Süddeutsche Zeitung

Studie:Brennpunkt Ortskern

Das lang erwartete Verkehrskonzept für den Münchner Süden lässt den großen Wurf vermissen. Viele Ideen gelten derzeit als nicht realisierbar, die Planer setzen auf Radwege, die Trambahn und weitere Untersuchungen

Von Jürgen Wolfram

So kurz sie mit ihren 747 Metern auch ist, so sehr ist sie zum Synonym für die Verkehrsprobleme im Münchner Süden geworden: die Liesl-Karlstadt-Straße in Forstenried. Heimgesucht von regelmäßigen Staus, gebeutelt von Abgas-Spitzenwerten. Doch es gibt in den Stadtvierteln zwischen Fürstenried und Thalkirchen noch jede Menge andere neuralgische Punkte oder verfahrene Situationen. Auswege aus dem mannigfachen Dilemma soll ein Verkehrskonzept weisen, auf das Bürger und Lokalpolitiker lange, sehr lange gewartet haben. Diese Studie - Verfasser ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung - liegt nun vor.

In das umfängliche Werk eingeflossen sind Anregungen aus Bürgerwerkstätten ebenso wie Beschlüsse aus Bürgerversammlungen, die Ergebnisse einer wissenschaftlichen "Flussverfolgung" des Verkehrs, Stadtratsbeschlüsse, Bezirksausschuss-Empfehlungen. Etliche Ideen sind auf ihre Umsetzbarkeit überprüft worden, häufig ohne das gewünschte Ergebnis. "Wie sich gezeigt hat, sind viele Vorschläge unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen derzeit nicht machbar", heißt es im Fazit der Betrachtung durch die städtischen Planer. Schon gar nicht skizziert die Studie einen großen Befreiungsschlag, der den Bewohnern des Münchner Südens gravierende Verkehrserleichterungen bescheren würde. Dagegen steht allein schon der permanente Zuzug von Menschen mit ihren Autos. Was bleibt, sind eine profunde Analyse und ein paar eher überschaubare Lösungsansätze.

Der Münchner Stadtrat hält gleichwohl an seiner Forderung fest, den Stadtbezirk Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln durch verkehrsberuhigende und -lenkende Maßnahmen zu entlasten. Um dieses Ziel zu erreichen, spricht das Planungsreferat eine Reihe von Empfehlungen aus, die weitere Machbarkeitsstudien nach sich ziehen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht das Zentrum von Forstenried, was viel mit dem regierungsamtlichen Stopp der Planungen für den Stäblistraßen-Durchstich zu tun hat, der die Liesl-Karlstadt-Straße einst hätte entlasten sollen.

Jetzt wird empfohlen, zu prüfen, ob auf dieser ehemaligen Straßentrasse wenigstens eine durchgängige Rad- und Fußwegverbindung angelegt werden könnte - ein alter Wunsch des Bezirksausschusses, vor allem seiner Mitglieder aus Forstenried. Das Kommunalreferat wird gebeten, entsprechende Verhandlungen zum Grundstückserwerb zu führen. Bringen diese nicht den Erfolg, soll eine Ausweichroute geplant werden, die über die Bauweberstraße verläuft und den Umbau des Zufahrtsbereichs des alten Trambahn-Tunnels unter der Garmischer Autobahn beinhaltet. Ein Grunderwerb wird ebenso empfohlen, um auf Höhe der Zirkuswiese einen durchgängigen Fußweg an der Forstenrieder Allee zu schaffen. Der gesamte Straßenzug Stäblistraße/Forstenrieder Allee/Liesl-Karlstadt-Straße soll überdies als "Hauptverkehrsroute" in den Verkehrsentwicklungsplan aufgenommen werden. Was einer Bestätigung gleichkommt, dass es der Ortskern von Forstenried inzwischen zu einem Verkehrsbrennpunkt gebracht hat.

Weitere Überlegungen zielen auf die angespannten Verkehrsverhältnisse in Teilen von Solln. Zur Vermeidung des Schleichverkehrs im Umgriff der Wolfratshauser/Herterich-/Wilhelm-Leibl-Straße soll das Planungsreferat eine Machbarkeitsstudie vergeben. Diese solle "mit begleitender Öffentlichkeitsbeteiligung umsetzbare Verbesserungsvorschläge" erarbeiten. Ans Kreisverwaltungsreferat ergeht der Auftrag, zu prüfen, ob für die Straßen westlich der Drygalski-Allee die Lkw-Durchfahrtsperre "weiter verdeutlicht" werden könnte.

Seit einigen Jahren häufen sich die Beschwerden der Menschen aus dieser Gegend über den lebhaften Durchgangsverkehr in ihren Wohnstraßen. Bei mehreren Ortsterminen und Besprechungen habe sich jedoch "deutlich gezeigt, dass die subjektive Wahrnehmung der Anwohnerschaft und die objektive der Verwaltung sowie der Polizei divergieren", heißt es in der Studie. Klar geworden sei auch, dass Einzelmaßnahmen zur Beseitigung eines lokalen Missstandes immer einen Nachteil für andere Straßen nach sich ziehen würden, in Solln wie anderswo. Diese Feststellungen haben bereits zu wütenden Reaktionen von Bürgern aus der Bleibtreustraße und der Wilhelm-Leibl-Straße geführt. "Ein Schlag ins Gesicht aller Anwohner", heißt es in einer Stellungnahme, die der SZ vorliegt.

Zu den klaren Ansagen der Verkehrsplaner gehört ein Bekenntnis zur Aufwertung des Radwegenetzes. Radfahrern in Solln soll mit dem Anbringen eines Hinweisschildes geholfen werden, welches das Radeln auf der Fahrbahn der Hofmannstraße ab der Emil-Dittler-Straße erlaubt. In Fürstenried-West sehen die Planer Handlungsbedarf in der Graubündener Straße. Weil dort parkende Lkw zunehmend die Radwege blockieren, seien mehr polizeiliche Verkehrskontrollen nötig. Geprüft werden soll in dieser Ecke der Stadt, ob eine neue Wegeführung für den Radverkehr realisierbar wäre, die zwischen Maxhof sowie dem Isartalbahn-Radweg verlaufen und über den S-Bahnhof Solln führen würde.

Zum öffentlichen Personennahverkehr trifft das verkehrspolitische Gesamtkonzept für den Stadtbezirks 19 ebenfalls Aussagen. Von der geplanten Tram-Westtangente verspricht man sich im Planungsreferat langfristig Vorteile für den Verkehr im Süden und Südwesten der Stadt. Vorerst sei zur Stärkung des Tangentialverkehrs eine "Ertüchtigung der Metrobuslinien" vorzusehen.

Mit einem "Mobilitätsmanagement" will die Stadt dem Hol- und Bringverkehr an Kindertagesstätten und Schulen beikommen. Dessen Reduktion um bis zu 20 Prozent sei möglich. Beratung und Training, spielerisches Lernen unter Einbeziehung von Lehrern und Eltern sollen dabei zum Erfolg führen. Ein dringliches Anliegen, wie etwa die heikle Lage von Grundschule und Kinderhaus an der hoch frequentierten Herterichstraße zeigt.

Wie es mit dem Konzept weitergeht? Nach seinem fünfjährigen, vom Bezirksausschuss wieder und wieder hinterfragten Schöpfungsakt soll nun alles eilig über die Bühne gehen. Immerhin eine Fristverlängerung hat der Bezirksausschuss angesichts des 330 Seiten starken Werkes erreicht. Ein Informationsabend findet am Dienstag, 24. Juli, 18 Uhr, im Bürgersaal Fürstenried-Ost, Züricher Straße 35, statt. Fragen sind bis 15. Juli bei der BA-Geschäftsstelle, Meindlstraße 14, oder als E-Mail via ba19@muenchen.de, einzureichen. Am 20. September tagen dann die Lokalpolitiker in einer Sondersitzung.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2018
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