Süddeutsche Zeitung

Streit um Krätz-Nachfolge:"Der kometenhafte Aufstieg macht einen schon stutzig"

Wer wird neuer Wirt auf dem Oktoberfest? Siegfried Able ist Favorit für die Nachfolge von Sepp Krätz. Bei den Wiesn-Wirten ist er umstritten. Nun löst die Personalie auch im Münchner Stadtrat Verwunderung aus.

Von Stephan Handel und Peter Fahrenholz

Die Kritik an der geplanten Kür von Siegfried Able zum Nachfolger von Sepp Krätz als Wiesnwirt wird immer lauter. Stadträte und andere Beteiligte fordern mehr Transparenz im Vergabeverfahren, mehrfach ist von "Willkür" die Rede.

Vor wenigen Tagen bekamen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses im Stadtrat die Unterlagen für die nicht öffentliche Sitzung am kommenden Montag, in der über die Zulassung zur Wiesn entschieden werden wird - und wunderten sich teilweise sehr: Unter den sieben Bewerbern für die fünf brauereifreien Zelte hat sich Able auf Anhieb auf Platz 2 gesetzt - vor so etalierten und alteingesessenen Oktoberfest-Institutionen wie der Fischer-Vroni, dem Schottenhamel und Roland Kufflers Weinzelt.

Auf Platz 1 findet sich Käfers Wiesnschenke, die Bewerbung von Sepp Krätz landete auf Platz 6, und Lorenz Stiftl, neben Able einziger neuer Bewerber, wurde letzter. Einer der Stadträte sagt dazu zur Süddeutschen Zeitung: "Der kometenhafte Aufstieg macht einen schon stutzig." Ein anderer meint: "Es hat noch nie jemand geschafft, einen so großen Sprung zu machen."

Das Ergebnis verwundert umso mehr, als die etablierten Wirte jedes Jahr die Gelegenheit - und die Auflage - haben, ihr Zelt zu optimieren, also wie etwa Roland Kuffler, der seit mehr als 25 Jahren beständig an seinem Auftritt arbeitet. Ganz zu schweigen vom Zelt der Familie Schottenhamel, in dem seit 1867 die Gäste bewirtet werden. Hätte Sepp Krätz nicht in Folge seines Steuer-Prozesses seinen Platz auf der Wiesn verloren, sondern sein Hippodrom weiterbetreiben können, dann wäre statt seiner das Weinzelt von der Wiesn geflogen.

Ables überraschendes Ergebnis ruft deshalb auch Misstrauen hervor: "Der hat die Musterlösung abgegeben", sagt ein Stadtrat. Aus anderen Quellen ist zu hören, dass Ables Pläne "bis auf den Quadratzentimeter" zu dem angebotenen Platz gepasst hätten - was zu dem Verdacht führt, er habe Hilfe aus der Stadtverwaltung erfahren.

Unabhängig davon wird Kritik aber auch an den Kriterien laut, nach denen die Stadtverwaltung ihre Punkte vergibt. So landete das traditionsreiche Schottenhamel-Zelt nur auf Platz 4, weil dort 2010 Peter Schottenhamel ausschied und von Michael Schottenhamel ersetzt wurde - was wohl Minuspunkte bei all jenen Kriterien brachte, die mit der Dauer des Wiesn-Engagements zu tun haben.

Able begann 1994 mit einem Verzehr-Stand

Im Gegensatz dazu scheint Siegfried Able seine Anwesenheit auf der Wiesn insgesamt gutgeschrieben worden zu sein - er begann 1994 mit einem Verzehr-Stand, erst seit 2008 betreibt er dort die Kalbs-Kuchl. Dass er dafür in diesem Jahr keine Bewerbung abgegeben hatte, sondern offenbar ganz auf das große Zelt setzte, nährt weitere Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens - ebenso wie die Tatsache, dass er dem Vernehmen nach schon im November angefangen hat, Mitarbeiter von anderen Wirten abzuwerben, unter anderem den Betriebsleiter aus der Ochsenbraterei.

Und es erscheint manchem unverständlich, warum der abgelehnte Bewerber Lorenz Stiftl im Punkt "Volksfesterfahrung" hinter Able liegen soll: Die Stiftl KG beschickt zahllose Volksfeste in ganz Bayern, das Gasthaus Spöckmeier nahe des Marienplatzes ist ein eher kleiner Teil des Stiftl-Portfolios.

Ein Berater mehrerer Wiesnwirte rät den durchgefallenen Bewerbern nach der Sitzung am Montag zum Gang vor Gericht: Zum einen, um gegen die Nichtzulassung zu klagen, zum anderen aber auch, um die Stadt zu zwingen, die Punktevergabe transparenter zu machen.

Dieter Reiter, Noch-Wirtschaftsreferent und von kommender Woche an Oberbürgermeister, hatte in der Süddeutschen Zeitung gesagt, die Stadt habe bei solchen Verfahren "noch nie verloren". Ein Insider mutmaßt hingegen, die Stadt habe auch noch nie gewonnen, weil alle Verfahren durch großzügige Vergleichsangebote einvernehmlich beendet wurden - eben um zu verhindern, dass die Vergabekriterien öffentlich werden.

Doch auch wenn bekannt wäre, wie die Punkte vergeben werden - "es gibt sehr viel Platz für Ermessen bei der Stadt", sagt der Insider. Wie soll etwa der Punkt "Anziehungskraft" gerecht bewertet werden? Und hätte nicht Sepp Krätz mit seinem Hippodrom dafür die volle Punktzahl bekommen müssen, während bei Able ja niemand so genau weiß, wie sein geplantes "Marstall"-Zelt ankommen wird? Der Versuch eines Stadtrats jedenfalls, Verwaltung und Dieter Reiter vor der Ausschuss-Sitzung zu einem Gespräch über das merkwürdige Ergebnis zu bewegen, scheiterte.

Siegfried Able hat schon auf frühere Anfragen erklärt, dass er sich vor dem 28. April nicht äußern werde, und war auch am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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SZ vom 26.04.2014/amm
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