Student Academy Awards in Los Angeles:Zwei Oscars für München

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Welf Reinhart (links) und Nils Keller vor der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Einen Doppelerfolg wie diesen gab es noch nie: Die jungen Regisseure Nils Keller und Welf Reinhart werden in Los Angeles für ihre Studenten-Filme ausgezeichnet - der eine mit Gold-Prädikat, der andere mit Silber.

Von Bernhard Blöchl

Ein Studenten-Oscar für die Münchner Filmhochschule ist ein Anlass zur Freude, keine Frage. Noch besser sind zwei Studenten-Oscars. Dieses kleine Wunder ist in diesem Jahr geschehen: Bei der 49. Verleihung der Student Academy Awards, des weltweit wohl wichtigsten Nachwuchspreises der Filmbranche, sind Nils Keller und Welf Reinhart sowie ihre Teams als Sieger ins Rampenlicht des David Geffen Theatre in Los Angeles getreten. "Ein doppelter, großartiger Erfolg für die HFF München", kommentierte HFF-Präsidentin Bettina Reitz. "Zwei Oscars in einem Jahr, das gab es noch nie", schwärmten Julia von Heinz und Marcus H. Rosenmüller von der Abteilung Spielfilm-Regie.

Dass Keller und Reinhart zu den Siegern in der Kategorie "Narrative" zählen, steht seit Ende September fest. Und für jeden Sieger gibt es einen Oscar. Seit Donnerstagabend amerikanischer Zeit sind nun auch die letzten Details, sozusagen der Anstrich geklärt: Es ist Gold geworden für Nils Keller ("Almost Home") und Silber für Welf Reinhart ("Eigenheim"), also das bestmögliche Resultat aus Sicht der HFF. Die zwei Münchner rangierten noch vor Freddy Macdonald ("Shedding Angels") vom American Film Institute, der mit dem Bronze-Oscar geehrt wurde. "Am Ende spielt es natürlich eine gewisse Rolle, welchen der Preise wir gewinnen. Gleichzeitig ist der Gewinn, egal in welcher Farbe, eine riesengroße Ehrung und ein Türöffner für die internationale und nationale Branche", hatte Keller, 31, vor der Entscheidung gesagt. Sein vier Jahre jüngerer Kollege hatte sich ebenfalls bescheiden gegeben: "Ich nehme mit großer Dankbarkeit auch den Bronze-Oscar." Nun darf er sich über Silber freuen.

Einzigartiger Doppelerfolg: Die HFF-Talente Nils Keller (links neben der Statue) und Welf Reinhart (rechts neben der Statue) wurde 2022 in Los Angeles für ihre Studentenfilme ausgezeichnet - der eine mit Gold-Prädikat, der andere mit Silber. (Foto: Hochschule für Fernsehen und Film München)

Egal ob Gold, Silber oder Bronze - ein sogenannter Studenten-Oscar ist eine frühe Adelung für junge Filmemacher. Gut 1800 Einsendungen hat die Academy of Motion Pictures Arts & Sciences in diesem Jahr von mehr als 600 Hochschulen und Universitäten aus aller Welt erhalten, in den Kategorien Experimentalfilm, Animation, Dokumentar- und Spielfilm. Zum ersten Mal wurden die Auszeichnungen 2022 nicht getrennt nach US-amerikanischen und internationalen Produktionen vergeben. Dass in der frisch vereinten Königsdisziplin Spielfilm nun gleich zwei Münchner unter den besten drei sind, darf als Riesenerfolg für die HFF gewertet werden.

"Ich war natürlich völlig aus dem Häuschen. Und habe gleich meine Eltern angerufen", erinnert sich Keller an den Moment, als er Mitte September von der Einladung nach LA erfahren habe. Wie Reinhart auch hat er die Gewinner-Nachricht in einem Zoom-Call bekommen, der als Interview der Nominierten getarnt war. Überraschend sei die US-Regisseurin Gina Prince-Bythewood ("The Woman King") zugeschaltet worden, erzählt Keller. "Sie hat mir dann gesagt, dass ich gewonnen habe."

Einen Oscar für einen Übungsfilm? Ja, das geht

Wer sind nun die Münchner Gewinner, über die ihre Professoren Heinz und Rosenmüller sagen, sie hätten große gesellschaftliche Themen angepackt und hochemotional auf menschlicher Ebene verhandelt? Und mit welchen Filmen (die beide in Kooperation mit dem BR entstanden und HFF-Teamarbeiten sind) haben sie gewonnen?

Nils Keller wurde 1991 in München geboren, er sagt: "Ich fühle mich sehr mit der Stadt verbunden." Mit seinem Gewinnerfilm "Almost Home" hat er sein Regiestudium an der HFF abgeschlossen. Er hat bereits Werbe- und TV-Filme gedreht, im Sommer etwa drei Folgen "Soko Köln" für das ZDF. "Almost Home" ist anders. Die 30 Minuten lange Science-Fiction-Miniatur handelt von einem außergewöhnlichen Mutter-Sohn-Konflikt: Ein 17-Jähriger (Jeremias Meyer) begleitet seine Mutter, eine Weltraumforscherin (Susanne Wolff), auf eine Reise zum Mars, um in der Schwerelosigkeit eine Therapie gegen seine Autoimmunkrankheit zu machen. Kurz vor der geplanten Rückkehr bricht auf der Erde "die schlimmste Pandemie, die es je gab", aus. Der Junge gehört zur Risikogruppe, doch sein Wunsch, die Isolation endlich wieder zu verlassen, ist groß. Keller und seinem Team (Kamera: Georg Nikolaus, VFX: Lukas Väth) ist ein intensives Kammerspiel im Weltall gelungen, das verdammt gut aussieht und sehr berührt; das Pandemie-Thema wird dabei nicht überstrapaziert.

In seiner Dankesrede sagte der Regisseur: "Wir hatten wenig Geld, eine andauernde Pandemie, und wir wollten - nein, wir mussten - ein begehbares Raumschiff in Originalgröße bauen. Wir brauchten jede Menge visuelle Effekte. Es hätte so vieles schief gehen können."

Vor zwei Monaten hat "Almost Home" schon den sogenannten Studenten-Oscar gewonnen. (Foto: Le Hof Media)

Welf Reinhart wurde in Würzburg geboren und hat zunächst in Kassel visuelle Kommunikation studiert, bevor es ihn nach München verschlagen hat. Dass er an der HFF noch nicht ausgelernt hat und sein Gewinnerfilm "Eigenheim" ein sogenannter Übungsfilm ist, spricht für sein Talent. Reinhart verhandelt in seinem 23-Minuten-Drama, das schon einige Preise gewonnen hat und auf mehreren internationalen Festivals zu sehen war, ein gesellschaftlich relevantes Thema, nämlich das der Zwangsräumung infolge einer Eigenbedarfskündigung. Das zutiefst menschliche Drama über ein Seniorenpaar, das sich gegen das Unvermeidliche stemmt, verblüfft mit Zärtlichkeit und Wärme. Wie die beiden Protagonisten in der schweren Zeit miteinander umgehen, ist herzergreifend (gespielt von Ingrid Farin und Reinhart Firchow, Drehbuch: Tünde Sautier).

Zärtliche Momente im großen Drama: Ingrid Farin und Reinhart Firchow in Welf Reinharts Film "Eigenheim". (Foto: Merki und Reinhart Film GbR)

Wie geht es nun weiter nach dem glamourösen Auftritt? Nach den Oscars ist vor den Oscars? Ja und nein. Reinhart will sich nun ganz auf seinen Abschlussfilm konzentrieren, im Winter soll gedreht werden. "Ich möchte so schnell wie möglich ins Arbeiten kommen", sagt er, "ich will unbedingt als Regisseur arbeiten." TV, Streamer - er kann sich vieles vorstellen.

Keller ist schon einen Schritt weiter, das HFF-Studium liegt hinter ihm. "Die Auszeichnung ist für mich ein echter Traum", sagt er, "auf dem ich und wir als Team aufbauen wollen, um Fuß in der internationalen Branche zu fassen." Als Türöffner soll der Oscar wirken, nächste Projekte würden bereits entwickelt: "Feature-Filme und Serien". Der Münchner, der Denis Villeneuve ("Dune") als größtes Vorbild bezeichnet, hat eine klare Vision: "Als Filmregisseur möchte ich erzählerisch und visuell anspruchsvolle Geschichten für ein breites Publikum erzählen. Mein Schwerpunkt liegt auf intensiven, dramatischen Stories mit vielfältigen, tiefgründigen und ambivalenten Figuren. Außerdem fasziniert mich Worldbuilding, also einen Erzählrahmen schaffen, der einen ein Stück weit aus dem Alltag herausholt und in eine mehr oder weniger andere Welt entführt." Genau das ist ihm mit "Almost Home" bereits gelungen.

Weitere Oscar-Hoffnungen gibt es auch noch. Denn alle mit einem Studenten-Oscar ausgezeichneten Filme sind berechtigt, um die "großen" Oscars in den Kurzfilm-Kategorien zu konkurrieren. Gelungen ist das unter anderen dem Münchner Florian Gallenberger: Für "Quiero ser" gab es 2000 zunächst den Studenten-Oscar und dann den Kurzfilm-Oscar. Auch für Katja von Garnier (1994) und Alex Schaad (2016) waren die Studenten-Oscars Motoren für ihre Karrieren.

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