Studentenproteste in München:Den Aufstand geprobt

Schlachtrufe, Schlafsäcke und Schmierereien: Seit Tagen organisieren Münchens Studenten in der Kunstakademie Protestaktionen. Doch die Geduld des Direktors ist vorbei.

Lisa Sonnabend

Wie bedient man eigentlich ein Megaphon? Etwa 30 Studenten sitzen in einem Raum der Akademie der Bildenden Künste und planen eine Protestaktion vor dem Wissenschaftsministerium. Auf dem Boden liegen Schlafsäcke und Isomatten. Einem Studenten fallen im Sitzen die Augen zu, andere husten und haben sich in Decken gehüllt. In einer Ecke steht eine große Thermoskanne, auf der steht: "Glühwein-Armee-Fraktion".

Seit Donnerstag haben Münchens Studenten die Kunstakademie besetzt - als Protestaktion gegen das Bildungssystem und aus Solidarität mit den Studentenprotesten in Österreich. Rund 200 junge Menschen diskutieren hier jeden Tag bis spät nachts im Plenum oder in Arbeitsgruppen über den Sinn von Studiengebühren oder Bachelorabschlüssen und organisieren Protestaktionen. Sie versorgen sich in der "Volksküche" und etwa 30 Studenten übernachten in den Räumen der Akademie.

Doch von einer Besetzung der Akademie spricht seit Dienstagmittag keiner mehr. Auch das Bettlaken, das aus einem Fenster hing und auf dem in großen Buchstaben "Besetzt!" stand, ist inzwischen verschwunden. Denn der Akademie-Direktor Nikolaus Gerhart, der in den ersten Tagen die Protestaktion geduldet hat, kündigte an, dem Treiben nun ein Ende zu setzen.

"Besetzen ist kontraproduktiv", sagt Gerhart in einer hitzigen Diskussion mit den Studenten in der Plenumssitzung. Der Unibetrieb werde durch die Protestierenden gestört und die Wände der Akademie werden zunehmend mit Graffiti beschmiert. "Wir erwarten bis morgen einen Rückzug", fordert der Direktor. Den Studenten wolle man zwar Räume weiterhin zur Verfügung stellen, allerdings müsse die Nutzung vorher von der Akademie genehmigt werden.

Erst einmal geht der Protest an diesem Nachmittag jedoch weiter: Der Liedermacher Konstantin Wecker singt mit den Studenten Revolutionslieder, anschließend ziehen die Studenten mit Regenschirmen zum Wissenschaftsministerium.

Im Plenum wird die Einteilung der Barschichten für die Party am Abend organisiert und ein Redner für einen Vortrag über das Münchner Bildungswesen gesucht. Es geht basisdemokratisch zu. Die beiden Plenumsleiter bestimmen, wer mit einer Wortmeldung an der Reihe ist, eine Studentin führt Protokoll. Immer wieder verlassen Studenten den Raum, weil sie zu einer Vorlesung müssen. Die meisten nehmen Flyer mit, um weitere Studenten für die Protestaktion zu gewinnen.

Politikstudentin Maria Deingruber sagt: "Wir werden auch am Mittwoch weitermachen. Womöglich woanders." Der große Physiksaal im Audimax der LMU würde sich eignen, meint einer.

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