Streit um Nichtraucherschutz:Rauchende Köpfe

Gegner und Befürworter eines totalen Rauchverbots in der Gastronomie betonen, sich für Nichtraucherschutz und die Freiheit des Einzelnen einzusetzen. Doch in der Frage, wie diese Punkte zu definieren sind, scheiden sich die Geister.

Astrid Becker

Matthias Claudius wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Niemand ist frei, der über sich selbst nicht Herr ist." Im Moment passt dies ganz gut auf die Gegner und Befürworter eines totalen Rauchverbots in der Gastronomie. Sie liefern sich 36 Tage vor dem Volksentscheid einen heftigen Schlagabtausch, indem sie gern die Begriffe "Freiheit und Toleranz" bemühen, diese aber recht unterschiedlich interpretieren.

Zigarette

In München steht in 36 Tagen ein Volksentscheid über ein totales Rauchverbot in der Gastronomie an.

(Foto: dpa)

Gestritten wird zuvorderst um die Frage, welche der beiden Parteien von wem Geld bekommt, also "unfrei" ist: Die Gegner des Verbots von der Tabakindustrie - was diese nicht bestreiten- , die Befürworter von der Pharmaindustrie - was diese vehement dementieren.

Einigkeit und Zwist

Einig sind sich die Kontrahenten nur in zwei Punkten: Sie betonen, sich für Nichtraucherschutz und die Freiheit des Einzelnen einzusetzen. Nur in der Frage, wie diese Punkte zu definieren sind, scheiden sich die Geister.

Die Nichtraucherinitiative München, die den Volksentscheid am 4. Juli der ÖDP unterstützt, will ein komplettes Rauchverbot, um die Menschen vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen und die "Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Nichtrauchern" aufzuheben, wie es deren Vorsitzender Ernst-Günther Krause nennt.

Die Aktivisten von "Bayern sagt nein" sehen hingegen die jetzige Regelung für ausreichend an. Sie gewährleiste konsequenten Nichtraucherschutz und eben "die individuelle Entscheidungsfreiheit", wie es in den Zielen des Bündnisses heißt.

Dem jetzigen Gesetz zufolge können Wirte von sogenannten getränkegeprägten Einraumgaststätten mit weniger als 75 qm, zu denen Minderjährige keinen Zutritt haben, ihre Lokale als Raucherkneipen deklarieren. Zudem kann das Rauchen in größeren Gaststätten, Diskotheken und Spielhallen nur in abgeschlossenen Nebenräumen, zu denen Minderjährige keinen Zutritt haben, gestattet werden. Auch das Rauchen in Bier- und Festzelten darf demnach erlaubt werden. In allen anderen Fällen ist das Rauchen in der Gastronomie verboten.

Für die Nichtraucheraktivisten greift die Regelung bekanntermaßen nicht weit genug. Sie argumentieren unter anderem damit, "dass man Nichtraucher ja schlecht zum Nichtrauchen ins Freie schicken kann", wie der Vorsitzende der Nichtraucherinitiative München, Ernst-Günther Krause, sagt. Würde "der Tabakqualm von Maschinen ausgestoßen, müssten die Beschäftigten sogar mit einer Atemschutzmaske herumlaufen".

"Die Zahlen sind falsch"

Außerdem hätten sie in einer Studie, von der auch die SZ berichtete, unter anderem festgestellt, dass von 126 untersuchten, getränkegeprägten Lokalen nur sieben rauchfrei seien. Zahlen, mit denen Krause gern hausieren geht, um zu beweisen, dass es ein Nichtraucher schwer hat, will er ohne Qualmbelästigung ein Bier in München trinken.

Allerdings kommt das Kreisverwaltungsreferat zu einem ganz anderen Ergebnis: Demnach wird in nur mehr knapp elf Prozent aller Gaststätten in München geraucht. Krause negiert dies: "Die Zahlen sind falsch". Deshalb werde auch "die Mehrheit der Menschen mit "Ja" stimmen."

Richtig ist dies, wenn nur entschiedene Gegner des blauen Dunstes zum Entscheid gehen - wie beim vorausgegangenen Volksbegehren geschehen. Damals hatten rund 14 Prozent aller bayerischen Wahlberechtigten sich für einen Entscheid ausgesprochen. 86 Prozent waren demnach des Themas überdrüssig.

Schlechte Voraussetzungen also für "Bayern sagt nein" - zumal das Bündnis bereits jetzt mit Tiefschlägen in ihrer Kampagne zu kämpfen hat: Poster, die auf Zigarettenautomaten aufgeklebt waren, wurden vielerorts in der Stadt systematisch sofort heruntergerissen.

Und selbst das Tollwood will mit den Verbotsgegnern so gar nichts zu tun haben. Es sagte den Nichtraucheraktivisten einen Info-Stand auf dem Sommerfestival zu. Die gleiche Anfrage hatte auch "Bayern sagt nein" gestellt - und gestern eine Absage bekommen. So viel zum Thema Freiheit und Toleranz.

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