- und Grundbesitzerverein schwere Vorwürfe gegen die Stadt erhoben. Schon 2015 hatte der Verein dem Sozialreferat Manipulation vorgeworfen und auf Herausgabe der Daten geklagt, mit denen die Stadt das Zahlenwerk erstellt.

Nun wiederholt sich das Ganze, der Ton hat sich noch verschärft. Vereinschef Rudolf Stürzer ist überzeugt, dass die Stadt beim Mietspiegel 2017 getrickst habe. Sie habe, so vermutet er, die Mieten von Genossenschafts- und Sozialwohnungen eingerechnet, obwohl das verboten sei.

Der Statistiker Göran Kauermann weist diesen Vorwurf vehement zurück. "Das kann vom Prozedere her gar nicht sein." Die Interviewer müssten bei jeder Befragung explizit prüfen, ob die Wohnung in irgendeiner Form subventioniert sei - und in so einem Fall das Interview abbrechen.

Wisse der Mieter nicht genau, ob seine Wohnung bezuschusst ist, auch das komme vor, schauten die Marktforscher von Kantar TNS in einer Datei nach, in der alle Adressen mit mietpreisgebundenem Wohnraum aufgelistet sind. "Dann gehen sofort die roten Signallampen an."

Wenn die Stadt die Daten herausgebe, wie Haus und Grund fordert, sei die Anonymität der Mieter nicht mehr gewährleistet. "Das ist aber vom Datenschutz her absolut notwendig, die Mieter wollen geschützt bleiben", sagt Kauermann. Schon vor zwei Jahren habe er dem Haus- und Grund-Chef Stürzer auf dessen damalige Vorwürfe hin einen langen Brief geschrieben und ein Gespräch angeboten. "Er hat nicht darauf reagiert."

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