Depression unter Studenten:Wenn das Studium krank macht

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Marcel Bischofberger hat die Mental-Health-Woche an der TU angestoßen. Er litt früher selbst unter Depressionen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Woche lang beschäftigt sich die Technische Universität mit dem Thema psychischer Gesundheit. Immer mehr junge Menschen leiden an den Folgen von Leistungsdruck und Zukunftsangst.

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Lachen ist erlaubt. Weinen auch. Bei Josef Hader geht immer beides. Deshalb ist er gut ausgewählt, der Film "Arthur & Claire" mit Josef Hader und Hannah Hoekstra in den Hauptrollen für eine Aktionswoche, die für psychische Probleme sensibilisieren will. Die Sehnsucht nach dem Tod bringt Arthur und die um einiges jüngere Claire zusammen. Ihre Motive und Lebenswege sind unterschiedlich, immerhin verbindet den Österreicher und die Niederländerin die Sprachkompetenz. Die Dialoge sind in Hadermanier pointiert, witzig und traurig zugleich. Wichtig aber: Er und sie sprechen miteinander.

Genau das kann in Extremsituationen bedeutend sein, weiß Marcel Bischofberger. Der 28-Jährige hat die "Mental-Health-Aktionstage" initiiert, die von diesem Montag an bis Freitag, 9. November, an der Technischen Universität (TU) München stattfinden. Eine Ausstellung, ein weiterer Film, Diskussionen, Workshops und viele Gespräche mit Betroffenen wie Bischofberger sind im Programm. Organisiert wird sie von der Jungen Akademie der TU München unter dem Titel: #TUM4MIND.

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Bischofberer hat vor einem Jahr seinen Master in Betriebswirtschaftslehre gemacht und studiert jetzt im Fernstudium Psychologie. Dass er je soweit kommen würde, hätte er viele Jahre nicht für möglich gehalten. Er litt unter Angstzuständen, konnte kaum schlafen, hat sich isoliert. Liebeskummer hatte ihn 2012 sukzessive in eine Depression gestürzt, aus der er erst viele Jahre später dank therapeutischer Unterstützung herausfand. Zuerst aber musste er bereit sein, Hilfe anzunehmen. Es gibt für Studenten viele Angebote. Die Aktionswoche soll Optionen aufzeigen. Sein erster Schritt sei eine Mail an das Studentenwerk gewesen, erzählt er. In der Regel dauert es nur ein paar Tage, bis man dort einen Beratungstermin bekommt.

22 Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialpädagogen und Fachberater etwa für juristische Fragen stehen dort bereit. Im vergangenen Jahr wurden fast 12 000 Beratungskontakte in dem umfassenden Netzwerk gezählt. Nicht alle Hilfesuchenden der 14 angeschlossenen Hochschulen kontaktieren wegen psychischer Schwierigkeiten die Beratungsstellen in der "Alten Mensa" am Helene-Mayer-Ring. Oft sind es finanzielle Sorgen, die sie umtreiben. Etwa 7000 Kontakte, so hat das Studentenwerk vermerkt, kamen 2017 zum Thema Studienfinanzierung zustande. Knapp 2500 psychotherapeutische Beratungen (PTB) wurden durchgeführt. Insgesamt klopfen etwa 40 Prozent der Ratsuchenden wegen Lernproblemen und Prüfungsangst an oder weil sie Zweifel an ihrem Studienfach plagen. Etwa genauso viele Studenten suchen Rat aufgrund von Angststörungen und Depressionen bis hin zu Suizidgedanken. Auch bei Suchtgefährdung oder Beziehungskonflikten sind die Mitarbeiter des Studentenwerks Ansprechpartner.

Die Beratungsstelle wurde Anfang der Fünfzigerjahre "versuchsweise" eingerichtet. Ein Versuch, der sich rasch etablierte. Der Beratungsbedarf steige beständig, heißt es aus dem Studentenwerk. Vor zwei Jahren hat man sogar eine "mobile Beratung" eingerichtet. Berater kommen zu den Betroffenen ins Wohnheim oder zum Gespräch ins Café. Etwa 500 000 Studenten deutschlandweit seien psychisch krank, besagt ein Report, den die Barmer Krankenkasse im Februar veröffentlichte. Gerade bei den angehenden Akademikern stiegen Zeit- und Leistungsdruck kontinuierlich, heißt es dort, hinzu kämen finanzielle Sorgen und Angst vor der Zukunft. Wer seine Probleme in sich hinein schluckt und nicht darüber spricht, riskiert seine seelische Gesundheit. Ein Griff zum Telefon kann schon hilfreich sein - übrigens auch für besorgte Freunde. Unter der Festnetznummer der "Nightline München" 089/35713571 erreicht man dienstags und donnerstags von 21 Uhr bis nach Mitternacht ehrenamtlich arbeitende Studenten mit offenen Ohren.

Marcel Bischofberger geht inzwischen sehr offensiv mit seiner Vergangenheit um. Auch in Bewerbungsgesprächen klammert er sie nicht aus. "Ich sehe meine Depression nicht als persönliche Schwäche an, sondern als Erfahrung", sagt er.

Mental-Health-Aktionstage, 5. bis 9. November, TU München/Junge Akademie, Arcisstraße 21. Zum Auftakt an diesem Montag: Austausch im Café Lost Weekend, Schellingstraße 3. Beginn 20 Uhr. "Arthur & Claire" wird gezeigt am Dienstag, 20 Uhr, Hörsaal 1200. Infos und Anmeldung etwa zu den Workshops am Freitag: www.jungeakademie.tum.de/TUM4mind/

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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