Studentenleben:Was Prominente im ersten Semester gelernt haben

Bernhard Wunderlich bei Pressekonferenz zur Salvatorprobe, 2011

Nicht nur im Reimen ein Profi: Blumentopf-Rapper Bernhard Wunderlich ist jetzt Doktor der Physik.

(Foto: Catherina Hess)

Ein Professor in Lederkluft, Wohnen auf zwölf Quadratmetern und Gewehrschüsse in der Vorlesung: Prominente Ex-Studenten erzählen von ihren Erfahrungen im ersten Semester. Auch außerhalb des Hörsaals.

Von Sebastian Krass

Bernhard Wunderlich: Der Professor in Lederkluft

Mitglied der Hip-Hop-Band Blumentopf, Künstlername "Holunder", als promovierter Physiker an der TU beschäftigt. Er studierte an der TU Diplom-Physik, sein erstes Semester war 1996.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Wir hatten damals mit der Band ein ganzes Haus in Freising, in der Wiesenthalstraße. Das war relativ groß und ziemlich verwinkelt, was den Vorteil hatte, dass wir auch ein Aufnahmestudio in einen Raum bauen konnten. Das Ganze hatte auch einen Namen: "Haushalt 2000". Mein Anteil an den Mietkosten waren 580 Mark, inklusive Nebenkosten.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Dass es gute und schlechte Vorlesungen gibt - und dass man die schlechten auslassen kann, wenn man sich stattdessen mit einem guten Buch auf die Prüfung vorbereitet. Das spart viel Zeit.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Das war ganz klar die Analysis-Vorlesung bei Professor Bulirsch. Das war nicht nur inhaltlich super. Der war auch eine coole Sau mit einer spannenden Biografie. Er war erst Schlosser, hat dann mal ein Buch über Differentialgleichungen in die Hände bekommen und ist drauf hängen geblieben. Daraufhin hat er Mathe studiert und es zum Professor gebracht. Er kam immer mit dem Motorrad zur Uni und hat seine Lederkluft dann im Nebenraum des Hörsaals getauscht. In den Hörsaal kam er dann mit Anzug und sah ganz nach alter Schule aus.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Zum Teil natürlich in Freising in der WG. Aber jeden Donnerstagabend waren wir im Muffatcafé bei der Hip-Hop-Party "Leddariddimhiddya" in München - ein Pflichttermin.

Was muss man als Student im ersten Semester unbedingt erleben?

Im Mathematik-Gebäude in Garching einmal die Parabelrutsche benutzen.

Kim Platten: Viele Erstsemesterpartys feiern

Hockey-Europameisterin 2013, ihr Verein in München ist der MSC. Sie studiert an der TU Medizin, ihr erstes Semester war 2010/2011. Vorher lebte sie bis zum Physikum in Hamburg.

Studentenleben: Die Torfrau Kim Platten wurde 2013 Hockey-Europameisterin.

Die Torfrau Kim Platten wurde 2013 Hockey-Europameisterin.

(Foto: imago sportfotodienst)

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Dort, wo ich heute auch noch wohne: in einer Zweier-WG in Milbertshofen, zusammen mit einer Hockey-Freundin, die damals auch neu nach München kam. Zahlen musste ich dafür insgesamt 390 Euro.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Als ich mich endlich ohne Hilfe von Anderen auf dem riesigen Klinikgelände zurechtgefunden habe.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Der Anatomiekurs. Das war eine ziemlich gute Erfahrung. Es war unglaublich, zum ersten Mal zu sehen, wie kompliziert der menschliche Körper aufgebaut ist. So einen Kurs hat man vorher und nachher nie wieder.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Zum einem guten Teil natürlich in der Lerchenau, beim Hockeyverein. Aber sonst war und bin ich auch oft in Schwabing und der Maxvorstadt unterwegs, vor allem in der Türken-, der Schelling- und der Theresienstraße.

Was muss man als Student im Erstsemester unbedingt erleben?

Man sollte auf jeden Fall so viele Erstsemesterpartys und Einführungsveranstaltungen wie möglich mitmachen. Das ist eine Super-Gelegenheit, um neue Leute kennenzulernen.

Ludwig Spaenle: Im Bann der Landesgeschichte

Studentenleben:  Ludwig Spaenle studierte an der LMU Geschichte und Katholische Theologie.

Ludwig Spaenle studierte an der LMU Geschichte und Katholische Theologie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Chef der Münchner CSU und in der vergangenen Woche als bayerischer Bildungs- und Wissenschaftsminister vereidigt. Er studierte an der LMU Geschichte und Katholische Theologie auf Magister, später folgte die Promotion. Sein erstes Semester war im Jahr 1980.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Ich habe bei meinen Eltern in München gewohnt. Die Kosten hielten sich entsprechend in Grenzen.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Den Alltag selbständig organisieren, die Lehrveranstaltungen, die Bibliothek, die Freizeit. Sehr intensiv habe ich die Freiheit wahrgenommen.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Das ist nicht ganz einfach. Die Landesgeschichte hat mich besonders in ihren Bann gezogen. Unter den Dozenten wird mir der Althistoriker und Nestor dieses Fachgebiets, Hermann Bengtson, immer im Gedächtnis bleiben - nicht zuletzt mit seiner Anforderung an die werdenden Althistoriker: Sie müssen unbedingt das Alt-Griechisch, Latein und zwei alte semitische Sprachen beherrschen. Nur so könne man einen Zugang in die Welt der Antike bekommen.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Für mich waren die Maxvorstadt und Schwabing die Dreh- und Angelpunkte des sozialen Lebens.

Was muss man als Student im Erstsemester unbedingt erleben?

Im Spaß würde man heute sagen: das Semesterende. Aber die Freiheit und neue Freundschaften aufzubauen, das war mir ganz wichtig.

Michael Käfer: Neue Kontakte knüpfen

Studentenleben: Michael Käfer studierte an Fachhochschule München zunächst Tourismus, später Marketing.

Michael Käfer studierte an Fachhochschule München zunächst Tourismus, später Marketing.

Geschäftsführer des Gastronomie- und Feinkostbetriebs Käfer, Betreiber der Disco P1 und Wiesnwirt. Er studierte an Fachhochschule München zunächst Tourismus, später Marketing. Sein erstes Semester war 1979.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Neben dem Studium konnte ich bereits im Unternehmen meiner Familie arbeiten. Im Partyservice kamen bei Abendveranstaltungen und am Wochenende genügend Stunden zusammen, um die Miete zu bezahlen. Die Wohnung war in der Trogerstraße in Bogenhausen und kostete etwa 200 Mark.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Die größte Umstellung war, dass ich selbständig arbeiten musste und nicht an feste Unterrichtsstunden gebunden war. Ich musste mich und meinen Zeitplan alleine organisieren. Das hat dazu geführt, dass ich nicht der fleißigste aller Studenten war, aber je näher die Prüfungen kamen, desto besser wurde ich.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

An die Marketing-Vorlesungen kann ich mich noch gut erinnern, das hat mir immer besonders Spaß gemacht. Aus dem Tourismus-Studium habe ich die Vorlesungen über Kurbäder leider in negativer Erinnerung behalten.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Damals immer noch sehr stark in Schwabing. Es gab aber auch bereits eine kleine Kneipenkultur außerhalb Schwabings, in der Gegend um die Brienner Straße.

Was muss man als Student im Erstsemester unbedingt erleben?

Für einen Studenten, der nicht aus München kommt, sind die vielen kulturellen Erlebnisse natürlich sehr interessant, dazu zählen auch die zahlreichen Diskotheken und das großzügige Nachtleben. Da kann man schon verstehen, wenn einer dieser Studenten das erste halbe Jahr sein Studium nicht ganz so konzentriert verfolgt. Für den Studenten, der in München aufgewachsen ist, zählen mehr die großen Studentenveranstaltungen, bei denen man neue Kontakte knüpft.

Dieter Janecek: Schock in der ersten Vorlesung

Nach der Landtagswahl in Bayern - Pk Grüne

Der Grünen Landeschef Dieter Janecek.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Landeschef der Grünen in Bayern und seit kurzem Mitglied des Bundestags. Er studierte an der Hochschule für Politik (HfP) Diplom-Politikwissenschaft. Sein erstes Semester war 1996/1997.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

In der Studentenstadt. Ich hatte ein zwölf Quadratmeter großes Einzelappartement mit eigener Nasszelle im großen orangefarbenen Haus. Wir waren damals die Ersten, die Internetzugang über DSL bekamen. Gekostet hat es 280 Mark.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Dass man doch so viel Freiraum hat. An der HfP spielt sich das ganze Studium ja abends ab. Da hatte ich viel Zeit zu arbeiten. Ich war beim BR in Freimann und Unterföhring als technische Hilfskraft. Da habe ich manchmal ein paar Wochen am Stück gearbeitet, dann gab es aber auch Wochen, in denen ich viel Luft hatte.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Das war eine Vorlesung bei Professor Obermeier, es ging um Politische Philosophie. Von ihm gab es gleich zu Beginn des Semesters eine klare Ansage: "Schön für euch, dass ihr alle Politik studiert, weil euch das interessiert. Aber ihr müsst euch klar sein, dass ihr alle nach dem Studium arbeitslos werdet." Und das meinte er auch so. Er war ziemlich selbstbewusst, aber auch locker. Er war ein liberales Element an der sonst eher konservativen HfP.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Für mich fast nur in der Studenten-stadt. Ich habe jahrelang kaum etwas von München gesehen. In der Studentenstadt hatte man alles: nicht nur den Englischen Garten vor der Tür, sondern auch jeden zweiten Tag eine Stockwerksparty, Discos, einen Biergarten auf dem 20. Stock - und das alles billiger als in München. Da hat man sich schon überlegt, ob man jetzt eine U-Bahn-Karte kauft.

Was muss man als Student im ersten Semester unbedingt erleben?

Ich komme ja aus einer Kleinststadt, Eggenfelden in Niederbayern. Da war alles sehr homogen, ich kannte eigentlich nur Bayern. Danach war es sehr schön, so viele andere Menschen auch aus anderen Kulturen kennenzulernen. Das ist eine schöne Sache am Studentenleben.

Peter Michael Huber: Kostenlos gewohnt

Bundesverfassungsgericht verkündet Urteil zur Sicherungsverwahrung

Der Bundesverfassungsrichter Peter Michael Huber.

(Foto: picture alliance / Uli Deck)

Richter am Bundesverfassungsgericht und LMU-Professor, ehemaliger Innenminister von Thüringen. Er studierte an der LMU Jura und VWL, sein erstes Semester war im Jahr 1979.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Im Maximilianeum, umsonst.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Unter meiner ersten Klausur im Grundkurs Öffentliches Recht stand: "nur zu geringem Teil brauchbare Leistungen." Das habe ich als Signal verstanden, dass das Studium anders laufen würde als die Schule, und dass man es ernst nehmen muss.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Es gab viele sehr unterschiedliche und gute Lehrveranstaltungen - die pädagogische Eindringlichkeit von Bruno Rimmelspacher im Zivil- und Zivilprozessrecht, der - pädagogisch wirksame - Unterhaltungswert des Strafrechts bei Claus Roxin oder die rhetorische "Performance" von Peter Badura, die mich so beeindruckt hat, dass ich in meiner ersten Vorlesungsstunde den Plan gefasst habe, selbst auch Staatsrechtslehrer zu werden.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

In den Cafés und Kneipen rund um die Uni und im Maximilianeum.

Was muss man als Student im Erstsemester unbedingt erleben?

Die Angebote außerhalb der eigenen Fakultät, Ringvorlesungen, Geschwister-Scholl-Gedächtnisvorlesung, den Studienbetrieb in anderen Fächern.

Hildegard Hamm-Brücher

Hildegard Hamm-Brücher: Lebenslange Dankbarkeit

Studentenleben: Dr.Hildegard Hamm-Brücher studierte ab 1940 an der LMU Chemie.

Dr.Hildegard Hamm-Brücher studierte ab 1940 an der LMU Chemie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ehemalige FDP-Politikerin und Staatsministerin im Außenministerium, heute im Beirat der Weiße-Rose-Stiftung. Sie studierte ab 1940 an der LMU Chemie.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Am Priel in Bogenhausen. Zur Untermiete in einem winzigen Zimmer für 70 Reichsmark. Mein Monatswechsel betrug 150 Reichsmark.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Der Umfang der Pflichtvorlesungen und Seminare für Chemie und Physik. Zudem arbeitete ich von Anfang an als Studienhilfe in der Uni, zum Stundenlohn von drei Reichsmark.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Organische Chemie bei Geheimrat Heinrich Wieland (Nobelpreis für Chemie 1927) meinem späteren Doktorvater und Beschützer vor der Gestapo. Ich bin ihm verbunden in lebenslanger Dankbarkeit und Verehrung.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Für "Nicht-Nazis" in kleinen privaten Zirkeln und Freundeskreisen (etwa der Kreis der später sogenannten Weißen Rose). Für die große Mehrheit der Studenten jedoch in von den Nazis verordneten Vereinigungen.

Was muss man als Student im Erstsemester unbedingt erleben?

Die Mühsal des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens. Und die Freude an diesem Prozess.

Felix zu Löwenstein: Der Schuss in die Wasserkiste

Studentenleben: Der Ökolandwirt Felix Prinz zu Löwenstein.

Der Ökolandwirt Felix Prinz zu Löwenstein.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bio-Bauer, Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und Buchautor. Er studierte an der TU Landwirtschaft. Sein erstes Semester hatte er im Jahr 1973.

Wo und wie haben Sie damals gewohnt? Und zu welchen Kosten?

Als Untermieter der Witwe Feuerstein, ich glaube für 100 Mark monatlich in einem kleinen Zimmer, das so möbliert war, dass man sich darin kaum bewegen konnte. Dafür war es fünf Minuten Fußweg von der Uni entfernt.

Was war der erste Aha-Effekt Ihres Studentenlebens?

Dass man selbst rausfinden muss, wo man wann was zu tun hat. Und dass ich schon wieder Physik lernen musste - das war ein richtiger Schock! Und dass man völlig ohne feierlichen Anlass im Gasthaus essen gehen kann. Das gab es in meinem Leben davor noch nicht.

Welche Lehrveranstaltung oder welcher Dozent ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben, und warum?

Auch hier Physik: Es gab den berühmten Schuss in die Wasserkiste, der eine meterhohe Fontäne hervorruft, und für den im großen Hörsaal, der sich dafür bis auf den letzten Stehplatz füllte, ein echtes Gewehr quer durch den Raum abgeschossen wurde. Vermutlich wäre das heute gegen irgendwelche Vorschriften. Als Dozenten waren es die Professoren Steinhauser und Ziche. Der erste, weil er uns die Landwirtschaft betriebswirtschaftlich strukturiert hat. Und der zweite hat uns beigebracht, dass Zahlen nicht alles sind.

Wo in München hat sich für Sie damals das soziale Leben abgespielt?

Nachdem ich pflichtgemäß einige der angesagten Diskotheken aufgesucht hatte, waren es die Studentenbuden von Freunden und Schwabinger Kneipen. Der "Alte Ofen" war wichtig. Jedenfalls einen entscheidenden Abend lang. Wir sind jetzt 36 Jahre verheiratet. Aber auch Freising hatte seine Kneipen und im Sommer schöne Biergärten!

Was muss man als Student im Erstsemester unbedingt erleben?

Wie viel größer und bunter die Welt ist, als der bisherige Freundeskreis.

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